Montag, 1. September 2025

Spielejahrgang 2024/25:
Was meine Spielerunden gerne spielen (1)

Wen interessiert, was meine Mitspieler:innen gerne spielen? Na, mich auf jeden Fall! Schon deshalb, weil ich nicht die falschen Spiele zum Spieleabend mitbringen möchte. Klar, wer mit mir spielt, kann sich das Menü nicht immer aussuchen. Ich habe nun mal nicht ausschließlich tolle neue Spiele, sondern auch weniger tolle neue Spiele und vor allem sehr viele mittelmäßige. Und die will ich auch spielen, b) um darüber schreiben zu können, und a) um zuvor herauszufinden, welches denn überhaupt die tollen, die doofen und die mittelmäßigen sind.

Solange das nicht klar ist, kann ich meinen Mitspieler:innen immer noch sagen: „Ups, sorry, habe ich nicht gewusst!“ Aber irgendwann leiert die Unschuldsnummer aus. Und weil alle außer mir das in ihrer Freizeit machen und es allen außer mir um den Spaß geht, ist es langfristig schlauer, immer auch ein paar beliebte Spiele im Gepäck zu haben.

Damit ich also weiß, was meine Mitspieler:innen gerne spielen, bitte ich sie, alle gespielten Spiele auf einer Skala von 1 bis 10 zu bewerten. Zu meinen öffentlichen Spielerunden kommen 15, 30 oder auch mal 50 Besucher:innen. Und während ich – sagen wir mal – mit dreien von denen spiele, gehen mir 12, 27 oder 47 Spieleindrücke durch die Lappen. Ich kann nicht mit all den Leuten über all ihre Partien reden, kann nicht bei allen zuschauen. Aber zumindest ein bisschen Feedback möchte ich mitnehmen. Noten sind ein einfacher Weg, um eine minimale Rückmeldung zu geben und zu bekommen.

Die Ergebnisse fasse ich in einer Tabelle zusammen – in die ich zwischendurch auch häufiger reinschaue, um meine eigenen Spieleindrücke mit den Mehrheitsmeinungen zu vergleichen. Wenn viele ein Spiel mögen, und ich mag es bisher nicht, nehme ich das zum Anlass, um es noch häufiger und auch mit anderen Personen zu spielen. Im Bestfall mit welchen, die es so sehr mögen. Und umgekehrt gilt auch: Wenn ich ein Spiel für gut halte, es aber in Runden ohne mich schlechte Noten kassiert, ist es sinnvoll, mal bei einer Partie über die Schultern zu gucken, um herauszufinden, was da offenbar anders läuft als in den Partien mit mir.

Am Ende kommen meine Mitspieler:innen und ich trotzdem nicht unbedingt zu denselben Ergebnissen. Das liegt auch daran, dass viele Noten Ersteindrücke sind. Zwar überschreibe ich alte Bewertungen mit neuen, falls dieselbe Person mehrfach dasselbe Spiel benotet. Aber aus diversen Gründen, die ich schon im Vorjahr beschrieben habe, gibt es nicht so viele Überschreibungen.

Zweimal im Jahr – und einer dieser Tage ist heute – stricke ich aus der Tabelle einen Blogartikel. In diesem ersten Auswertungsteil geht es los mit den – nach Spiel-des-Jahres-Kriterien – „roten“ Spielen. Um sich zu qualifizieren, muss ein Spiel von mindestens 30 verschiedenen Personen benotet worden sein und eine durchschnittliche Bewertung von mindestens 7,0 Punkten erreicht haben. Hier ist das Ranking:


1. BOMB BUSTERS
Mitspieler:innen: 7,7 / 10
Udo: ****** außerordentlich

2. HOF-VERRAT
Mitspieler:innen: 7,5 / 10
Udo: **** solide

3. CASTLE COMBO
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: ***** reizvoll

4. SKIZZ IT
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: ***** reizvoll

5. REBEL PRINCESS
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: **** solide

6. CITIES
Mitspieler:innen: 7,2 / 10
Udo: ***** reizvoll

7. QUICKSAND
Mitspieler:innen: 7,2 / 10
Udo: **** solide

8. KOMM ZUM PUNKT
Mitspieler:innen: 7,1 / 10
Udo: **** solide

9. FAIRY RING
Mitspieler:innen: 7,0 / 10
Udo: **** solide




Ergänzung: Das bestbewertete Spiel unter denen, die es nicht auf 30 Noten gebracht haben, ist AGENT AVENUE (7,3 / 10). Das meistbewertete Spiel ist KRAKEL ORAKEL, knapp vor BOMB BUSTERS.


  • Teil 2: anthrazitfarbene Spiele

Sonntag, 31. August 2025

Gern gespielt im August 2025

MEISTER MAKATSU: Und wenn er doch Meister heißt: Wieso mag er es nicht, wenn ich die meisten Chips habe?

TOY BATTLE: Warum sollten sich Spielzeuge auch sinnvoller zu beschäftigen wissen als wir?

ABGESTAUBT: Ich suche noch nach einem Dreh, um es in die Wirklichkeit zu übertragen, dass andere unbedingt meine Staubfussel haben wollen.

CIVOLUTION: Gotta play it! (Sorry, so langsam gehen mir die göttlichen Wortspiele aus.)

BOMB BUSTERS: 24 Abende, 66 Bomben, 91 Anläufe später …







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM AUGUST:

LIFE OF THE AMAZONIA: Tier-Pläsier.







Sonntag, 24. August 2025

Life of the Amazonia

Life of the Amazonia: Cover

Den Zusammenhang zwischen Regenwald und Einleitungen hatte ich gerade erst vor vier Tagen herausgearbeitet. Ich denke, ich muss es nicht noch mal wiederholen.

Wie geht LIFE OF THE AMAZONIA? Erneut bauen wir ein Stück Regenwald mit Tieren darin. Und vor allem die Tiere sind es, die in LIFE OF THE AMAZONIA Punkte zählen. Jedes der acht Tiere hat seine eigenen Bedingungen. Der Laubfrosch will eine private Wasserpflanze neben sich haben, dann zählt er vier Punkte. Der Ara zählt bis zu elf Punkte, abhängig von der Anzahl Bäume in seinem Wald-Lebensraum.
Der Ara ist folglich auch teurer und kostet sechs Obst- und zwei Blattressourcen, den Frosch gibt es schon für dreimal Obst und einmal Wasser. Welche Ressourcen mir für den kommenden Zug zur Verfügung stehen, erfahre ich schon am Ende des vorherigen Zuges. Dann nämlich ziehe ich fünf Ressourcenchips aus meinem Beutel. Neben Obst, Blatt und Wasser gibt es noch Münzressourcen. Und jede dieser Ressourcen gibt es in Werten von bis zu vier. Höhere Ressourcen sind natürlich toller. Einen Ara könnte ich mit fünf Chips gar nicht bezahlen, wären alle meine Ressourcen nur Einer.
Bin ich am Zug, investiere ich also meine gezogenen Chips: für Tiere, für weitere Landschaftsplatten, für Bäume, für Wasserblumen. Und auch für zusätzliche und bessere Chips. Um die zu kaufen, benötige ich Münzressourcen. Alles, was ich benutze und was ich kaufe, kommt zunächst auf einen Ablagehaufen (mein Boot), und ist mein Beutel leer, fülle ich ihn mit dem Inhalt meines Bootes wieder auf. Das ist ganz klassisches, an DOMINION angelehntes Deckbuilding, das man ebenso gut mit Karten statt mit Chips und Sack hätte umsetzen können.

