Mittwoch, 15. Oktober 2025

Komm zum Punkt

Komm zum Punkt: Cover

Bei diesem Titel traue ich mich keine Einleitung. Denn wer hasst sie nicht, diese unsäglichen Leute, die mit endlosem Begrüßungs-Blabla nur den Laden aufhalten, statt endlich mal zum Punkt zu kommen?

Wie geht KOMM ZUM PUNKT? Wir spielen kooperativ und erraten, während die Sanduhr läuft, Wörter wie „Schaukel“, „Nabelschnur“, „Speisekarte“, „Kreuz“ oder „Mallorca“. Immer abwechselnd eine Person rät, alle anderen kennen das Lösungswort und wollen die Rateperson hinführen.
Dazu formulieren wir gemeinsam (und inklusive der Rateperson) Sätze. Reihum sagen wir Wort für Wort. Oder „Punkt“ – worauf die nächste Person einen neuen Satz beginnt. Unser Ziel ist, dass die Rateperson a) das Lösungswort erahnt und b) auch noch genau dann an die Reihe kommt, wenn dieses Wort in den Satz passt. Im Bestfall entsteht eine schöne Vorlage wie: „Inzwischen“, „waren“, „alle“, „Deutschen“, „da“, „Punkt“, „Die“, „Mittelmeerinsel“, „heißt“ „natürlich“ …

Komm zum Punkt: Karten

Das erste Wort des ersten Satzes ist übrigens zufällig von einer Spielkarte vorgegeben. Sonst hätte man sicherlich nicht mit „Inzwischen“ angefangen. Aber genau das macht die Aufgabe lustig.

Was passiert? Manche Begriffe flutschen gut. Entscheidend sind clever gewählte Schlüsselwörter wie „Mittelmeerinsel“. Allgemein tauchen aber doch mehr Schwierigkeiten auf, als man denken würde: Die nächste Person setzt den Satz ganz anders fort, als man sich das vorgestellt hätte. Man sitzt baff da und fragt sich, was die oder der andere sich bloß gedacht hat. Das Spiel stockt, weil manche im Kopf durchspielen, was die nächsten zwei, drei Personen idealerweise sagen müssten. Was sie dann vielleicht leider nicht tun.
Es entstehen Nonsens und Kauderwelsch. Es entstehen grammatisch fragwürdige Bandwurmsätze, weil aus irgendwelchen Gründen niemand „Punkt“ sagt. Die Gruppe kreist um das Thema des gesuchten Begriffs, schafft es aber nicht, den Satz so zu timen, dass die Rateperson das Lösungswort einfügen könnte. Und manchmal sagt die Rateperson dann die Lösung, obwohl es grammatisch gerade kein bisschen passt.
Vermutlich wegen genau solcher Schwierigkeiten gibt es eine weitere Regel: Komme ich als Beschreibender an die Reihe und könnte an meiner Stelle des Satzes das Lösungswort sagen, darf ich klopfen. Das tue ich in der Hoffnung, dass die Rateperson längst ahnt, worum es geht. Kann sie den Begriff nun nennen, ist die Runde ebenfalls gewonnen.

Was taugt es? Die Probleme sind einerseits lustig. Bei KOMM ZUM PUNKT habe ich viel gelacht. Ich erinnere mich an eine Situation, als schon das zweite Wort des ersten Satzes so schräg war, dass ich keine Idee hatte, wie man daraus überhaupt noch einen gültigen Satz bilden könnte, geschweige denn einen, der zum Lösungswort führt. Das war denkwürdig.
Oft habe ich die Probleme aber als spielerisch unbefriedigend empfunden. Da half mir auch nicht der Gedanke, dass es ja ein Partyspiel ist, bei dem man kulant sein sollte. Und dass es mehr um den Spaß und weniger um die Grammatik geht. Gerade in kooperativen Spielen nehme ich es mit den Regeln genau, sonst fühlt es sich für mich wie Schummeln an. Und in KOMM ZUM PUNKT ist es meinen Gruppen auffallend oft nicht gelungen, die Regeln einzuhalten.
Ich hadere obendrein mit der Punktwertung. Es zählt einen Punkt, wenn der Begriff gefunden wird, indem die Rateperson ihn an der richtigen Stelle des Satzes platziert. Es zählt aber zwei Punkte, wenn der Begriff gefunden wird, nachdem jemand klopft. Um den Highscore zu erreichen, müsste man also grundsätzlich klopfen. Macht man das nie, erreicht man bestenfalls die mittelgute Wertung „Nicht schlecht“. Dabei dachte ich, es sei die eigentliche Aufgabe, dass die richtige Person das richtige Wort an der richtigen Stelle sagt.
Die Idee von KOMM ZUM PUNKT finde ich grandios. Und viele, denen ich das Spiel erklärt habe, waren schon vor Spielbeginn sehr begeistert und in froher Erwartung, was passieren würde. Für meine Begriffe konnte das Spiel die Erwartungen nie ganz einlösen, aber womöglich sehe ich das zu eng. In meinen öffentlichen Spielerunden gehörte KOMM ZUM PUNKT in der vergangenen Saison zu den Favoriten.


**** solide

KOMM ZUM PUNKT von Ralf zur Linde und Klaus-Jürgen Wrede für zwei bis viel mehr Spieler:innen, Denkriesen.

Samstag, 11. Oktober 2025

El Paso

El Paso: Cover

Weil es GREAT WESTERN TRAIL schon gibt: Werden die Leute da nicht fragen, warum noch eins? Zum Glück ist das nicht mein Problem, sondern höchstens das der beiden Autoren. Mich beschäftigt mehr dieses: Weil es Einleitungen schon gibt: Werden die Leute da nicht fragen, warum noch eine?

