Samstag, 8. November 2025

Vor 20 Jahren (155): Wir sind schwanger

Wir sind schwanger: Cover

WIR SIND SCHWANGER gehört zu den weniger bekannten Werken Uwe Rosenbergs. Auf boardgamegeek hat das Spiel gerade mal 35 Bewertungen. Und auch nicht die allerbesten. Dass ich das Spiel weiterhin besitze, ist trotzdem kein Zu- oder Unfall. Ich mag den Mechanismus.

Worum geht’s? Reihum abwechselnd werden uns Vornamen zugelost, wie unser hypothetisches Neugeborenes heißen könnte. Unseren Nachnamen bringen wir mit. So ergeben sich Kreationen wie „Eros Bartsch“, „Trixi Bartsch“, „Beverly Bartsch“ oder „Fausto Bartsch“.

Dann bewerten wir diesen Namen. Dazu besitzen alle dieselben 20 Karten mit Urteilen wie: „Als Elternteil würde ich mich schämen, auf dem Schulhof den Vornamen dieses Kindes rufen zu müssen.“ Oder: „Erst bekommt das Kind diesen Nachnamen und nun auch noch diesen Vornamen. So ein Pech!“ Fünf dieser Bewertungen wählt jede:r geheim aus. Bin ich anschließend dran, decke ich eine meiner fünf Karten auf. Wer dieselbe hat, muss ebenfalls aufdecken.


Wir sind schwanger: Karten

Sind das alle Mitspieler:innen, ist das schlecht für mich. Ich verliere einen Punkt. Ebenso, wenn ich mit meiner Bewertung ganz allein dastehe. Stimme ich hingegen mit einem Teil der Mitspieler:innen überein, gewinnen wir alle je einen Punkt. Ich will also Bewertungen wählen, die andere auch wählen. Zu offensichtlich sollte es aber auch nicht sein. Haben wir alle dieselbe Karte ausgesucht, will ich zumindest nicht derjenige sein, der sie aufdeckt.

Diesen Mechanismus finde ich nach wie vor reizvoll und gewitzt. Er verbindet ein Partyspiel mit Taktik und Thrill. Dieser Art von Handkartenmanagement mit Spekulation auf die gewählten Karten der anderen bin ich in WIR SIND SCHWANGER zum ersten Mal begegnet. Spätere Spiele mit ähnlichem Mechanismus sind bekannter geworden. Ich denke an WIE VERHEXT (2008 von Andreas Pelikan), DIE GLASSTRASSE (2013 von Uwe Rosenberg) oder STELLA (2021 von Gérald Cattiaux und Jean-Louis Roubira).

Angefangen hatte Uwe Rosenbergs Karriere mit Kartenspielen. Vor 20 Jahren befand der Autor sich schon in seinem zweiten Karriereabschnitt. Es war eine Übergangsphase, in der Rosenberg Kommunikations- und Partyspiele entwickelte, denen viel Textarbeit (in diesem Fall das Recherchieren von 2600 Vornamen) vorausging. WIR SIND SCHWANGER ist für mich das beste Spiel aus dieser kürzeren Periode. Das nächste große Kapitel schlug Rosenberg ab 2007 auf. AGRICOLA und in der Folge all die Figureneinsatzspiele machten ihn in Spieler:innenkreisen weltberühmt.

Schon vor dem Öffentlich-Werden dieser dritten Phase munkelte man in meinem erweiterten Umfeld, dass da etwas ganz Großes kommen würde. Spieler:innen aus Hannover standen irgendwie mit Uwe Rosenberg in Kontakt. Vielleicht wirkten sie in seinen Testrunden mit oder tauschten sich in sozialen Medien mit ihm aus. Im Detail weiß ich das nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich irritiert war über dieses elektrisierte Raunen und die spürbare Vorfreude auf das ganz tolle Vielspieler:innen-Ding. Denn Uwe Rosenberg brachte ich damals mit solchen Spielen nicht in Verbindung. Er stand für Spiele wie BOHNANZA, MAMMA MIA!, SPACE BEANS oder eben WIR SIND SCHWANGER.