Life of the Amazonia: Spielsituation

Vor allem aber ist LIFE OF THE AMAZONIA ein Puzzlespiel. Viele Tiere möchten gern in großen Lebensräumen (Wald, Sumpf, Fluss) sein. Also will ich mit den Landschaftsplatten große gleichfarbige Flächen bilden; zwangsläufig werden aber auch immer wieder kleine entstehen. Ich will die Tiere in bestimmten Mustern platzieren (neben einem oder mehreren Bäumen, neben vielen anderen Tieren und so weiter), und nicht immer geben die Untergründe diese Muster her. Ein Baum etwa gehört in einen Wald. Und ist dort, wo er am besten aufgehoben wäre, Sumpf, wird das schon mal nichts.
Einige Felder geben auch, sobald mit Tier oder Pflanze bebaut, einen Bonus (ich darf sofort einen weiteren Chip ziehen, ich darf einen Chip entsorgen und so weiter). Und weil ich auf diesen Bonus scharf bin, bebaue ich das Feld vielleicht, obwohl für mein angestrebtes Muster das Nachbarfeld eigentlich besser wäre.

Was passiert? LIFE OF THE AMAZONIA ist ein Wettrennen – obwohl man das angesichts der Spieldauer vielleicht erst gegen Ende bemerkt. Alle Tiersorten sind begrenzt. Sind fünf der acht Sorten ausverkauft, endet die Partie. Konzentriere ich mich zu sehr darauf, meine Chips aufzuwerten und alle Details zu optimieren, lasse ich mir womöglich zu viele Tiere und damit auch Punkte durch die Lappen gehen.

Life of the Amazonia: Tierwertungen

Das Puzzle ist bereits in der Basisversion herausfordernd. Wählt man für die Partie komplexere Tier-Wertungsmöglichkeiten (pro Tier existieren vier Varianten), wird es noch tückischer. Man kann klare Fehler machen; und um solche zu vermeiden, überlegen manche Personen besonders lange. Zwar könnte man anhand der gezogenen Chips seinen Zug eigentlich vorausplanen, aber nicht jede:r tut das. Außerdem ergeben sich mittendrin manchmal neue Optionen, die ich gar nicht vorher zu Ende denken kann.
LIFE OF THE AMAZONIA dauert unbestritten lange. Die angegebene Maximaldauer von 150 Minuten wurde in meinen Viererrunden schon überschritten. Das muss aber nicht schlimm sein. Die Frage ist ja: Macht es denn in der gesamten Zeit Spaß oder zieht es sich? Und der Aufbau-Charakter macht Spaß! Ich fange mit miesen Chips und kleinen Tieren an und entwickle mich langsam weiter. Ich spüre den Fortschritt, aber er fällt mir nicht in den Schoß; echter Fortschritt dauert eben.
Andererseits gibt es in LIFE OF THE AMAZONIA auch ein spielverlängerndes Element, das für meine Begriffe wenig zusätzliche Spannung, sondern überwiegend zusätzliche Komplexität erzeugt: Mit Wasserressourcen kann ich Karten kaufen, die teils Soforteffekte, teils Schlusswertungen bringen.
Die Zeit, die insgesamt damit verbracht wird, das wechselnde Kartenangebot zu analysieren oder zu überlegen, welche zwei der sechs Karten man austauschen möchte, sobald man das mal wieder darf, ist für meine Begriffe eher unnötig verbrachte Zeit. Klar, ich sehe ein: Für die Ressource Wasser hätte es ohne diese Karten im Spiel nicht genügend Verwendung gegeben. Die designerische Idee zur Lösung dieses Problems überzeugt mich trotzdem nicht.


Life of the Amazonia: Chips

Was taugt es? Obwohl ich großer Deckbau-Fan bin, ist es nicht der Deckbau, der mich in LIFE OF THE AMAZONIA so sehr fasziniert. Denn anders als man (oder nur ich?) es erwarten würde, liefert das Spiel keine Anreize, um das Deck mal irgendwie anders bauen zu wollen. Ich habe eine klare Vorstellung davon, wie mein Chipvorrat am Ende der Partie aussehen soll, und es ist jedes Mal gleich. Die Frage ist allenfalls, wie gut ich es hinkriege und wie viel Tempo ich dabei verliere.
Toll aber sind das Wettrennen auf die Tiere und die Landschaftspuzzelei. Hier gibt es nicht nur reichlich Vielfalt. Es lohnt sich auch, dasselbe Szenario häufiger zu spielen, um es beim nächsten Mal vielleicht anders und besser zu machen.
Die Mechanismen sind sehr klar und schnell verinnerlicht. Die Entscheidungen, die daraus resultieren, sind aber selten trivial. Zwischen kurzfristigen Gegebenheiten und langfristigem Plan treten regelmäßig spannende Widersprüche auf.
Die Holzfiguren sehen sehr attraktiv aus, LIFE OF THE AMAZONIA ist hübsch gestaltet. Größter Kritikpunkt allerdings ist die Materialqualität. Ein dreidimensionaler Wasserfall dient als Anzeiger für verschiedene Spielfortschritte. Weil er nicht in die Schachtel passt, muss er jedes Mal auf- und wieder abgebaut werden. Und die Laschen werden das, so wie sie inzwischen auf Halbmast hängen, höchstens noch drei Partien lang überleben.
Ich habe also einiges, womit ich hadere. Aber das ändert nichts daran, dass mir LIFE OF THE AMAZONIA viel Spaß macht. Weil es schön ist. Weil es mich herausfordert. Weil es spannend und trotz der Längen konstruktiv und befriedigend ist.


***** reizvoll

LIFE OF THE AMAZONIA von Jamie Bloom für eine:n bis vier Spieler:innen, Strohmann Games.

Mittwoch, 20. August 2025

Hutan

Hutan: Cover

HUTAN ist das indonesische Wort für „Regenwald“. Da Ravensburger in seiner Anleitung leider nicht mitteilt, wie das indonesische Wort für „Einleitung“ lautet, fühle ich mich, was das angeht, von etwaigen Verpflichtungen befreit.

Wie geht HUTAN? Wir bauen ein Stück Regenwald mit Tieren darin. Bin ich am Zug, wähle ich eine der ausliegenden Blumenkarten. Sie besagt, ob ich eine, zwei oder drei Blumen auf mein Tableau legen muss und in welchen Farben. Ich muss angrenzend an das legen, was ich schon habe. Und alle Blumen einer Karte müssen als zusammenhängende Gruppe platziert werden.
Obwohl ich die Blumen oft bunt gemischt erhalte, will ich eigentlich kein buntes Blumenmeer errichten. Sondern jedes meiner zehn bis 13 Gebiete soll ausschließlich Blumen einer Farbe enthalten. Nur dann und nur wenn das Gebiet auch vollständig gefüllt ist, zählt es Pluspunkte. Unvollständige oder bunte Gebiete bringen Minuspunkte.