Wie geht EL PASO? Die Schachtel erklärt es auf ihrer Unterseite: „Das Spielgefühl von Alexander Pfisters Meisterwerk GREAT WESTERN TRAIL in nur der Hälfte der Spielzeit!“
EL PASO greift also viele Elemente von GREAT WESTERN TRAIL auf: Wir laufen auf einem Rundkurs. Im Ort El Paso müssen wir stoppen und unsere Rinder abliefern, also die Handkarten werten. Gut wäre es dann, a) viele verschiedene Karten mit b) hohen Zahlenwerten auf der Hand zu haben.
Unterwegs auf dem Rundkurs verfolgen wir zwei Ziele: Wir wollen unsere Handkarten optimieren. Und wir wollen starke Aktionen ausführen. Manchmal widerspricht sich das ein bisschen, und die gewählte Aktion schwächt vorübergehend mein Blatt.

El Paso: Spieltuch

Aktionen führen wir in Gebäuden aus, auf denen wir stoppen. Gebäude, die niemandem gehören und von allen genutzt werden können, liegen schon zu Beginn aus. Weitere Gebäude, die dann im Wesentlichen nur für mich da sind, kann ich hinzukaufen. Dafür benötige ich Baumeister-Karten. Auch die muss ich unterwegs kaufen. Genauso wie Cowboy-Karten, über die ich an weitere und bessere Rinder herankomme. Eine dritte Sorte Personenkarten (Ingenieure) verschafft mir – ganz verkürzt gesagt – Aufträge und Sonderaktionen.
Im Gegensatz zu GREAT WESTERN TRAIL handelt es sich bei den Personen tatsächlich um Karten (statt Plättchen). Nutze ich sie, werfe ich sie auf meinen Ablagestapel und muss für ihren nächsten Einsatz warten, bis sie beim Durchlauf meines Decks wieder auftauchen. Ziehe ich sie nach, lege ich sie vor mir ab, und ziehe Ersatzkarten. Nur Rinder halte ich auf meiner Hand.

Was passiert? EL PASO verdichtet GREAT WESTERN TRAIL auf wesentliche Bestandteile. Der Gebäudevorrat ist kleiner, niemand darf mehr als zwei Gebäude besitzen. Die Bahnlinie und die damit verbundenen Lieferbeschränkungen entfallen. Viele Details und Schnörkel sind weggekürzt. Wesentlich neu ist, dass das Deck neben Rindern nun auch Personen enthält. EL PASO speckt das Original also nicht bloß ab, es fügt auch etwas hinzu.

El Paso: Personenkarten

Trotz Eindampfung ist EL PASO kein Leichtgewicht. Versuche ich, das Spiel Menschen ohne GREAT WESTERN TRAIL-Erfahrung zu erklären, haben die mit den diversen Konzepten reichlich zu kämpfen.
Leichter als GREAT WESTERN TRAIL ist EL PASO insofern, dass ich weniger Dinge mitbedenken muss. Der Fokus liegt klarer auf: Figur ziehen, Aktion machen. Dadurch fühlt sich EL PASO auch ein bisschen repetitiver an. Wobei sich natürlich trotzdem immer die Fragen stellen: Welche Aktionen? Und wie viele pro Umlauf? Also: Wie schnell will ich um den Rundkurs hetzen, wie häufig meine Herden werten?
Genauso wie GREAT WESTERN TRAIL lässt sich EL PASO sehr strategisch spielen. Ich kann einen klaren Fokus setzen und meine gesamte Partie entsprechen ausrichten. Jede:r kann sogar weitgehend ungestört agieren, EL PASO ist solitärer. Die Positionierung meiner Gebäude greift kaum ins Spiel der anderen ein, es gibt keine Konkurrenz im Arbeitsmarkt oder auf einer Eisenbahnstrecke.


El Paso: Material

Was taugt es? Ich habe EL PASO gern gespielt, weil es trotz Reduktion erstaunlich viel vom Reiz des Originals bewahrt. Allerdings ist es schwierig bis unmöglich, gegen ein geliebtes Original zu bestehen. Denn das Original liebe ich ja dafür, dass es so ist, wie es ist. Gerne investiere ich also eine Stunde mehr und spiele gleich GREAT WESTERN TRAIL oder GREAT WESTERN TRAIL NEUSEELAND. Ich möchte das volle epische Erlebnis und nicht das Konzentrat.
Aber muss EL PASO denn überhaupt gegen GREAT WESTERN TRAIL bestehen? Vielleicht bedienen ja beide Spiele sehr unterschiedliche Zielgruppen und könnten prima nebeneinander existieren.
Ich bin da skeptisch. Denn neben dem Epischen fehlt EL PASO vor allem das Sinnliche. Das Spiel ist aufgemacht wie eine Reiseausgabe, die fürs Spielen auf einer Rasenfläche oder am Strand optimiert wurde. Auf einem Tisch empfinde ich das Wellen schlagende Spieltuch (statt Spielplan) als sehr störend. Die winzigen Pappmarker verrutschen, während die riesigen Holzfiguren im Weg herumstehen und die Sicht versperren. Es mag Geschmackssache sein, aber ich habe bei so einer Aufmachung gleich deutlich weniger Lust auf das Spiel.


**** solide

EL PASO von Alexander Pfister und Johannes Krenner für eine:n bis vier Spieler:innen, Lookout Spiele.

Mittwoch, 8. Oktober 2025

Vor 20 Jahren (154): Caylus

Caylus: Cover

Alle paar Jahre gibt es auf der Messe Spiel in Essen DAS eine Spiel der Messe: den unangefochtenen großen Hype, den alle spielen und kaufen wollen. 2005 war dies: CAYLUS. Es war das erste veröffentliche Spiel des Franzosen William Attia, und so sehr viele weitere sind seitdem auch gar nicht hinzugekommen.

CAYLUS assoziiert man heute mit Worker Placement. Das Spiel kann vielleicht nicht für sich beanspruchen, das Worker Placement aufgebracht zu haben (was das angeht, wird häufig KEYDOM (1998) von Richard Breese genannt; 2000 in abgewandelter Form als MORGENLAND erschienen). Aber durch CAYLUS verbreitete sich der Mechanismus und bekam in der Folge auch seinen Namen.