Und wer bislang dachte, ich schreibe diese Rückschauen spontan, wie sie mir gerade in den Sinn kommen, wird nun so richtig staunen: Tatsächlich ist alles sorgsam komponiert und baut dramaturgisch aufeinander auf. Der Schritt von WIR SIND SCHWANGER zu AGRICOLA wäre nicht möglich gewesen ohne – tadaaa! – CAYLUS, das vor einem Monat Thema war. Nach Uwe Rosenbergs eigenen Angaben hat CAYLUS ihn zu AGRICOLA inspiriert. Nach der Messe 2005 habe er zwei Wochen lang jeden Abend CAYLUS gespielt und darüber nachgedacht, wie er es zu einem eigenen Spiel weiterentwickeln könne. Aber dazu mehr wohl in zwei Jahren. Für heute sagt der Papa in spe von Hannelore Bartsch, Oswald Bartsch und Ilsebill Bartsch auf Wiedersehen.


Dienstag, 4. November 2025

Meister Makatsu

Meister Makatsu: Cover

Meister Makatsu mag kein Geschwätz.

Wie geht MEISTER MAKATSU? Wer will Minuspunkte? Niemand natürlich. Der strenge Meister Makatsu verteilt sie allerdings sehr großzügig.
Jede:r besitzt dasselbe Deck mit Karten in drei Farben und Werten von Eins bis Acht. Zufällige vier davon bekommen wir pro Runde auf die Hand. Erst spielen wir ohne jede Bedienpflicht reihum eine, dann reihum eine zweite. Die beiden übrigen Karten legen wir für den nächsten Durchgang beiseite.
Nun werten wir für jede der drei Farben die gespielten Karten aus. Wer die höchste gespielt hat, kriegt Strafe: Die höchste blaue Karte bringt einen Minuspunkt, die höchste gelbe zwei, die höchste violette einen und obendrein die sehr unbeliebte Ausspielpflicht.
Man will also niemals hoch spielen. Aber irgendwann muss man das wohl. Schrecklicherweise werden die Minuspunkte im zweiten Durchgang verdoppelt, im dritten verdreifacht. Diese Durchgänge sind erheblich kürzer. Denn wir spielen nur noch mit unseren zuvor beiseitegelegten Karten. Die werden jeweils neu gemischt, und wieder gibt es für jede Runde vier meiner Karten auf die Hand.

Was passiert? Spiele ich anfangs immer kleine Werte, kann ich mich darauf einstellen, die späteren Durchgänge mit den hohen Karten bestreiten zu dürfen. Spiele ich anfangs hoch, nutzen meine Mitspieler:innen das womöglich aus, um als galante Beigabe zu meiner Acht eigene Sechsen und Siebenen zu entsorgen.
Sehr ärgerlich übrigens, wenn man in solchen Situationen nichts Hohes hat. Da spielt jemand – vermutlich aus Verzweiflung – die gelbe Acht vor, man könnte den allergrößten Mist abstoßen … hat gerade aber keinen parat. Oder nur in den anderen Farben. Oder man hat ausgerechnet eine gelbe Acht. Und bei mehreren gleichen Zahlen sticht die später gespielte.

Meister Makatsu: Material

MEISTER MAKATSU ist ein ständiges Dilemma: Ich will niemals die violetten Stiche gewinnen, weil es viel bequemer ist, hinten zu sitzen und reagieren zu können. Gelbe Stiche will ich aber auch nicht. Denn die sind ja besonders teuer. Und immer nur Blau zu legen, ist auch ungünstig. Denn so behalte ich für die späteren Durchgänge zwangsläufig Gelb und Lila.
Vermutlich kann ich ohnehin nicht immer unterbieten. Wann also ist der geeignete Moment, um doch mal klein groß beizugeben? Vielleicht wenn ich zwei hohe Werte einer Farbe auf der Hand habe, sagen wir Sechs und Acht. Und in dem Fall: Spiele ich erst die Sechs an, um zu gucken, was sich ergibt? Vielleicht legt jemand eine weitere Sechs oder die Sieben rein, und ich kann es mir mit der Acht noch mal anders überlegen? Na ja, aber vielleicht spielt aber auch jemand eine Acht, und dann frage ich mich, warum ich nicht auch gleich mit der Acht herausgekommen bin. Jetzt wäre ich sie los.