Hutan: Tableau

Ich darf gleichfarbige Blumen auch auf bereits vorhandene Blumen legen. Dann wächst dort ein Baum. Auch der zählt Pluspunkte. Und schaffe ich es gar, ein komplettes Gebiet mit Bäumen auszustatten, darf ich statt des letzten Baumes ein Tier einsetzen, was nicht nur mehr Punkte zählt, sondern mir für jedes Nachbarfeld eine Blume nach Wahl schenkt.

Was passiert? Das Bauen ist kniffliger, als man zunächst denken mag. Will ich das Maximum von drei Blumen auf einmal, werden das unweigerlich verschiedene Farben sein. Das bedeutet, dass ich sie grenzübergreifend so platzieren sollte, dass sie in drei verschiedenen Gebieten liegen. Dies nun passend zu dem hinzukriegen, was ich schon habe, ist gar nicht so leicht. Mit jedem Gebiet, das ich neu beginne, handle ich mir zusätzliche Verpflichtungen ein. Halbvolle Gebiete zählen ja wie gesagt minus – während komplett leere Gebiete immerhin nichts zählen würden.

Hutan: Karten

Mich auf meinem Tableau auszudehnen, vergrößert zwar meine Optionen. Mich allzu sehr auszudehnen, treibt mich aber in die Minuspunkte. Die Lösung könnte sein, statt in die Breite in die Höhe zu bauen. Zumal Bäume ja auch punkten. Allerdings machen mich Bäume unflexibler, überdies kann ich mir unbeabsichtigt einzelne Felder abschneiden, die ich dann nur noch mit Jokerkarten bebaut bekomme. Und nicht zuletzt behindern zu viele Bäume den Bonus-Effekt meiner Tiere.

Was taugt es? HUTAN ist Puzzlespiel, bei dem man weitgehend friedlich und interaktionslos vor sich hintüftelt. Es ist nicht mega-innovativ, enthält aber im Detail einige Feinheiten, die nicht sofort auf der Hand liegen. Wer will, kann zusätzlich mit wechselnden Sonderwertungen spielen und so Kniffligkeit und Grübelbedarf nach oben treiben.

Hutan: Sonderkarten

Je häufiger ich HUTAN gespielt habe, desto wertvoller erschien es mir, statt einer Karte das Startperson-Plättchen zu wählen. Auch die Jokerblume, die man in diesem Fall bekommt, kann man häufig sehr gut gebrauchen. Vor allem in der letzten Runde des Spiels ist der Vorteil unübersehbar, nicht als Letzte:r die Karte nehmen zu müssen, die übrig bleibt. Denn häufig kriegt man auf diese Weise noch Minuspunkte reingedrückt. Das wirkt vom Design her etwas plump.
Auch die Grafik – so schön die Illustrationen aussehen – finde ich nicht ganz optimal. Das Spielmaterial verdeckt Informationen auf den Tableaus, gesperrte Wasser- und bebaubare Landgebiete sind nicht gut genug zu unterscheiden.
Trotzdem spiele ich HUTAN gerne, sicherlich auch weil ich Spiele dieser Art generell mag. Wir konkurrieren um Karten aus einer Auslage, ansonsten darf ich in Ruhe meine Landschaft basteln. HUTAN weicht genügend von anderen Spielen dieser Art ab. Und zumindest symbolisch einen Regenwald zu errichten, reinigt vielleicht auch die Seele.


**** solide

HUTAN von Daniel Skjold Pedersen und Asger Harding Granerud für eine:n bis vier Spieler:innen, Ravensburger.

Freitag, 15. August 2025

Wundersame Wesen

Wundersame Wesen: Cover

Um die Spielgeschichte feiern zu können, die davon erzählt, dass wir auf einer neu entdeckten Insel außergewöhnliche Tierwesen finden und sie freundlicherweise … ähm, „in unser Reservat aufnehmen“, fehlt es mir offenbar an Fantasie. Was wenig überrascht, denn für Einleitungen fehlt sie ja auch.

Wie geht WUNDERSAME WESEN? Wir wollen Wesenskarten ausspielen. Dafür brauchen wir 1. Wesenskarten und 2. die erforderlichen Rohstoffe, um das Ausspielen zu bezahlen. Ressourcen erhalten wir auf dem Inselspielplan. Mein Zug könnte darin bestehen, eine meiner drei Figuren einzusetzen und Ressourcen zu kassieren.
Was und wie viel, hängt davon ab, wie viele Ertragsfelder sich direkt neben dem Einsatzort meiner Figur befinden. Üblicherweise sind das zwei bis drei, später im Spiel auch vier. Zeigt das Ertragsfeld etwa eine Frucht, darf ich mir entweder den Rohstoff Frucht nehmen oder eine Karte aus dem Markt, die ein Fruchtsymbol zeigt – sofern dort solche Karten ausliegen.
Ein Alternativzug wäre, bis zu zwei Wesenskarten von meiner Hand auszuspielen. Das bringt Sofort- oder Dauer- oder Endwertungs- oder andere Effekte. Und das mache ich, um vorgegebene Ziele zu erreichen. Beispielsweise will ich mit meinen Wesen (und Eiern) viele rote Symbole sammeln oder insgesamt mindestens 14 Karten vor mir liegen haben oder … oder. Sieben unterschiedliche Zielvorgaben sind im Spiel. Habe ich eine erreicht, darf ich als Zugmöglichkeit Nummer drei dies offiziell bekanntgeben und meine Belohnung einkassieren.

Wundersame Wesen: Spielplan

Und Variante vier ist, dass ich meine drei Figuren vom Spielplan zurückhole. Das ist eher unbeliebt, aber irgendwann muss ich es tun. Und falls ich Karten ausgespielt habe, die in genau dieser Situation aktiviert werden, ist es plötzlich doch gar nicht mehr so unattraktiv.
WUNDERSAME WESEN ist ein Wettrennen. Je später ich ein Ziel erfülle, desto weniger Punkte bringt es. Und nach einer bestimmten Menge erfüllter Ziele und Figuren-Rückholungen endet die Partie. Punkte bringen im Wesentlichen die Ziele und die ausgespielten Karten.

Was passiert? Die Wesenskarten und ihre Boni sind der Kern von WUNDERSAME WESEN. Obwohl ich einerseits schnell sein und viele Karten rausballern möchte, will ich zugleich auch solche spielen, die gut harmonieren und im Bestfall denselben Vorgang mehrfach belohnen (den ich dann möglichst immer wieder initiiere) oder eine Belohnungskette auslösen: Wenn ich X mache, darf ich Y machen, wenn ich Y mache, kriege ich Z.