Dramatische Pause.

Denn: Den Gedanken, dass wir bis vor 20 Jahren quasi kein Worker Placement hatten, muss man erst mal an sich heranlassen. Es klingt zu verrückt. Aber vor 20 Jahren hatten wir tatsächlich auch noch keinen Deckbau. Vielleicht habe ich das zwei- oder dreimal schon erwähnt: Wir hatten damals nichts!

Warum wir trotz allem überhaupt Spiele-Fans waren? Nun ja, zum Glück gab und gibt es auch andere schöne Mechanismen. Und zum Glück ist man leibhaftig dabei, wenn neue Mechanismen aufkommen und in späteren Spielen weiterentwickelt werden.

So geschah es natürlich auch mit Worker Placement. 2007 kam AGRICOLA und verdrängte (für meine Begriffe) CAYLUS vom Thron, indem es vieles noch ein bisschen besser machte. Nachdem es AGRICOLA gab, spielte ich erst mal nur noch AGRICOLA. Aber ohne CAYLUS wäre AGRICOLA nicht möglich gewesen.

In AGRICOLA starten wir mit nur zwei Figuren, während wir in CAYLUS von Beginn an schon alle sechs haben. Die Variation besteht also darin, dass wir weitere Figuren erst erwerben müssen. Auf andere Weise wurde Worker Placement in anderen Spielen verändert: indem die Figuren unterschiedliche Werte oder Funktionen besitzen oder im Laufe der Partie annehmen, indem sie einander von Feldern verdrängen, indem sie nicht einzeln, sondern in Gruppen eingesetzt werden und so weiter.

2005 hätte ich diese Entwicklung nicht geahnt, zumal ich mir solche Fragen auch gar nicht stellte. Als Spieler erfreue ich mich an dem, was da ist. Was zukünftig noch daraus werden könnte, beschäftigt mich nicht. Gewiss denken Autor:innen da anders. Zum Glück.

Was mich an CAYLUS am meisten gereizt hat, war – wenn ich mich richtig erinnere – ohnehin gar nicht das Worker Placement als solches, sondern damit verbunden der variabel wachsende Spielplan. Das Spiel startet mit vorgegebenen Aktionsorten (Gebäuden). Indem wir weitere Gebäude bauen, erschaffen wir weitere Einsatzorte für sowohl eigene als auch fremde Figuren.

Im Rahmen der Gegebenheiten gestalten wir selbst, wie sich unser Spielbrett entwickelt, welche Produktionslinien ins Spiel kommen und wann. Ich mag das: nicht nur wie im Legespiel etwas zu legen, sondern darauf auch noch weiterzuspielen. Und ich mag das Wechselspiel aus Gemein- und Eigennutz. Ich will Gebäude in die Stadt setzen, die mir weiterhelfen. Aber ich muss einkalkulieren, dass auch andere davon profitieren werden.

CAYLUS erhielt weltweit sehr viele Preise und Nominierungen. In Deutschland gewann es mit großem Vorsprung den Deutschen Spielepreis 2006, die Jury Spiel des Jahres verlieh ihm den Sonderpreis Komplexes Spiel. Heute belegt CAYLUS im Ranking von boardgamegeek immerhin noch Platz 131. Das ist sehr respektabel. Sofern ich mich nicht verzählt habe, liegen nur sechs ältere Spiele vor CAYLUS, nämlich CROKINOLE, PUERTO RICO, FUNKENSCHLAG, EL GRANDE, RA und EUPHRAT & TIGRIS.


Freitag, 3. Oktober 2025

Navoria

Navoria: Cover

Wie geht NAVORIA? Auf dem Kontinent Navoria leben Menschen, Tiere, Goblins und Geister friedlich vereint. Dass es auf ihrem Kontinent keine Einleitungen gibt, haben sie noch gar nicht bemerkt.
Laut Spielgeschichte sind mysteriöse andere Kontinente aufgetaucht, laut Spielgeschichte erforschen wir sie. Konkret bedeutet das: Auf dem Spielplan gibt es drei Laufskalen. Darauf liefern wir uns Wettrennen um Punkte. In jeder Runde muss ich aber wieder ganz von vorne starten. Außer ich konnte Häuser errichten. Dann starte ich von demjenigen meiner Häuser, das dem Ziel am nächsten ist.
Jede der drei Runden ist in zwei Phasen aufgeteilt. In der ersten erhalten wir Karten. Die gibt es in fünf Farben. Bin ich am Zug, ziehe ich zwei Farbsteine aus dem Beutel. Sind sie grün und blau, bedeutet das, ich darf entweder eine grüne oder eine blaue Karte aus der Auslage wählen. Wähle ich die blaue, kommt der grüne Stein in die „Stadt“. Die nächste Person könnte ihn nun verwenden, um eine grüne Karte zu nehmen. Oder sie lässt das Schicksal entscheiden und zieht auch zwei Steine aus dem Beutel.

Navoria: Karten

Karten bringen dies und jenes. A) Punkte. B) Sammelsymbole. Sobald ich fünf gleiche habe, schalte ich eine Schlusswertung für mich frei, die belohnt, viele Karten bestimmter Farben gesammelt zu haben. C) Schritte auf einer der Laufskalen. D) ein Haus auf einer der Laufskalen. E) Rohstoffe. F) Wertungen. Entweder eine andere kleine Schlusswertung. Oder eine Zwischenwertung, die dreimal im Spiel ausgeführt wird und gleiche Sammelsymbole oder Schritte auf den Skalen belohnt.