Was taugt es? MEISTER MAKATSU ist von Partie zu Partie in meiner Gunst von „ganz nett“ zu „echt gut“ gestiegen. Im Grunde ist es ein Legacy-Stichspiel. Auf einfachste Weise: Was ich nicht ausspiele, ist mein Erbe für den nächsten Durchgang. Das kann gut sein oder auch schlecht.
Das Handling allerdings ist etwas kompliziert. Wir müssen unterscheiden zwischen Karten, a) die endgültig raus sind, b) für den nächsten Durchgang beiseitegelegt wurden und c) noch auf unseren Nachziehstapeln des laufenden Durchgangs liegen. Da gab es schon etliche Verwechslungen, Mitspieler:innen haben ihre Karten durcheinandergebracht.
Bei Spielende erwartet uns noch die neueste Variante eines speziellen Knizia-Scorings: Bei Gleichstand gewinnt die Person, die den Startmarker besitzt und also in der Ausspielpflicht wäre – selbst wenn diese Person am Gleichstand gar nicht beteiligt ist. Das ist ungewöhnlich und etwas verrückt. In größerer Besetzung ab fünf Personen habe ich tatsächlich schon Gleichstände erlebt, und dann gewann halt irgendwer … oder stopp: vermeintlich irgendwer. Denn es spricht ja nichts dagegen, einen sehr hohen violetten Wert bin zum letzten Durchgang durchzuschleppen, um sich nun ganz gezielt den Startmarker zu holen. Trotzdem ist es immer noch großer Zufall, ob dann auch der erhoffte Gleichstand eintritt. Ein finaler Zock also, der meistens nicht funktioniert. Und wenn doch: Angesichts der Kürze des Spiels finde ich es okay, wenn das Ergebnis hin und wieder im letzten Moment auf den Kopf gestellt wird.
Durch MEISTER MAKATSU fühle ich mich bestens unterhalten. Ab vier Personen finde ich es am spaßigsten. So einfach die Regeln sind: Ich treffe immer wieder relevante Entscheidungen oder zumindest Risikoabwägungen. Ich bin gespannt auf das, was passiert. Ärger über die ungünstige Verteilung meiner Handkarten und Freude, eine hohe Karte überraschend abgestoßen zu haben, wechseln sich munter ab.


***** reizvoll

MEISTER MAKATSU von Reiner Knizia für zwei bis sechs Spieler:innen, Amigo.

Freitag, 31. Oktober 2025

Gern gespielt im Oktober 2025

ARTENGARTEN: Starkpark.

TAKE TIME: Normalerweise wäre es ja kein so gutes Zeichen, beim Spielen ständig auf die Uhr zu schauen.

ABROAD: Zerrissen beim Verreisen.

TOP OR NOT: Könnte als Light-Version von WIE ICH DIE WELT SEHE durchgehen.

KAVANGO: Tiere brauchen Schutz. Vor uns Menschen. Lösung: Sperren wir die Tiere einfach weg!







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM OKTOBER:

DER HERR DER RINGE – DAS SCHICKSAL DER GEMEINSCHAFT: Angesichts heutiger Edelmetallpreise hat sich Frodo bestimmt schon sehr geärgert.



Mittwoch, 29. Oktober 2025

Der Herr der Ringe – Das Schicksal der Gemeinschaft

Das Schicksal der Gemeinschaft: Cover

Ob der Eine Ring wohl die Macht hätte, mich Einleitungen schreiben zu lassen? Na, mal lieber nicht zu viel erwarten.

Wie geht DER HERR DER RINGE – DAS SCHICKSAL DER GEMEINSCHAFT? Wir sind die Guten und spielen kooperativ; das Spiel ist böse. Je nach Schwierigkeitsgrad müssen wir vier oder mehr Ziele erreichen. Eines davon ist in jeder Partie „Zerstört den Einen Ring“. Dazu muss Frodo auf dem Spielplan zum Schicksalsberg laufen (wofür er auf Karten oder Plättchen jede Menge Symbole „Versteck“ benötigt), vor Ort muss er fünf Symbole „Ring“ abwerfen und schließlich noch einen Schicksalswürfelwurf überstehen, der außer vom Glück auch von anwesenden Nazgûl, Orks und dem Stand der Hoffnungs-Skala abhängt.
Andere Ziele haben Titel wie „Fordert Sauron heraus“ oder „Sichert die Furten des Anduin“ und lassen uns Truppen ausheben und zu vorgegebenen Orten bewegen oder Orte erobern oder bestimmte Symbole sammeln, um sie am Zielort einzusetzen. Alle Aufgaben haben eine inhaltliche Verbindung zu Tolkiens Romantrilogie. Ebenso die Spielplan-Geografie. Und die Eigenschaften der Spieler:innen-Charaktere. Pro Person spielen wir nicht einen Charakter, sondern gleich zwei. Mit einem führe ich in meinem Zug vier Aktionen durch, mit dem anderen eine. Haupt- und Nebenrollen können sich während einer Partie abwechseln.