Wundersame Wesen: Karten

Ich habe also Handkarten und sehe, was es kostet, sie auszuspielen. Und suche mir, um diese Rohstoffe zu erhalten, geeignete Felder auf dem Spielplan, um mich dort zu platzieren. Verkompliziert wird dieser überschaubare Ablauf durch etliche Details. Freie Aktionen darf ich zusätzlich ausführen, am häufigsten werde ich „keschern“: Unter Abgabe eines Keschers führe ich den speziellen Kescher-Effekt eines Nachbarfeldes aus oder sammle Eier vom Spielplan ein.
Eier wiederum platziere ich auf meinem Tableau, wo sie sofort weitere kleine Effekte verursachen. Manchmal erhalte ich einfach nur Punkte. Aber selbst das Voranschreiten auf der Punkteskala kann Dinge lostreten, etwa erhalte ich einen Kescher und komme ins Grübeln, ob und wo ich ihn einsetzen möchte. Oder ich darf ein neues Landschaftsfeld platzieren. Aber welches? Und wo?
Am meisten gefordert und teilweise auch überfordert waren meine Mitspieler:innen durch die Kartenvielfalt. Der Kartenmarkt hat eine merkliche Fluktuation, und weil ich bei jedem Ertragsfeld zwischen Rohstoff und Karte wählen darf und überdies sowohl Eier als auch Kescher-Effekte als auch andere Dinge mir erlauben, Karten vom Markt zu nehmen, muss ich mich immer wieder orientieren, was dort frisch reingekommen ist.
Zwar sind die Fähigkeiten der Karten auch grafisch veranschaulicht, allerdings habe ich beobachtet, dass die Symbolsprache den Mitspieler:innen erst nach mehreren Partien hilft. Die Folge: Man liest den schwer zu entziffernden Text. Und weil für manche am Tisch die Karten zwangsläufig verkehrt herum oder zu weit entfernt liegen, muss man dazu aufstehen oder die Karten in die Hand nehmen …
Man ahnt sicher, worauf ich hinauswill: Die Wartezeiten in WUNDERSAME WESEN habe ich teilweise als arg empfunden. Oft kann ich während des Wartens nur wenig planen, weil ich nicht weiß, welche Felder auf dem Spielplan bis zu meinem Zug besetzt sein werden und welche Karten in den Markt kommen. Ich halte dann also später genauso den Laden auf. Und falls ich doch schon weiß, was ich tun werde, fühlt sich das nicht unbedingt besser an. Zack! Ich mache meinen Zug in wenigen Sekunden und muss danach wieder … warten.


Wundersame Wesen: Tableau

Was taugt es? Wartezeiten sind zweifellos auch immer ein Problem, das von den Mitspieler:innen selbst verursacht wird. Auch Stau auf der Autobahn kann es ja nur geben, weil wir ihn selbst bilden. Aber so wie ein Stau üblicherweise einen Auslöser hat, provozieren auch bestimmte Mechanismen Wartezeiten: Nebenaktionen beispielsweise, Kettenzüge und vor allem komplexe Kettenzüge wie in WUNDERSAME WESEN, die nicht nur darin bestehen, wie bei GANZ SCHÖN CLEVER peng, peng, peng hier ein Kreuz und da noch ein Kreuz zu setzen, sondern in irgendwelchen Zwischenschritten neue Entscheidungen verlangen, auf die man nicht vorbereitet war.
So manches in WUNDERSAME WESEN empfinde ich als unnötiges Brimborium, etwa dass die Figuren zwei Felder groß sind und somit acht statt sechs Nachbarfelder haben (es sieht vor allem cooler aus). Oder dass ich einer der Figuren unter bestimmten Voraussetzungen eine Reiter:in aufsetzen darf, die dann kleine Sonderfähigkeiten besitzt (und vor allem cool aussieht). Oder dass die Landschaft während der Partie mit zusätzlichen Plättchen noch ein bisschen aufgepeppt wird (statt cooler auszusehen bringt das noch mehr Symbole ins Spiel, die erklärt werden müssen).
Zum Glück gibt es auch einiges auf der Habenseite: Das Wettrennen ist sehr spannend. Ich muss gut haushalten und optimieren, es kommt auf jeden Spielzug an. Was ich tue, ist relevant. Es ist zwar Zufall, ob passende Karten in den Markt kommen. Es ist aber Können, sie zu erkennen und mit dem richtigen Timing auszuspielen.
Ich kann tolle Karten-Kombinationen sammeln, die sich von Partie zu Partie nicht so schnell wiederholen. Und wenn sie schöne Kaskadeneffekte ergeben, fühlt sich das – zumindest für mich, der davon profitiert – gut an.
WUNDERSAME WESEN sieht toll aus und hat viele meine Mitspieler:innen schon allein deshalb verzaubert. Die Anleitung ist sehr gut gemacht. Der Teil zum Nachschlagen klärt aufkommende Zweifelsfälle höchst zuverlässig. Kurzum: Es ist ein gutes Spiel. Aber ich glaube, mit Streamlining hätte es mein Herz mehr erobert als mit Gedöns.


**** solide

WUNDERSAME WESEN von C. W. Yeom für eine:n bis vier Spieler:innen, Strohmann Games.

Freitag, 8. August 2025

Pergola

Pergola: Cover

Wo könnte Punktesalat thematischer sein als in einem Garten?

Wie geht PERGOLA? PERGOLA ist ein Gartenspiel. Mit Punktesalat. In jedem Zug wähle ich eine von vier ausliegenden Kombinationen aus Werkzeug und Aktion. Das Werkzeug benutze ich nicht als Werkzeug. Sondern: Auf jedem Werkzeug sind zwei Gartenplättchen abgebildet. Die bekomme ich und lege sie in meinen Garten. Und die Aktion bringt mir logischerweise eine Aktion.
Gartenplättchen könnten zum Beispiel Stockmalvenblüten sein. Die gibt es in drei Farben. Und wenn ich Sets verschiedener Farben sammle, zählt das besonders viele Punkte. Sammle ich obendrein Schmetterlinge, lohnen sich sogar viele gleichfarbige Stockmalvenblüten.
Ein anderes Gartenelement sind Lavendelblüten und -blätter. Jedes Blatt bringt Punkte, und nach jeweils zwei Blättern muss ich mich entscheiden, ob ich sie mit einer Libelle kröne (nur ein Punkt, aber der ist sicher) oder eine Blüte dazwischensetze. Blüten zählen acht Punkte – falls ich drei Bienen sammle und draufsetze. Mit weniger Bienen zählen sie nichts.

Pergola: Garten

Die meisten Aktionen bringen mir Insekten: Libellen, Marienkäfer, Bienen oder Schmetterlinge. Auf welche Weise ich die Insekten bekomme und was eventuell zusätzlich passiert, unterscheidet sich: Mein Frosch, der auf einem Teich-Spielplan herumhüpft, kann neben Insekten auch Zusatzpunkte einsacken, wenn ich Ziele wie „mindestens vier Waldreben“ oder „mindestens vier Magnolien“ geschafft habe.
Wassertropfen, die ich auf meinem Wasserfall Feld für Feld nach unten schiebe, spülen ebenfalls Insekten an. Und unten im Becken angekommen, lösen sie eine Wertung aus, etwa: einen Extrapunkt pro Libelle, zwei Punkte pro Honigglas.