Navoria: Lager

Auch mit Rohstoffen löse ich Zwischenwertungen aus. Ich sammle sie nach bestimmten Vorgaben in drei Lagern auf meinem Tableau, und sobald in einem der Lager die Bedingungen für eine Wertung erfüllt sind (zum Beispiel sind drei gleiche Rohstoffe beisammen), muss ich werten und gebe die Rohstoffe ab. Wieviel ich bei dieser Wertung erhalte, hängt davon ab, wie viele Häuser ich bereits gebaut habe. Und auch nicht irgendwelche Häuser. Sondern für diejenige Wertung, die mit drei gleichen Rohstoffen ausgelöst wird, müssen es Häuser auf der Berg-Laufskala sein.
In der zweiten Phase nutzen wir die eingesetzten Farbsteine für Worker Placement. Bin ich dran, nehme ich einen der noch vorhandenen Farbsteine und platziere ihn auf einem gleichfarbigen Feld in der Stadt. Auch hier gibt es dann Punkte, Rohstoffe, Schritte und so weiter.


Navoria: Spielplan

Was passiert? NAVORIA ist ein stark verwobenes Spiel. Alles hängt mit allem zusammen. Die Kausalitäten sind teilweise recht abstrakt und um die Ecke gedacht.
Es zahlt sich aus, Schwerpunkte zu setzen, also beispielsweise Karten mit identischen Sammelsymbolen zu erwerben oder Häuser auf demselben Pfad zu bauen. Allerdings ist ein erhebliches Zufallsmoment im Spiel, ob ich diesem Plan folgen kann oder nicht. Vielleicht kommen nicht genügend Karten mit meinem Sammelsymbol, vielleicht ist es gar nicht möglich, die gewünschten Häuser zu bauen. Und selbst wenn die erhofften Karten im Spiel sind: Ich muss auch noch die entsprechenden Farbklötze ziehen, um sie nehmen zu können.
Durch diesen Zufallsfaktor besitzt NAVORIA einerseits eine angenehme Leichtigkeit: Ich muss mich nicht zwischen unzählig vielen Dingen entscheiden. Zudem wird fast alles sofort auf dem Brett umgesetzt: Ich sehe die Folgen meiner Entscheidungen.
Andererseits ist das Beziehungsgeflecht der Elemente ein Dschungel, in dem sich Einsteiger:innen schwer zurechtfinden. Trotz vermeintlich begrenztem Entscheidungsraum ziehen sich Partien mit Menschen, die NAVORIA zum ersten oder zweiten Mal spielen, deutlich. Auch die Grafik behindert. Die Symbole für Hausbau und Laufen werden oft verwechselt oder nicht erkannt. Und vor allem die Uneinheitlichkeit der Sammelsymbole sorgt für Verwirrung. Aus mir nicht erklärlichen Gründen sind sie manchmal als Negativ abbildet (die sonst hellen Flächen sind jetzt die dunklen – und umgekehrt).

Was taugt es? NAVORIA hat mir im Ersteindruck gut gefallen, und auch einige meiner Mitspieler:innen gaben positive Rückmeldungen. Wobei ich bei etwas komplexeren Spielen immer den Verdacht habe: Manche Leute sind am Ende froh und stolz, es so halbwegs verstanden zu haben; und aus diesem guten Gefühl, das eigentlich nichts mit dem Spiel selbst zu tun hat, speist sich (teilweise) der wahrgenommene Spielreiz.

Navoria: Auslage

Wie auch immer. Die für meine Bewertung relevanteste Frage ist ohnehin: Möchte ich es noch einmal spielen? Und die Antwort ist: nicht unbedingt. Es hat sich dann doch gezeigt, dass sich die Partien ähneln und bei Wiederholung nicht an Spannung gewinnen. Was es zu entdecken gab, glaube ich, entdeckt zu haben.
NAVORIA ist sauber komponiert. Der kleine Zock-Mechanismus, einen vielleicht nicht perfekten, aber immerhin akzeptablen Farbstein zu wählen, oder auf den perfekten zu hoffen und in den Beutel zu greifen, ist pfiffig. Aber er ist im Spiel nur ein kleiner Faktor. Die Abwicklung der vielen Wertungen benötigt weitaus mehr Raum – aus dem guten Grund, dass NAVORIA sicher mehr sein soll als nur ein Zockspiel.
Ich sehe es eher als taktisches Sammelspiel. Mit dem Manko allerdings, rein mechanisch konstruiert zu sein und das Entdeckungsthema überhaupt nicht einzulösen. Vermutlich um irgendwie doch eine Welt zu erschaffen, wo eigentlich keine ist, floss viel Augenmerk in die Ausstattung. So sind die hübschen Holzfiguren (für jede Farbe gibt es andere) das am wenigsten Mittelmäßige an NAVORIA.
Nichts an NAVORIA ist misslungen. Doch das Spiel bietet eben auch keinen speziellen Kniff, keine starke Emotion, keine Wiedererkennbarkeit und geht in der Masse unter.


*** mäßig

NAVORIA von Meng Chunlin für zwei bis vier Spieler:innen, Strohmann Games.

Dienstag, 30. September 2025

Gern gespielt im September 2025

SALTFJORD: Lord of the Fjord.

THE DRUIDS OF EDORA: Wald und Feld

KAVANGO: Riesige Parkplätze sehen tatsächlich gleich viel besser aus, wenn man Tiere darauf parkt.

DIE GLORREICHEN GILDEN VON BUTTONVILLE: Kartensammeln mit Knöpfchen.

CODENAMES DUETT: Geheim im Urlaub gewesen.







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM SEPTEMBER:

DER HERR DER RINGE – DAS SCHICKSAL DER GEMEINSCHAFT: Das Böse ist besiegbar. Eine bessere Botschaft kann von Spielen gar nicht ausgehen.



Donnerstag, 25. September 2025

Spielejahrgang 2024/25:
Was vom Jahrgang übrig bleibt
Teil 3: Die auch Reizvollen

Das für mich als Content Creator ganz Tolle an sinnbefreiten Unterbrechungen ist, dass man erst mal wieder lang und breit erklären muss, wo man sich inhaltlich eigentlich befindet. Ohne Unterbrechung wüssten das alle noch.