Das Schicksal der Gemeinschaft: Spielplangewirr

Die Aktionen ähneln denen in PANDEMIE; DAS SCHICKSAL DER GEMEINSCHAFT ist ein weiterer Ableger des erfolgreichen Spielkonzepts: Wir reisen (was manchmal die Abgabe von Symbolen erfordert und für Frodo wegen der Nazgûl obendrein riskant sein kann), wir sammeln Symbole, wir tauschen Karten. Hinzu kommt: Wir rekrutieren Truppen und kämpfen.
Noch mehr an PANDEMIE erinnert die Verwaltung zwischen den Zügen: Ich ziehe zwei neue Handkarten vom Stapel, dann werden vom anderen Stapel anfangs zwei, später mehr Schattenkarten aufgedeckt und ausgeführt. Sie bringen Orks ins Spiel oder sie bewegen Orks. Sie lassen Nazgûl in Frodos Richtung fliegen oder versetzen das Auge Saurons zu Frodo – wo es möglichst nicht lange bleiben sollte, weil sonst immer wieder negative Effekte auftreten. Eine wiederkehrende und ebenfalls buchgetreue Aufgabe der anderen Charaktere ist deshalb, irgendwo Schlachten anzuzetteln. Dadurch wird das Auge von Frodo weggelenkt.

Was passiert? Der Einstieg ist erheblich schwieriger als bei PANDEMIE. Sich auf dem großen und detailbeladenen Spielplan zurechtzufinden und zu erfassen, was die eigenen Charaktere alles können, dauert mindestens eine komplette Partie. Und bis man dann noch draufhat, welche Fähigkeiten die anderen Charaktere besitzen, vergeht mindestens eine weitere.

Das Schicksal der Gemeinschaft: Charaktere

Die Anforderung an die Gruppe ähnelt PANDEMIE und vielen anderen Koop-Spielen: Anhand unserer Karten knobeln wir die bestmöglichen Züge aus. Weil alle Informationen offen sind, können sich alle am Tisch beteiligen. Es geht um Optimierung und Risikomanagement. Viele Unglücke drohen gleichzeitig. Welchem Brandherd widmen wir uns zuerst? Und wie viel Energie verwenden wir darauf, feindliche Truppen zu entfernen? Präventive Kämpfe verschaffen uns einerseits Luft, bringt andererseits für unsere Ziele gar nichts.
Immer wieder werden wir Karten nachziehen, die das Bedrohungs-Level erhöhen und alle bereits gezogene Schattenkarten gemischt auf den Schattenstapel zurückbefördern. Sie werden dann erneut aufgedeckt. Wir können in etwa erahnen, was uns bevorsteht. Allerdings kennen wir nicht den genauen Zeitpunkt.
Wie auch in PANDEMIE tauchen also einige wenige Schattenkarten immer wieder auf und ein Großteil der Schattenkarten nie. Dadurch verlagern sich die Schwerpunkte von Partie zu Partie. Mal ist besonders Gondor bedroht, mal Thal, dann wieder bewegen sich die Orks nicht so sehr, dafür ist Saurons Auge besonders schnell.