Was passiert? Obwohl ich mich in meiner Regelnacherzählung nur auf einen kleinen Teil der Elemente und Wertungsmechanismen beschränkt habe, ist PERGOLA nicht überkompliziert. Zu Anfang gibt es zwar eine Menge zu erklären, aber die Grafiken und die Übersichten (jede Person hat ihre eigene) helfen sehr, so dass man danach kaum noch Fehler macht. Zudem bietet die letzte Seite der Anleitung noch mal eine klare Wertungs-Übersicht. Erleichtert wird das Spiel auch dadurch, dass ich mir über die Platzierung der gesammelten Dinge wenig Gedanken machen muss. Vieles hat seinen vorgeschriebenen Ort.

Pergola: Werkzeuge

Die Werkzeug-Aktions-Kombinationen wechseln. Allerdings wechseln dabei nur die Werkzeuge. Wähle ich ein Werkzeug, rücken die verschmähten – sofern möglich – um eine Position weiter in Richtung der attraktivsten Aktion. Neue Werkzeuge kommen immer in Kombination mit der schwächsten Aktion ins Spiel.
Will ich also eine starke Aktion, muss ich ein Werkzeug wählen, dass schon länger im Markt rumliegt. Theoretisch sollte das ein eher unattraktives Werkzeug sein, muss es aber nicht. Obwohl meinen Mitspieler:innen die darauf abgebildeten Gartenplättchen nicht passen, können sie für mich trotzdem interessant sein. Es ist sogar vorteilhaft, bestimmte Sammelgebiete halbwegs exklusiv zu beackern.
Der Mechanismus mit den kombinierten Angeboten verspricht mehr Reiz, als er tatsächlich ausübt. Trotz Werkzeug-Verschieberei bleibt am Ende übrig: Ich habe die Wahl zwischen vier Angebots-Paketen. Und wenn ich Glück habe, liegt da eins, bei dem alles passt. Habe ich weniger Glück, muss ich Abstriche machen und Kompromisse eingehen. Und vor diese Entscheidung bin ich 15 Mal gestellt, dann ist das Spiel vorbei.
Gerade gegen Ende bin ich nicht mehr sehr flexibel. Ich habe mich auf bestimmte Sammelvorhaben festgelegt und will sie nun noch optimieren. Etwa brauche ich zwingend blaue Waldreben, weil nur Paare aus zwei Farben Punkte zählen, und ich will noch Schritte beim Wasserfall machen, um eine Wertung auszulösen – aber in Kombination mit der Wassertropfen-Aktion kommt partout nichts, was mir irgendwie weiterhilft. Und blaue Reben nimmt sich, kaum ist mal eine da, wer anderes.

Was taugt es? Hilfreich ist Erfahrung, um ein Gefühl zu entwickeln, was in einer Partie alles machbar ist und was nicht. Hilfreich ist, die verzahnten Punkteoptionen zu verinnerlichen, um Sachen zu sammeln, die einander unterstützen. Hilfreich ist, das Spiel der anderen zu lesen, um unnötigen Konflikten um bestimmte Gartenelemente aus dem Weg zu gehen. Und hilfreich ist, wie beschrieben, auch Glück.

Pergola: Krimskrams

Dagegen ist nichts einzuwenden. Oft sind Zufälle ja gerade das Salz in der Suppe. Bei PERGOLA jedoch nicht. Salz fehlt hier nämlich überhaupt. So optisch schön dieser Garten auch daherkommt: Mechanisch steckt ein abstraktes Sammelspiel dahinter, kombiniert mit weiteren Mini-Spielen wie Frosch oder Wasserfall. Das große Garten-Tableau, auf dem ich meine Plättchen ablege, ist hübsch, aber eigentlich überflüssig. Es wirkt so, als solle eine besonders liebliche und opulente Gestaltung die Mittelmäßigkeit von PERGOLA übertünchen.
Und das Thema? Na ja, es hätte auch Mittelalter sein können. Da hat man sicher auch schon Sets gesammelt. Aber Gartenthemen sind heute viel beliebter. Und – Déjà-vu –wo könnte Punktesalat thematischer sein als in einem Garten?
Was macht PERGOLA so mittelmäßig? Es ist die Gleichförmigkeit. Ich nehme mir was und lege es mir hin. 15 Mal. Es gibt keine Zwischenziele, keine Wettrennen, keine wechselnden Wertungen. Es wiederholt sich, außer dass ich auf wechselnde Mitspieler:inneninteressen und wechselnde Angebote reagieren muss.
Und die Wiederholung ist auch nicht spannend. Angebote werden nicht merklich wertvoller, indem ich sie eine Runde lang verschmähe, ich zocke nicht, ich habe keinen Einfluss auf das Angebot. In der Anfangsphase des Spiels macht es auch noch keinen sonderlichen Unterschied, was ich sammle. Alles kann punkten. Später macht es einen Unterschied. Und dann kommt eben das Erhoffte oder es kommt nicht.
PERGOLA sieht ansprechend aus, bietet aber keinen Mechanismus, der tiefer dringt und Emotionen (außer vielleicht „Oh, hübsch!“) auslöst.


*** mäßig

PERGOLA von Michał Gołąb Gołębiowski und Przemek Wojtkowiak für eine:n bis vier Spieler:innen, Rebel Studio.

Montag, 4. August 2025

Vor 20 Jahren (152): Vegas Showdown

Vegas Showdown: Cover

Was meine Spielerunden zu sein glauben: Menschen, die fröhlich ihrem Hobby nachgehen und auf freiwilliger Basis tolle neue Spiele spielen. Was sie tatsächlich sind: Menschenmaterial, das ich gnadenlos in meinem Spieleversuchslabor verheize. Das dürfen sie natürlich nicht wissen, weil sonst eventuell – und so wie bei mir – Fröhlichkeit und Unbeschwertheit abhandenkommen.

Die wesentliche Qualifikation als Versuchskaninchen besteht darin, begeisterte Spielerin oder Spieler zu sein. Und daraus ergibt sich ein Problem: Begeisterte Spielerinnen und Spieler neigen aus übertriebenem Enthusiasmus dazu, sich gelegentlich eigene Spiele zu kaufen, kommen damit zum Spieleabend und bringen meine ausgeklügelte Versuchsanordnung durcheinander. Natürlich spiele ich freundlich mit. Denn – siehe oben – sie sollen ja nichts merken.

Inzwischen kann ich solche unautorisierten Impulskäufe auch lockerer sehen als früher. Wenn irgendwer die ganz heiße Neuheit anschleppt, die so heiß ist, dass es sie noch nicht einmal auf Deutsch gibt, gehe ich – anders als vor 20 Jahren – mit fast hundertprozentiger Sicherheit davon aus, dass sie in absehbarer Zeit auf Deutsch herauskommen und dann sowieso Teil meiner Spielarbeit sein wird. Warum also nicht schon ein bisschen vorarbeiten?