Jetzt aber müssen auch jene Leser:innen mitgenommen werden, die gerade frisch reinklicken und die ersten zwei Teile nicht kennen. Oder doch nicht? Wäre der Artikel nicht vielleicht selbsterklärend? Ach, ist ja wurscht. Man schreibt einfach und schreibt und produziert Content, der letztlich gar kein Content ist, sondern belangloser Müll. Und braucht zehn Absätze, um endlich zur Sache zu kommen.

Ich mag diese Masche überhaupt nicht … wenn andere es so machen. Und ich schaff’s natürlich mit ein paar Absätzen weniger. Das hier ist Qualitätsjournalismus.

Und: Oh, jetzt habe ich tatsächlich gar nicht erklärt, wo wir inhaltlich stehengeblieben sind. Pech. Man darf hier halt nicht unvorbereitet reinklicken.


KRAKEL ORAKEL / SKIZZ IT: Diese zwei Malspiele bleiben für mich vom Jahrgang übrig, und ich kann mich nicht entscheiden, welches ich besser finde. Beide haben unterschiedliche Stärken, deshalb behalte ich auch beide und schaue, welches häufiger noch zum Einsatz kommt. Im Moment könnte man allerdings weder das eine noch das andere spielen. Sämtliche Stifte beider Spiele sind komplett hinüber. Meine Referenz unter den Malspielen war bislang PICTOMANIA. Das könnte sich ändern, denn der Einstieg inklusive Aufbau ist nicht ohne. KRAKEL ORAKEL und SKIZZ IT dürften es leichter mal auf den Tisch schaffen. (Rezension SKIZZ IT: Spielbox 4-2025.)


FLIP 7 / ABGESTAUBT: Auch diese beiden Spiele sind sich nicht nur ähnlich, sondern für mich auch etwa auf Augenhöhe. Manche mögen die Casino-Atmosphäre mit Kartenverteiler:in in FLIP 7 mehr, andere das Klauen in ABGESTAUBT. Beide Spiele haben sehr gute Chancen, noch häufiger gespielt zu werden.


DUNGEON DESIGNER: Zwei Titel sind für mein Empfinden unter dem Radar geflogen. Auch wenn ich zugeben muss, die Radare anderer Menschen gar nicht so genau überwacht zu haben. Ich bin Text-Mensch. Was YouTuber:innen und Podcaster:innen so meinen, entgeht mir oft. DUNGEON DESIGNER (rezensiert in Spielbox 6-2024) überzeugt mich als sehr gut verzahntes Bau-, Sammel- und Draftspiel …


SKULL QUEEN: … und SKULL QUEEN bereichert das vermeintlich komplett ausgereizte Genre der Stichansagespiele tatsächlich um einen neuen Dreh. Der Typ auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN hat sogar geschrieben: „Ich halte es für eines der stärksten Kartenspiele der Saison.“ Und das obwohl der Kartenspieljahrgang wirklich sehr stark war. Uiuiui.


ENDEAVOR – DIE TIEFSEE: Das Kennerspiel des Jahres fehlt an dieser Stelle natürlich auch nicht. Zumal es ein sehr gutes und sehr atmosphärisches Kennerspiel ist. Ich bin gespannt, welchen Weg das Spiel machen wird. In meinen öffentlichen Spielerunden hat es sich als recht herausfordernd erwiesen. Den Weg in mein Regal macht es zweifellos.


DUNE IMPERIUM – UPRISING: UPRISING empfinde ich als Verbesserung gegenüber DUNE IMPERIUM, das ja auch schon sehr gut war. Allerdings: diese Spione … Selten musste ich zu einem Spielelement so viele und immer dieselben Regelfragen beantworten. Als richtig rund empfinde ich also auch UPRISING noch nicht. Bis ein neues DUNE IMPERIUM erscheint, das auch diese Schwäche behebt, darf das Spiel aber gerne bleiben.


Sonntag, 21. September 2025

Spielejahrgang 2024/25:
Was vom Jahrgang übrig bleibt
Teil 2: Die Reizvollen

Was ich in Teil 1 noch gar nicht so deutlich erklärt hatte: In „Was vom Jahrgang übrig bleibt“ zähle ich diejenigen Spiele auf, die für mich vom Jahrgang übrig bleiben. (Wer hätte das gedacht?) Alle anderen Spiele bleiben leider nicht übrig, jedenfalls nicht bei mir zu Hause; ich habe keinen Platz dafür. Ich schenke sie Schulen oder anderen Institutionen.

Wegen meiner monatlichen Rubrik „Vor 20 Jahren“ wäre es clever, pro Jahr wenigstens zwölf Spiele zu behalten. Allerdings ist die Sache längst schiefgegangen; in vielen Jahren von 2005 bis heute war ich nicht clever genug. Zudem fehlt mir der Glaube, dass ich in 20 Jahren noch darüber schreiben werde, was 20 Jahre vorher war. Das wäre ja heute. Und das kann man ja jetzt schon lesen.

Dass in Summe mehr als ein Dutzende Spiele zusammengekommen sind, liegt letztendlich nur daran, dass ich mich schlecht entscheiden kann. Ich will nicht ausschließen, dass ich im Laufe der Jahre noch weitere dieser Spiele aussortiere, weil ich merke, ich spiele sie doch nicht mehr.

Und übrigens hatte ich in diesem Jahrgang sogar noch mehr Spiele als „reizvoll“ bewertet, auch wenn sie hier (und im nächsten Teil) nicht auftauchen. Sie tauchen deshalb nicht auf, weil ich für diese Spiele nicht die richtigen Runden habe, weil sie speziell sind, weil ich andere Spiele habe, die so ähnlich sind usw. Und nebenbei finde ich: Reizvolle Spiele auszusortieren, ist verrückt. Es zeigt, in was für einer Luxuswelt wir leben, wenn reizvoll schon nicht mehr gut genug ist.