Das Schicksal der Gemeinschaft: Würfelturm

Was taugt es? Hätte DAS SCHICKSAL DER GEMEINSCHAFT keine literarische Vorlage, würde man sicherlich sagen: Was sollen all die Kleinregeln? Warum haben die Orte derart verwirrende Namen? Und wieso fassen manche Mini-Gebiete die vielen Figuren nicht? Dieses Spiel müsste man mal gründlich entschlacken!
Nicht die Mechaniken sind es, die DAS SCHICKSAL DER GEMEINSCHAFT herausragen lassen; die hat Matt Leacock anderswo schon eleganter hinbekommen. Es ist die Weise, wie das Spiel Geschichten kreiert: nämlich immer wieder neue und faszinierende Varianten eines schon oft erzählten Plots. Geschichten, die sich ähnlich stimmig anfühlen und im Gedächtnis bleiben: Da erobern wir Dol Guldur, verlieren es wieder und erobern es erneut, Orks marschieren in Bruchtal ein. Gollum eilt ins Auenland, um den ängstlich verharrenden Frodo dort abzuholen. Weil wir die Filme vor Augen haben, entstehen im Kopf besonders leicht Bilder.

Das Schicksal der Gemeinschaft: Ziele

Man staunt, wie gut alles ausbalanciert ist. Das steht die Gruppe nach schwer verpatztem Auftakt schon mit dem Rücken zur Wand – und gewinnt trotzdem noch. Oder die Gruppe glaubt, alles easy im Griff zu haben – und plötzlich überrennen die Orks das Waldlandreich und stehen direkt vor Erebor. Selbst die Vernichtung des Rings verläuft nicht immer identisch. Frodo zieht mit oder ohne Begleitung nach Mordor, mal sogar mit Armeen, ein anderes Mal setzen ihn Adler direkt am Schicksalsberg ab.
Um die Romanvorlage und deren Opulenz und Vielschichtigkeit auch nur annähernd abzubilden, muss das Spiel offenbar genau so sein, wie es ist. Komplex, vieldimensional, überbordend. Episch. PANDEMIE bleibt dagegen abstrakter. Zwar spielen wir auf einer Weltkarte und haben verschiedene Berufe, was für ein Brettspiel eigentlich schon recht konkret ist. Aber ob die Pandemie nun in Asien oder Europa ausbricht, ist ohne große Bedeutung. Die Erzählung bleibt größtenteils dieselbe.
DAS SCHICKSAL DER GEMEINSCHAFT ist sehr variabel. Die 13 Charaktere, 24 Ziele und fünf Schwierigkeitsgrade lassen sich fast beliebig kombinieren. Das Verspechen auf immer mehr ist groß. Das Spiel hat so viel eigenen Charakter und verströmt so viel Atmosphäre und Flair; da fällt überhaupt nicht auf, dass es mal wieder „nur“ eine PANDEMIE-Variante ist.


****** außerordentlich

DER HERR DER RINGE – DAS SCHICKSAL DER GEMEINSCHAFT von Matt Leacock für eine:n bis fünf Spieler:innen, Z-Man Games / Middle-Earth Enterprises.

P.S. Sorry an Sam: Der Doppelcharakter, der nur eine Figur nutzt, heißt eigentlich "Frodo & Sam". Das habe ich im Text oben unterschlagen, um es nicht noch komplizierter zu machen. Wir alle kennen aber Sams überragende Verdienste.

Sonntag, 19. Oktober 2025

Tea Garden

Tea Garden: Cover

Made in China.

Wie geht TEA GARDEN? TEA GARDEN ist ein Aufbauspiel mit Ressourcenmanagement und Deckbau. Wir beginnen mit identischen Kartensätzen, zu Beginn jeder Runde ziehen wir vier Karten auf die Hand. Bin ich am Zug, lege ich eine oder überlappend mehrere Karten vor mir aus. Ihr Gesamtwert bestimmt die Stärke meiner Aktion, die ich anschließend ausführe. Die Symbole meiner obersten gespielten Karte gewähren mir obendrein Nebeneffekte. Pro Runde darf ich maximal vier Aktionen ausführen. Vor allem am Anfang des Spiels gehen mir ohnehin meist schon vorher die Handkarten aus.
Die Hauptwährung im Spiel sind Teeblätter mit einer grünen und einer fermentierten braunen Seite. Die Teeblätter können Qualitätswerte von eins bis sechs annehmen. Fermentierter Tee ist besser. Denn wenn ich grüne Blätter bezahlen muss, darf ich ersatzhalber auch braune abgeben – aber nicht umgekehrt. Außerdem lässt sich brauner Tee besser lagern. Beim Rundenwechsel wird jedes braune Teeblatt um eine Stufe wertvoller, jedes grüne sinkt um eine Stufe ab.
Eine Aktion kann zum Beispiel sein, dass ich mir eine zusätzliche Karte kaufe (die ich dann sofort auf die Hand nehme). Solche Karten sind grundsätzlich stärker als meine Startkarten. Oder ich baue eine Pagode. Das bringt ein kleines Soforteinkommen und erhöht dauerhaft meine Tee-Einnahmen pro Runde. Oder ich verkaufe Tee an eine Karawane. Das bringt Punkte und vor allem Kaisermarker, die ich sammle, um Kaiserkarten zu erwerben. Auch die kommen in mein Deck. Sie gewähren starke Nebenaktionen und zählen in der Schlusswertung viele Punkte.