Vor 20 Jahren brachte ein lieber Mitspieler VEGAS SHOWDOWN (von Henry Stern) mit. Das Spiel ist nie auf Deutsch erschienen, für Tageszeitungen war es somit nicht verwertbar, ich habe es also völlig umsonst gespielt – und bin trotzdem sehr froh darüber und habe es sogar noch viele weitere Male gespielt. 50 Mal und mehr. Völlig umsonst! Und das beruhigt mich auch ein wenig: Wenn ich so oft rein zum Vergnügen spiele, ist mein Spielerherz vielleicht ja doch noch nicht aus Beton. Na ja. Hm. Allerdings muss man auch sagen: Das ist jetzt 20 Jahre her …

VEGAS SHOWDOWN ist ein Versteigerungsspiel und ein Legespiel. Wir bauen Casinos und kaufen dafür Räume. Räume sollten Türen haben, damit ich sie angrenzend an andere Räume legen darf. Und wie das so ist in der Baufertigteilbranche: Attraktive Räume haben immer arg wenig Türen, zudem an beknackten Stellen.

Was macht Räume attraktiv? Manche bringen Geldeinkommen, manche bringen Punkte. Manche haben Symbole an ihren Kanten und Ecken, die ich so anordnen möchte, dass sie an die Symbole anderer Räume grenzen und aus zwei Hälften oder vier Vierteln ein Ganzes ergeben.

VEGAS SHOWDOWN vereint eine interessante Bauherausforderung mit einem guten Preis- und Bietmechanismus und einer ordentlichen Portion Schicksal. In welcher Reihenfolge die Teile ins Spiel kommen, weiß man nicht. Womöglich kommen die, die ich haben will, nie. Und vor allem gibt es Ereigniskarten, die ziemlich ins Kontor hauen können, weil sie natürlich Ereignisse bringen, mit denen niemand rechnen konnte.

VEGAS SHOWDOWN habe ich in der Fairplay 77 (2006) besprochen und also doch noch einen Dreh gefunden, um es nicht komplett umsonst gespielt zu haben. Mein Fazit damals: „VEGAS SHOWDOWN bewegt sich haargenau an der angenehmen Schnittstelle zwischen Anspruch und Unterhaltsamkeit und traf damit den Nerv sämtlicher meiner Spielerunden. Genau richtig für Leute ab 35, die inzwischen Kinder und Maloche am Hacken haben.“


Donnerstag, 31. Juli 2025

Gern gespielt im Juli 2025

WILMOT’S WAREHOUSE: Lebt von der Gewitztheit der Spielerunde – und was soll ich sagen: Meine Runden sind natürlich super gewitzt.

FLIP 7: Zweimal ist keinmal.

SKY TEAM TURBULENZEN: Wie schön, dass der Spielejahrgang seine absoluten Höhen …

ENDEAVOR – DIE TIEFSEE: … und Tiefen hat.

SETI: Dass sich außerirdische Lebensformen vor der Menschheit verstecken, beweist schon mal ihre Intelligenz.





UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM JULI:

CIVOLUTION: Als Gott hat man aktuell einfach keine Zeit, sich um die Probleme der Erde zu kümmern. Man muss CIVOLUTION spielen.





Mittwoch, 30. Juli 2025

Auf nach Japan!

Auf nach Japan: Cover

Schon gehört? Jetzt wollen diese Ökos mit ihrer Klimakatastrophe uns auch noch die Fernreisen wegnehmen. Wir dürfen planen, wir dürfen träumen – aber tatsächlich losfliegen dürfen wir nicht. Also AUF NACH JAPAN!

Wie geht AUF NACH JAPAN? Für meine Reiseplanung erhalte ich pro Spielzug zwei oder vier Karten. Die Hälfte davon lege ich vor mir aus, die andere Hälfte gebe ich an die nächste Person weiter: Drafting also. Allerdings Drafting mit Verzögerung. Denn ich nehme weitergegebene Karten nicht sofort auf, sondern erst, wenn sich ein bestimmter Vorrat angesammelt hat. Solange nicht, ziehe ich neue Karten vom Stapel.
Die Karten sind nach Attraktionen benannt wie „Gärten des Kaiserpalasts“ oder „Fließband-Sushi“. Weil wir unseren kompletten Japan-Trip in nur sechs Tagen abreißen, wollen wir besonders viel in diese Tage hineinstopfen. Pro Tag plane ich (üblicherweise) drei Attraktionen. Ich muss dabei keine Chronologie einhalten, kann Karten erst an den Donnerstag und dann an den Montag legen, und ich darf Karten an einem Tag sowohl über andere Karten legen als auch drunterschieben.
Sobald jede:r die (mindestens) 18 Karten gelegt hat, werten wir die Reisen aus, und jetzt ist die Chronologie wichtig: Zuerst werden die drei Karten des Montags gewertet, dann Dienstag und so weiter. Karten bringen erstens Punkte, zweitens schiebe ich entsprechend ihrer Symbole Themen-Marker voran, die etwa für „Tempel“ oder „Shopping“ stehen. Meine oberste Montags-Karte definiert zudem meine Tagesabschlusswertung: Beispielsweise sollen mein Marker „Tempel“ mindestens zweimal und mein Marker „Speisen“ einmal vorwärtsgelaufen sein, dann bekomme ich vier Punkte plus einen weiteren für jeden bisherigen „Speisen“-Schritt.
Auf solche Wertungen spiele ich hin und versuche, meine Auslage entsprechend zu optimieren. Zusätzlich muss ich noch Details bedenken. Karten gehören entweder zu Tokyo oder Kyoto, und ich sollte während meiner Reise nicht zu oft zwischen den beiden Orten hin- und herpendeln. Das kostet Fahrkarten, die ich mir erst mal besorgen muss, oder es kostet Punkte.
Neben den Themen-Markern versetzen meine Karten auch Stimmungs-Marker. Die stärkeren Karten verursachen Stress, die schwächeren Freude. Stress gleicht Freude aus und umgekehrt. Allerdings wird nicht beides einfach miteinander verrechnet, sonders es gibt bestimmte Kipppunkte. Habe ich zu viel Stress hintereinander, zählt das irreversibel Minuspunkte. Umgekehrt sichert mir eine längere Freudephase Pluspunkte. Auch hier lassen sich mit einem ausgeklügelten Arrangement der Symbole einige Punkte herausoptimieren.