MEDICAL MYSTERIES – NEW YORK: MEDICAL MYSTERIES ist in diesem Jahrgang meine Nummer vier gewesen. „Leider“ ist das Spiel so gut erzählt, dass ich mich an viele der Inhalte noch genau erinnere und erst mal eine lange Pause machen müsste, bevor ich die Fälle sinnvollerweise noch mal spielen kann. Am einfachsten wär’s, es gäbe nach MIAMI noch einen dritten und dann viele weitere Teile. Tolle Idee von mir.


CASTLE COMBO / FARAWAY: zwei kleine Spiele, die einander ähnlich und die für mich auf Augenhöhe sind. Manche Runden mögen das eine mehr, manche Runden mögen das andere mehr. Ich mag beide und stelle lediglich fest, dass ich bei FARAWAY eine klare Verlernkurve habe. Je häufiger ist es spiele, desto dümmer stelle ich mich an.

Und jetzt kommen noch acht Spiele, und sinnvollerweise könnte ich die jetzt einfach auch nennen. Aber ich nenne sie erst später, ätsch, weil man das heute so macht. Wir sehen uns nach der Werbepause.

(Werbung) Lest REZENSIONEN FÜR MILLIONEN! Es ist solide. (Ende Werbung)


Mittwoch, 17. September 2025

Spielejahrgang 2024/25:
Was vom Jahrgang übrig bleibt
Teil 1: Die Außerordentlichen

Die Spiele des Jahres sind gewählt, die SPIEL DOCH 2-2025 ist geschrieben: Im Grunde weiß ich jetzt gar nicht mehr, was ich noch machen soll. In dieser ambivalenten Situation scheint es mir am klügsten, erst mal gar nichts zu machen und in aller Ruhe die Lage zu bewerten. Neue Rezensionen schreiben? Nö, sorry, alles zu diffus hier.
Und so überbrücke ich die Saure-Gurken-Zeit, wie ich die Saure-Gurken-Zeit jedes Jahr überbrücke: mit einem Aufkochen dessen, was ich im Laufe des Spielejahres schon geschrieben hatte: Welche Spiele waren denn nun die allerbesten? Vielleicht wissen das ja auch gar nicht alle, weil sie im Dornröschenschlaf waren oder versehentlich anderen Informationsquellen den Vorzug gaben.


BOMB BUSTERS: BOMB BUSTERS hat mich das gesamte Spielejahr lang begleitet. Einerseits weil es sehr früh da war (schon vor Essen 2024), andererseits weil ich es gespielt, gespielt, gespielt habe. Mit einer Runde sogar komplett durch, alle 66 Missionen, erst neulich sind wir fertig geworden. In vielen anderen Konstellationen immer wieder von vorn. Mit riesigem Abstand ist BOMB BUSTERS mein meistgespieltes Spiel 2024/25.


CIVOLUTION: Während ich BOMB BUSTERS gleich schon ab meiner ersten Partie ins Herz geschlossen hatte, dauerte der Prozess bei CIVOLUTION länger. Die erste Partie (auswärts) hatte mich nicht sehr beeindruckt, und auf die zweite Partie (zu Hause) musste CIVOLUTION lange warten. Das Spiel passte einfach nicht auf meinen Spieletisch. Dass derselbe Tisch, an dem wir vor 19 Jahren noch zu sechst parallel zwei Dreier-Partien THURN & TAXIS und MAUERBAUER spielen konnten, der neuen Generation von Spielen nicht mehr gewachsen war, hatte sich über die Jahre immer mehr angebahnt. Jetzt war es wirklich vorbei. CIVOLUTION war das Spiel der Stunde (oder eher: Stunden), als der Jahrgang schon ganz gut durchgespielt war und meine Runden und ich uns mehr dem Genussspielen hingeben konnten. Toll!


SETI: SETI ist von diesen drei Spielen mit 12 Partien das am wenigsten gespielte und meiner Meinung nach auch nur drittbeste. Aber das drittbeste von mehreren hundert Spielen dieses Jahrgangs ist dann letztendlich doch auch wieder nicht so schlecht. Ich hätte große Lust gehabt, noch ein paar Partien mehr zu spielen, aber an den Tagen, wann es in Frage kam, und mit den Spieler:innen, die prädestiniert gewesen wären, habe ich dann dummerweise ziemlich oft CIVOLUTION gespielt. Ich gebe zu: Ein schreckliches Luxusproblem. Trotzdem bin ich sehr gespannt auf kommende SETI-Erweiterungen. Sicher werden sie dazu beitragen, SETI noch ein paar mal auf den Tisch zu hieven.


Dienstag, 9. September 2025

Vor 20 Jahren (153): Die Insel

Hier war schon lange keiner mehr: Die Insel

Mit etwas mehr journalistischer Sorgfalt hätte ich DIE INSEL gewiss wenigstens einmal spielen können, bevor ich jetzt darüber losfantasiere. Aber letztendlich gefällt es mir besser, zu erzählen, wie DIE INSEL in meiner möglicherweise verklärten Erinnerung ist, als zu recherchieren, was davon stimmt. Nebenbei: Ich habe kürzlich ein Spielesachbuch gelesen, dessen Autor beim Schreiben offenbar derselben Devise gefolgt ist, und so etwas inspiriert natürlich.

DIE INSEL ist ein Spiel von Reiner Knizia, es ist das Nachfolgespiel von KING ARTHUR (2003). Nachfolge insofern, dass es ebenfalls ein Spiel mit Elektronik und Leiterbahnen auf dem Spielplan ist. „Touch and play“ nannte Ravensburger diese Technologie. Die Spiele fanden damals große Beachtung. Sie waren ein innovativer Versuch, Brettspiele an die digitale Welt heranzuführen. Vielleicht machte das manchen Analogpurist:innen Angst. Die Szene-internen Kritiken zu KING ARTHUR und auch zu DIE INSEL waren jedenfalls nicht so umwerfend (auch wegen technischer Probleme der beiden Spiele). Im Rückblick glaube ich, KING ARTHUR und DIE INSEL seien zu schlecht weggekommen.