Tea Garden: Tableau

Um Punkte geht es natürlich. Wofür genau es Punkte gibt, will ich nicht im Detail auflisten. Grob gesagt, für so ziemlich alles. Ebenfalls erspare ich mir eine genauere Schilderung, was außer Aktionsstärke und Tee in bestimmter Menge und Qualität man eventuell noch für Aktionen bezahlen oder vorweisen muss und welche Ketten- und Nebeneffekte ausgelöst werden. Und sogar von den Hauptaktionen lasse ich zwei unerwähnt. Kurzum: TEA GARDEN ist kein Kindergarten.

Was passiert? Bei TEA GARDEN geht es um Tüftelei und Optimierung. An diversen Stellen spielt (gut so!) auch Glück eine Rolle: welche meiner Karten ich auf die Hand bekomme, welche Karawanen gerade zur Verfügung stehen, welche Aktions- und Kaiserkarten zu haben sind.
TEA GARDEN ist ein weiteres der inzwischen sehr vielen Spiele, die nach hinten raus eskalieren. Am Anfang fragt man sich, wie man mit den paar Karten und den paar Aktionen überhaupt irgendwas erreichen soll. Am Ende hat man dann doch viele Ressourcen und viele Möglichkeiten. Dieses Wachstum fühlt sich befriedigend an.

Tea Garden: Spielplan

Der Themenbezug ist nur lose. TEA GARDEN funktionierte mit einem anderen Wirtschafts- oder Produktionsthema genauso gut. Schade ist vor allem, dass die so interessant wirkende Teeblatt-Währung sich nur unwesentlich auf das Spiel auswirkt. So hat TEA GARDEN wenig, um sich von der Masse der Spiele abzuheben, in denen ebenfalls alles irgendwie miteinander verzahnt ist, man vor sich hinoptimiert und mit Aktionen noch Nebenaktionen generiert und durch irgendwelche Ketteneffekte dieses oder jenes bekommt.


Tea Garden: Karten

Was taugt es? TEA GARDEN ist sehr schön gestaltet. Das Spiel verströmt Atmosphäre. Die Mechanismen sind gut komponiert, doch mit Ausnahme des Themas wüsste ich nichts zu nennen, was TEA GARDEN speziell auszeichnet. Um in dem inzwischen riesigen Angebot an ebenso gut komponierten Euro-Games nicht unterzugehen, genügen ausgeklügelte Optimierungsaufgaben – zumindest für meinen Geschmack – nicht mehr. Spiele dieses Genres benötigen einen besonderen Mechanismus; etwas, woran man sich reibt; etwas, worauf man auch nach mehreren Partien immer noch gespannt ist. Dieses Etwas erkenne ich in TEA GARDEN nicht. Ich finde ich TEA GARDEN auch etwas detailüberladen. Obendrein verliefen meine Partien relativ gleichförmig; alle Spieler:innen machten im Spielverlauf dann doch ungefähr dasselbe.


**** solide

TEA GARDEN von Tomáš Holek für zwei bis vier Spieler:innen, Huch! / Albi.

Mittwoch, 15. Oktober 2025

Komm zum Punkt

Komm zum Punkt: Cover

Bei diesem Titel traue ich mich keine Einleitung. Denn wer hasst sie nicht, diese unsäglichen Leute, die mit endlosem Begrüßungs-Blabla nur den Laden aufhalten, statt endlich mal zum Punkt zu kommen?