Auf nach Japan: Reiseplanung

Was passiert? Ich hoffe auf Karten, deren Wertungen mir machbar und lukrativ erscheinen. Mit weiteren Karten (die ich früheren Wochentagen zuordne) versuche ich, diese Wertungen gut zu erfüllen. Für frühe Wochentage wähle ich tendenziell leichtere Wertungen, denn so viele Symbole habe ich dann noch nicht. An späteren Tagen darf es auch komplexer werden. Im Bestfall gelingt es mir, Wertungen aufeinander aufbauen zu lassen, dass etwa meine Belohnungen vom Dienstag und Mittwoch perfekt meine Freitags-Wertung unterstützen.
Jede:r tüftelt solitär. Das hat den Nachteil, dass man nicht miteinander spricht und auch wenig voneinander mitbekommt, hat aber den Vorteil, dass ich niemandem beim Nachdenken zusehen muss. Denn zu bedenken gibt es schon so einiges: Vielleicht passen mir die Symbole der Karte sehr gut, aber die Wertung nicht. Was aber gar nicht so schlimm sein muss, weil ich die Karte an ihrem Tag ja einfach unter die vorhandene schieben könnte. Allerdings folgt dann tagesübergreifend Kyoto – Tokyo – Kyoto aufeinander statt Kyoto – Kyoto – Tokyo. Ich springe also einmal zusätzlich zwischen den Städten. Hm, Karte also doch nach oben und darauf spekulieren, dass ich sie noch mit der dritten und letzten Karte des Tages überdecke, die dann aber unbedingt eine Tokyo-Karte sein und eine passende Wertung mitbringen muss …? Tatsächlich sind die Überlegungen sogar noch ein bisschen komplexer: weil man auch die Stimmung berücksichtigen muss, weil man (was einen Zufallsentscheid ins Spiel bringt) Karten als „Spaziergang“ auslegen kann, und weil, sobald ein Tag seine dritte Karte bekommt, eine kleine Zwischenwertung ausgelöst wird.
Man gestaltet also ein Puzzle und hat bestimmte Wünsche im Kopf. Die Karten weichen mal weniger, mal mehr von den Wünschen ab, und es geht darum, die richtigen Kompromisse zu finden und das Beste herauszuholen. Und manchmal lohnt auch ein Zock.

Was taugt es? AUF NACH JAPAN versucht, möglichst thematisch rüberzukommen. Jede Karte enthält drei Zeilen Info-Text. So erfährt man etwa, dass nur der Ostteil der Kaiserpalastgärten öffentlich zugänglich ist oder Sushi vom Fließband ein günstiges Geschmackserlebnis bietet. Die Anleitung empfiehlt, bei Spielende nicht einfach nur die Punkte zu addieren, sondern einander zu schildern, was man während der Reise so alles erlebt.

Auf nach Japan: Karten

Nun ja. Hätte jemand tatsächlich vom Kaiserpalast oder Fließband-Sushi zu erzählen, würde mich das interessieren. Aber nicht, wenn es nur um gleichnamige Karten geht, zu denen sich der persönliche Bezug darin erschöpft, dass man sie ausgelegt hat. Das aufgesetzte Thema an sich stört mich gar nicht. Die meisten Spiele haben aufgesetzte Themen. Und solange sie – wie hier! – das Spielverständnis unterstützen und Atmosphäre schaffen, ist das völlig okay. Nur speziell zelebrieren mag ich ein aufgesetztes Thema eben nicht. Dieses Angebot schlage ich also aus.
So völlig okay das aufgesetzte Thema ist: Thematische Pluspunkte sammelt AUF NACH JAPAN bei mir nicht. Zweifellos habe ich im Spiel das Gefühl, etwas zu planen. Exakt das ist ja meine Hauptbeschäftigung. Wie eine Reise oder Reiseplanung kommt mir das aber nicht vor. Meine Gedanken kreisen um eine Abfolge abstrakter Symbole.
Das Spiel an sich finde ich ebenfalls völlig okay. Ich treffe viele Entscheidungen, ich kann verschiedene Dinge probieren, ich werde nach und nach Kombinationsmöglichkeiten entdecken, die nicht sofort auf der Hand liegen. Nur: Ich erlebe keine außergewöhnliche Spannung dabei, und ich vermute, das liegt an der doch sehr ausgedehnten Planungsphase.
Erstens muss ich währenddessen viele Kleinigkeiten beachten und vorausberechnen. Und das alles passiert lange Zeit nur in meinem Kopf. Erst ganz am Ende der Partie wird es endlich konkret und ich setze die Marker tatsächlich vorwärts. Das ist eher anstrengend als spielerisch. Zumal mir manche Regeln auch unnötig vorkommen: Braucht das Spiel zwei Arten Stress und zwei Arten Freude? Immer wieder hat dies Mitspieler:innen in Planungsfallen laufen lassen. Auch die Ausnahme-Regel, einen Spaziergang machen zu dürfen, und als Ausnahme von der Ausnahme einen Bonus-Spaziergang, zieht Fragen nach sich.
Zweitens werden die Rückmeldungen und Belohnungen für mein Tun ganz weit ans Ende der Partie verschoben. Vorher bin ich nicht so recht orientiert, wie ich dastehe. Noch orientierungsloser bin ich, wo die anderen stehen. AUF NACH JAPAN fühlt sich an wie eine Klassenarbeit, zu der man den emotionalen Bezug verloren hat, weil man sie erst nach sechs Wochen zurückbekommt und schon gar nicht mehr weiß, worum es da genau ging.


**** solide

AUF NACH JAPAN! von Josh Wood für eine:n bis vier Spieler:innen, Schwerkraft / AEG.

Mittwoch, 23. Juli 2025

Seti

Seti: Cover

Falls es intelligentes Leben im All gibt, wird es der Menschheit hoffentlich schenken, was diese am dringendsten benötigt: Einleitungen und Frieden.

Wie geht SETI? SETI ist ein kartenbasiertes Spiel um Punkte, in dem wir Sonden ins Weltall schicken, mit Teleskopen Sterne scannen und gesammelte Daten analysieren, um Spuren außerirdischen Lebens zu finden. Am konkretesten umgesetzt ist das Fliegen. Wir bewegen unsere Sonden Zone für Zone durchs All mit dem Ziel, sie entweder in die Umlaufbahn eines Planeten zu bringen oder auf einem Planeten oder Mond zu landen. Das Solarsystem rotiert. Dadurch verändern sich die Entfernungen der Planeten zur Erde und untereinander.
Scannen bedeutet, in einem oder mehreren der acht Sektoren Scheiben einzusetzen. Sektoren haben vier bis sechs Plätze dafür. Sind die besetzt, gibt es eine Mehrheitswertung. Auch hier wirkt sich die Rotation des Spielplans aus. Welche Sektoren ich mit meinem Scan erreichen kann, wechselt.
Jede so platzierte Scheibe bringt mir außerdem einen Datenspielstein. Den nutze ich, um die Felder meines „Computers“ zu belegen. Sind alle sechs Felder voll, habe ich Spuren gefunden und werde dafür belohnt. Den Computer kann ich anschließend wieder neu befüllen. Was noch aus einem zweiten Grund attraktiv ist: Auf zwei der sechs Computerfelder erhalte ich eine Zusatzbelohnung, sobald ich sie belege.

Seti: Computer

Und ich kann den Computer ausbauen, um schließlich auf mehr oder gar auf allen Feldern eine Belohnung zu erhalten. Auf ähnliche Weise verbessere ich meine Scan-Technologie, um zu denselben Kosten statt zwei bis zu vier Sektoren zu scannen. Und ebenso die Sonden-Technologie, um das Fliegen und Landen billiger zu machen.
Alle Aktionen löse ich aus, indem ich die benötigten Geld- und Energie-Ressourcen bezahle. Oder indem ich eine Handkarte spiele, die mir die gewünschte Aktion erlaubt. Handkarten zu spielen, kostet ebenfalls Geld, aber per Handkarte ausgelöste Aktionen sind etwas stärker und umfangreicher als schnöde erkaufte Aktionen. Das ist sehr vergleichbar mit TERRAFORMING MARS, wo ich mir Standardprojekte einfach so kaufen kann, mit den passenden Karten jedoch einen besseren oder preiswerteren Effekt erreiche.