DIE INSEL beispielsweise kassierte in der Spielbox 5-2005 7 Punkte, 6 Punkte, 4 Punkte, 5 Punkte und 7 Punkte. Die Rezension in der Fairplay 73 (2005) stammte von mir, und ich habe DIE INSEL auch nicht ausschließlich bejubelt. Zwar stellte ich immerhin fest: „Selbst nach etlichen Partien verbleibt noch genügend Reiz, um mitzuspielen.“ Und das war ja fast so etwas wie ein mitteldickes Lob. Allerdings schränkte ich es auch gleich wieder ein: „Anschaffen würde ich mir DIE INSEL nicht.“

Konsequenterweise hätte ich das Spiel dann auch gar nicht behalten dürfen, zumal ich nur noch insgesamt zehn Spiele aus dem Jahr 2005 besitze. Aber – hoppla – DIE INSEL steht noch immer hier! Irgendwas muss also doch dran gewesen sein.

Dass ich DIE INSEL noch habe, hat sicherlich damit zu tun, dass es ein Spiel ist, das es so nicht mehr geben wird. DIE INSEL sticht hervor und hat dadurch einen gewissen Sammelwert. Oder sagen wir: Aufbewahrungsreiz. Denn offiziell bin ich ja gar kein Sammler. Ich besitze Spiele nur für den täglichen Bedarf. Mein täglicher Bedarf ist eben recht hoch.

Über den Originalitätsbonus hinaus: Ich erinnere mich an zwei Mechanismen, die ich in DIE INSEL schon immer gut fand; Mechanismen, die ohne die Elektronik so nicht möglich wären. Was auch zeigt: Die Elektronik ist nicht nur Firlefanz, sie bringt einen spielerischen Mehrwert.

In DIE INSEL laufen wir auf der Insel herum und kassieren auf manchen Feldern Rohstoffe. Das Spiel speichert, welche Felder wie oft besucht werden. Auf länger nicht betretenen Feldern gibt es mehr zu holen. Einer der Charaktere (ich glaube, der „Einsiedler“) jammert zu solchen Anlässen: „Hier war schon lange niemand mehr!“ (Und fast kommt es mir so vor, das Spiel auf meinem Foto oben sagte dasselbe.)

Natürlich will man Reichtum und sollte sich deshalb merken, wo länger nichts los war. Weil aber noch so viel anderes im Spiel passiert, das ein systematisches Ablaufen der Insel verhindert, ist die Routenplanung eine schöne Herausforderung. Und die Handhabung bleibt trotzdem supereinfach, weil wir beim Spielen nichts markieren oder nachfüllen müssen.

Zudem ist DIE INSEL ein tadellos funktionierendes semikooperatives Spiel. So üppig bestückt ist dieses Genre ohnehin nicht, und bei manchen der Spiele habe ich erlebt, dass Spieler:innen, weil sie selber nicht mehr gewinnen konnten, darauf umgeschwenkt sind, lieber alle gemeinsam verlieren zu lassen. Das kann sehr unbefriedigend sein.

DIE INSEL löst das Problem, indem erstens der Spielstand sowieso nicht jederzeit transparent ist. Zweitens gibt es, selbst wenn das kooperative Spielziel verfehlt wird, eine Sieger:in. Und es leitet sich logisch her, warum diese Person gewinnt: Weil sie (durch das Bekämpfen von Monstern) am meisten dazu beigetragen hat, den Sieg des Spiels und die Niederlage aller zu verhindern.

Die große Pointe ist: Je mehr ich durch heroische Kampfeinsätze auf meinen Einzelsieg hinspiele, desto mehr trage ich dazu bei, dass wir als Gruppe gewinnen. Und wenn wir als Gruppe gewinnen, gilt eine andere Wertung, und meine Kämpfe sind gar nicht mehr so bedeutend. So hält das Spiel eine raffinierte und spannende Balance zwischen Eigen- und Gruppeninteresse. Es verlangt ein Gespür dafür, welches dieser beiden Interessen ich aktuell mehr verfolgen sollte. Und auch während dieses recht komplexen Vorgangs wird uns die Spielverwaltung komplett abgenommen. Wir müssen nur spielen.


Freitag, 5. September 2025

Spielejahrgang 2024/25:
Was meine Spielerunden gerne spielen (2)

Nachdem vor vier Tagen einer der beiden Tage im Jahr war, an dem ich aus den Spielebewertungen meiner Mitspieler:innen einen Blogartikel zusammenschustere, ist heute der zweite Tag. Diesmal geht es um „anthrazitfarbene“ Spiele – also Spiele für Kenner:innen und Expert:innen.

Als Vielspieler:in in der schönen bunten Vielspieler:innenblase mag man denken, dass solche Spiele selbstverständlich häufiger gespielt werden. In meinen privaten Runden mag das auch so zutreffen (ausgezählt habe ich es nicht), in meinen öffentlichen Runden jedoch ist klar das Gegenteil der Fall. Viele Besucher:innen kommen in der Absicht, leichtere Spiele mit wenigen Regeln zu spielen. Spiele, die kompliziert aussehen, nehmen sie gar nicht erst in die Hand. Außerdem spielen viele gern in Gruppen mit mehr als vier Personen. Anthrazitfarbenes scheidet teilweise schon allein deshalb aus, weil es nur zu viert spielbar ist.

Hin und wieder erkläre ich an öffentlichen Abenden auch mal ein Spiel, selbst wenn ich nicht mitspiele. Aber bei 30 und üblicherweise mehr Besucher:innen wäre das nicht flächendeckend machbar, und ich würde es auch gar nicht wollen. Im Normalfall müssen sich die Leute die Spiele anhand der Anleitung selbst beibringen. Und, ja, es kommt auch tatsächlich vor, dass sich welche ein SETI schnappen und dann zu viert die Regeln erarbeiten. Vielleicht hat auch jemand vorbereitend ein SETI-Erklärvideo geguckt. Oder jemand hat voriges Mal ebenfalls schon SETI gespielt und kriegt die Regeln noch halbwegs wieder zusammen. Doch der Normalfall ist das eben nicht.