Wie geht KOMM ZUM PUNKT? Wir spielen kooperativ und erraten, während die Sanduhr läuft, Wörter wie „Schaukel“, „Nabelschnur“, „Speisekarte“, „Kreuz“ oder „Mallorca“. Immer abwechselnd eine Person rät, alle anderen kennen das Lösungswort und wollen die Rateperson hinführen.
Dazu formulieren wir gemeinsam (und inklusive der Rateperson) Sätze. Reihum sagen wir Wort für Wort. Oder „Punkt“ – worauf die nächste Person einen neuen Satz beginnt. Unser Ziel ist, dass die Rateperson a) das Lösungswort erahnt und b) auch noch genau dann an die Reihe kommt, wenn dieses Wort in den Satz passt. Im Bestfall entsteht eine schöne Vorlage wie: „Inzwischen“, „waren“, „alle“, „Deutschen“, „da“, „Punkt“, „Die“, „Mittelmeerinsel“, „heißt“ „natürlich“ …

Komm zum Punkt: Karten

Das erste Wort des ersten Satzes ist übrigens zufällig von einer Spielkarte vorgegeben. Sonst hätte man sicherlich nicht mit „Inzwischen“ angefangen. Aber genau das macht die Aufgabe lustig.

Was passiert? Manche Begriffe flutschen gut. Entscheidend sind clever gewählte Schlüsselwörter wie „Mittelmeerinsel“. Allgemein tauchen aber doch mehr Schwierigkeiten auf, als man denken würde: Die nächste Person setzt den Satz ganz anders fort, als man sich das vorgestellt hätte. Man sitzt baff da und fragt sich, was die oder der andere sich bloß gedacht hat. Das Spiel stockt, weil manche im Kopf durchspielen, was die nächsten zwei, drei Personen idealerweise sagen müssten. Was sie dann vielleicht leider nicht tun.
Es entstehen Nonsens und Kauderwelsch. Es entstehen grammatisch fragwürdige Bandwurmsätze, weil aus irgendwelchen Gründen niemand „Punkt“ sagt. Die Gruppe kreist um das Thema des gesuchten Begriffs, schafft es aber nicht, den Satz so zu timen, dass die Rateperson das Lösungswort einfügen könnte. Und manchmal sagt die Rateperson dann die Lösung, obwohl es grammatisch gerade kein bisschen passt.
Vermutlich wegen genau solcher Schwierigkeiten gibt es eine weitere Regel: Komme ich als Beschreibender an die Reihe und könnte an meiner Stelle des Satzes das Lösungswort sagen, darf ich klopfen. Das tue ich in der Hoffnung, dass die Rateperson längst ahnt, worum es geht. Kann sie den Begriff nun nennen, ist die Runde ebenfalls gewonnen.

Was taugt es? Die Probleme sind einerseits lustig. Bei KOMM ZUM PUNKT habe ich viel gelacht. Ich erinnere mich an eine Situation, als schon das zweite Wort des ersten Satzes so schräg war, dass ich keine Idee hatte, wie man daraus überhaupt noch einen gültigen Satz bilden könnte, geschweige denn einen, der zum Lösungswort führt. Das war denkwürdig.
Oft habe ich die Probleme aber als spielerisch unbefriedigend empfunden. Da half mir auch nicht der Gedanke, dass es ja ein Partyspiel ist, bei dem man kulant sein sollte. Und dass es mehr um den Spaß und weniger um die Grammatik geht. Gerade in kooperativen Spielen nehme ich es mit den Regeln genau, sonst fühlt es sich für mich wie Schummeln an. Und in KOMM ZUM PUNKT ist es meinen Gruppen auffallend oft nicht gelungen, die Regeln einzuhalten.
Ich hadere obendrein mit der Punktwertung. Es zählt einen Punkt, wenn der Begriff gefunden wird, indem die Rateperson ihn an der richtigen Stelle des Satzes platziert. Es zählt aber zwei Punkte, wenn der Begriff gefunden wird, nachdem jemand klopft. Um den Highscore zu erreichen, müsste man also grundsätzlich klopfen. Macht man das nie, erreicht man bestenfalls die mittelgute Wertung „Nicht schlecht“. Dabei dachte ich, es sei die eigentliche Aufgabe, dass die richtige Person das richtige Wort an der richtigen Stelle sagt.
Die Idee von KOMM ZUM PUNKT finde ich grandios. Und viele, denen ich das Spiel erklärt habe, waren schon vor Spielbeginn sehr begeistert und in froher Erwartung, was passieren würde. Für meine Begriffe konnte das Spiel die Erwartungen nie ganz einlösen, aber womöglich sehe ich das zu eng. In meinen öffentlichen Spielerunden gehörte KOMM ZUM PUNKT in der vergangenen Saison zu den Favoriten.