Was passiert? Alle Karten in SETI haben einen Mehrfachnutzen. Wenn mir ihre Hauptaktion nicht passt oder zu teuer ist, gibt es drei weitere Möglichkeiten, um die Karte gewinnbringend einzusetzen. Genau das macht SETI so komplex. Erstens ist jede der 138 Karten anders (weitere kommen hinzu, sobald wir Aliens entdecken). Zweitens muss man, so gut sie auch gemacht ist, die umfangreiche Symbolik verstehen. Und drittens und vor allem: Karten sind ein knappes Gut. Jede Entscheidung für eine der vier Einsatzmöglichkeiten ist die Entscheidung gegen die anderen drei. Welche Karte ich für was verwende, muss ich mir gut einteilen.

Seti: Solarsystem

SETI ist also niemals schnell gespielt. Selbst mit Übung ergibt sich noch Grübelpotenzial. Anfangs sind die meisten Spieler:innen sowieso völlig erschlagen von den diversen Möglichkeiten. Wir spielen fünf Runden, die jeweils so lange dauern, bis alle passen, und weil unsere Einkommen und Möglichkeiten während der Partie ansteigen, dauert es Runde für Runde etwas länger.
Gerade im Finale kann es sich ziehen. Während es mir zwischendurch noch halbwegs egal ist, ob ich Ressourcen übrig behalte (Ich kann sie mit in die nächste Runde nehmen und dann immer noch nutzen), ist es mir bei Spielende deutlich weniger egal. Spätestens jetzt habe ich den Ehrgeiz, meine Züge durchzuoptimieren. Blöd dabei ist, dass einige Spieler:innen zu diesem Zeitpunkt schon gepasst und ihre Partie beendet haben können. Sie dürfen mir nun einige Minuten bei meinen Restabwicklungen zusehen.
SETI ist also ein Optimierspiel, wir müssen mit Ressourcen haushalten. Wegen der starken Verzahnung aller Elemente ist die Reihenfolge, in der ich Dinge erledige, sehr wichtig. Außerdem stellen sich Timing-Fragen. Bin ich bei den Mehrheitswertungen im richtigen Moment zur Stelle, kann ich ohne großen Aufwand ein Schnäppchen machen. Auch günstige Planetenkonstellationen will ich ausnutzen, weil das den Flug drastisch verkürzt und damit vergünstigt.
Zugleich ist SETI auch ein Entwicklungsspiel. Ich will mir ein großes Einkommen aufbauen und meine Technologien ausbauen, um in späteren Runden immer stärker und effektiver zu werden. Und es ist ein Wettrennen: auf Planeten, Aliens und Ziele. Meine Ziele bestimmte ich zum Teil selbst. Sobald ich 25, 50 und 70 Punkte erreicht habe, wähle ich eins von vier Zielen. Hier schneller zu sein als die anderen, bedeutet, mehr Punkte beim Erfüllen zu gewinnen. Etliche der Karten, die ich spiele, definieren zusätzliche Zwischenziele, die dann nur für mich gelten.


Seti: Weltall

Was taugt es? SETI bietet ziemlich viel Potenzial, um sich zu verzetteln und mit Grübeleien und Entscheidungsschwierigkeiten den Betrieb aufzuhalten. So etwas liegt oft an den Spieler:innen selbst. Allerdings enthält SETI auch Elemente, die im Voraus geplante Züge wieder umwerfen. Hatte ich mir eine Flugroute für meine Sonde überlegt, und unmittelbar davor rotiert das Solarsystem und die Sache wird unbezahlbar oder zumindest unangenehm teuer, muss ich neu nachdenken und die anderen warten lassen.
Nicht ganz glücklich bin ich auch mit den Aliens. Eindeutig ist es erstrebenswert, sie zu entdecken und im weiteren Spielverlauf den Kontakt zu ihnen zu halten. Aber außer, dass es mehr Punkte bringt, nimmt ihre Entdeckung relativ wenig Einfluss aufs Spiel. Möglicherweise ist meine Erwartungshaltung da jedoch zu hoch, und Sahnehäubchen wie etwa zusätzliche Mechanismen, Erzählelemente, inhaltliche Wendungen etc. sind eher Stoff für künftige Erweiterungen.
Wegen dieser Kritikpunkte habe ich gegrübelt, ob ich SETI tatsächlich besser als „reizvoll“ finde. Aber: Ja! Obwohl die Partien lange dauern, finde ich sie durchweg spannend und werde nicht müde, SETI zu spielen. Das Spiel bleibt in meiner Sammlung, und ich bin jetzt schon heiß auf Erweiterungen, was eigentlich widersinnig ist, da ich die Möglichkeiten, die allein das Grundspiel bietet, mit Sicherheit noch nicht ausgelotet habe.

Seti: Karten

Bereits AGRICOLA hatte eindrucksvoll demonstriert, was Kartenvielfalt ausmacht, und in SETI ist es genauso. Vermutlich hatte ich so ziemlich jede Karte schon mal auf der Hand. Aber längst nicht in jeder Konstellation und zu jedem Zeitpunkt des Spiels, weshalb es ganz sicher noch viele Einsatz- und Kombinationsmöglichkeiten gibt, die ich in kommenden Partien entdecken möchte.
Der überwiegend konstruktive Spielcharakter trifft meinen Geschmack. SETI bietet mir Möglichkeiten über Möglichkeiten. Ich will unheimlich viel und kann doch nur einen Teil dessen umsetzen. Ich will mich langfristig entwickeln, will aber auch kurzfristige Gelegenheiten nicht verstreichen lassen. Ich bin zwischen den schönsten Vorhaben hin- und hergerissen – und spiele Karten aus, die noch weitere Ziele für mich definieren. Und bilde mir ein, das auch noch zu schaffen. Und schaffe es vielleicht sogar.
Trotz aller Komplexität benötigt SETI gar nicht so viele Regeln. Die Variabilität entsteht durch die Karten, nicht durch Ausnahmen oder Detailregeln. Das Spielsystem ist schlüssig und rund. Sobald man die Symbolik begreift, ergeben sich keine wesentlichen Fragen mehr.
Spielreiz entsteht auch dadurch, dass SETI einfach klasse aussieht. In ihrer Mischung aus Aufgeräumtheit und Funktionalität sowie Schönheit und Anziehungskraft erinnert die Aufmachung von SETI an ARNAK – was wohl kein Wunder ist, weil teilweise dieselben Menschen am Werk waren. Auf diesem Spielplan und mit diesem Material will man spielen! Gerade wenn man etliche gute Spiele dieser Gewichtsklasse zur Auswahl hat, gibt bei der Frage, was schließlich auf den Tisch kommt, durchaus auch die Optik den Ausschlag.


****** außerordentlich

SETI von Tomáš Holek für eine:n bis vier Spieler:innen, Czech Games Edition.