Deshalb kommen für die anthrazitfarbenen Spiele weniger Bewertungen zusammen und die Liste ist kürzer als bei den roten Spielen. Um in die Auswertung aufgenommen zu werden, muss ein Spiel von mindestens 25 verschiedenen Personen benotet worden sein und eine durchschnittliche Bewertung von mindestens 7,0 Punkten erreicht haben.


1. DUNE IMPERIUM UPRISING
Mitspieler:innen: 7,4 / 10
Udo: ***** reizvoll


2. NEULAND
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: **** solide


3. ENDEAVOR – DIE TIEFSEE
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: ***** reizvoll


4. THE GANG
Mitspieler:innen: 7,1 / 10
Udo: ***** reizvoll


5. KAURI
Mitspieler:innen: 7,0 / 10
Udo: **** solide


6. DUNGEON DESIGNER
Mitspieler:innen: 7,0 / 10
Udo: ***** reizvoll






Am besten bewertet, aber längst nicht von 25 Personen, waren übrigens CIVOLUTION (8,6 / 10) und SETI (7,5 / 10). Das am häufigsten benotete Spiel war THE GANG.


Montag, 1. September 2025

Spielejahrgang 2024/25:
Was meine Spielerunden gerne spielen (1)

Wen interessiert, was meine Mitspieler:innen gerne spielen? Na, mich auf jeden Fall! Schon deshalb, weil ich nicht die falschen Spiele zum Spieleabend mitbringen möchte. Klar, wer mit mir spielt, kann sich das Menü nicht immer aussuchen. Ich habe nun mal nicht ausschließlich tolle neue Spiele, sondern auch weniger tolle neue Spiele und vor allem sehr viele mittelmäßige. Und die will ich auch spielen, b) um darüber schreiben zu können, und a) um zuvor herauszufinden, welches denn überhaupt die tollen, die doofen und die mittelmäßigen sind.

Solange das nicht klar ist, kann ich meinen Mitspieler:innen immer noch sagen: „Ups, sorry, habe ich nicht gewusst!“ Aber irgendwann leiert die Unschuldsnummer aus. Und weil alle außer mir das in ihrer Freizeit machen und es allen außer mir um den Spaß geht, ist es langfristig schlauer, immer auch ein paar beliebte Spiele im Gepäck zu haben.

Damit ich also weiß, was meine Mitspieler:innen gerne spielen, bitte ich sie, alle gespielten Spiele auf einer Skala von 1 bis 10 zu bewerten. Zu meinen öffentlichen Spielerunden kommen 15, 30 oder auch mal 50 Besucher:innen. Und während ich – sagen wir mal – mit dreien von denen spiele, gehen mir 12, 27 oder 47 Spieleindrücke durch die Lappen. Ich kann nicht mit all den Leuten über all ihre Partien reden, kann nicht bei allen zuschauen. Aber zumindest ein bisschen Feedback möchte ich mitnehmen. Noten sind ein einfacher Weg, um eine minimale Rückmeldung zu geben und zu bekommen.

Die Ergebnisse fasse ich in einer Tabelle zusammen – in die ich zwischendurch auch häufiger reinschaue, um meine eigenen Spieleindrücke mit den Mehrheitsmeinungen zu vergleichen. Wenn viele ein Spiel mögen, und ich mag es bisher nicht, nehme ich das zum Anlass, um es noch häufiger und auch mit anderen Personen zu spielen. Im Bestfall mit welchen, die es so sehr mögen. Und umgekehrt gilt auch: Wenn ich ein Spiel für gut halte, es aber in Runden ohne mich schlechte Noten kassiert, ist es sinnvoll, mal bei einer Partie über die Schultern zu gucken, um herauszufinden, was da offenbar anders läuft als in den Partien mit mir.

Am Ende kommen meine Mitspieler:innen und ich trotzdem nicht unbedingt zu denselben Ergebnissen. Das liegt auch daran, dass viele Noten Ersteindrücke sind. Zwar überschreibe ich alte Bewertungen mit neuen, falls dieselbe Person mehrfach dasselbe Spiel benotet. Aber aus diversen Gründen, die ich schon im Vorjahr beschrieben habe, gibt es nicht so viele Überschreibungen.

Zweimal im Jahr – und einer dieser Tage ist heute – stricke ich aus der Tabelle einen Blogartikel. In diesem ersten Auswertungsteil geht es los mit den – nach Spiel-des-Jahres-Kriterien – „roten“ Spielen. Um sich zu qualifizieren, muss ein Spiel von mindestens 30 verschiedenen Personen benotet worden sein und eine durchschnittliche Bewertung von mindestens 7,0 Punkten erreicht haben. Hier ist das Ranking:


1. BOMB BUSTERS
Mitspieler:innen: 7,7 / 10
Udo: ****** außerordentlich

2. HOF-VERRAT
Mitspieler:innen: 7,5 / 10
Udo: **** solide

3. CASTLE COMBO
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: ***** reizvoll

4. SKIZZ IT
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: ***** reizvoll

5. REBEL PRINCESS
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: **** solide

6. CITIES
Mitspieler:innen: 7,2 / 10
Udo: ***** reizvoll

7. QUICKSAND
Mitspieler:innen: 7,2 / 10
Udo: **** solide

8. KOMM ZUM PUNKT
Mitspieler:innen: 7,1 / 10
Udo: **** solide

9. FAIRY RING
Mitspieler:innen: 7,0 / 10
Udo: **** solide




Ergänzung: Das bestbewertete Spiel unter denen, die es nicht auf 30 Noten gebracht haben, ist AGENT AVENUE (7,3 / 10). Das meistbewertete Spiel ist KRAKEL ORAKEL, knapp vor BOMB BUSTERS.