**** solide

KOMM ZUM PUNKT von Ralf zur Linde und Klaus-Jürgen Wrede für zwei bis viel mehr Spieler:innen, Denkriesen.

Samstag, 11. Oktober 2025

El Paso

El Paso: Cover

Weil es GREAT WESTERN TRAIL schon gibt: Werden die Leute da nicht fragen, warum noch eins? Zum Glück ist das nicht mein Problem, sondern höchstens das der beiden Autoren. Mich beschäftigt mehr dieses: Weil es Einleitungen schon gibt: Werden die Leute da nicht fragen, warum noch eine?

Wie geht EL PASO? Die Schachtel erklärt es auf ihrer Unterseite: „Das Spielgefühl von Alexander Pfisters Meisterwerk GREAT WESTERN TRAIL in nur der Hälfte der Spielzeit!“
EL PASO greift also viele Elemente von GREAT WESTERN TRAIL auf: Wir laufen auf einem Rundkurs. Im Ort El Paso müssen wir stoppen und unsere Rinder abliefern, also die Handkarten werten. Gut wäre es dann, a) viele verschiedene Karten mit b) hohen Zahlenwerten auf der Hand zu haben.
Unterwegs auf dem Rundkurs verfolgen wir zwei Ziele: Wir wollen unsere Handkarten optimieren. Und wir wollen starke Aktionen ausführen. Manchmal widerspricht sich das ein bisschen, und die gewählte Aktion schwächt vorübergehend mein Blatt.

El Paso: Spieltuch

Aktionen führen wir in Gebäuden aus, auf denen wir stoppen. Gebäude, die niemandem gehören und von allen genutzt werden können, liegen schon zu Beginn aus. Weitere Gebäude, die dann im Wesentlichen nur für mich da sind, kann ich hinzukaufen. Dafür benötige ich Baumeister-Karten. Auch die muss ich unterwegs kaufen. Genauso wie Cowboy-Karten, über die ich an weitere und bessere Rinder herankomme. Eine dritte Sorte Personenkarten (Ingenieure) verschafft mir – ganz verkürzt gesagt – Aufträge und Sonderaktionen.
Im Gegensatz zu GREAT WESTERN TRAIL handelt es sich bei den Personen tatsächlich um Karten (statt Plättchen). Nutze ich sie, werfe ich sie auf meinen Ablagestapel und muss für ihren nächsten Einsatz warten, bis sie beim Durchlauf meines Decks wieder auftauchen. Ziehe ich sie nach, lege ich sie vor mir ab, und ziehe Ersatzkarten. Nur Rinder halte ich auf meiner Hand.

Was passiert? EL PASO verdichtet GREAT WESTERN TRAIL auf wesentliche Bestandteile. Der Gebäudevorrat ist kleiner, niemand darf mehr als zwei Gebäude besitzen. Die Bahnlinie und die damit verbundenen Lieferbeschränkungen entfallen. Viele Details und Schnörkel sind weggekürzt. Wesentlich neu ist, dass das Deck neben Rindern nun auch Personen enthält. EL PASO speckt das Original also nicht bloß ab, es fügt auch etwas hinzu.

El Paso: Personenkarten

Trotz Eindampfung ist EL PASO kein Leichtgewicht. Versuche ich, das Spiel Menschen ohne GREAT WESTERN TRAIL-Erfahrung zu erklären, haben die mit den diversen Konzepten reichlich zu kämpfen.
Leichter als GREAT WESTERN TRAIL ist EL PASO insofern, dass ich weniger Dinge mitbedenken muss. Der Fokus liegt klarer auf: Figur ziehen, Aktion machen. Dadurch fühlt sich EL PASO auch ein bisschen repetitiver an. Wobei sich natürlich trotzdem immer die Fragen stellen: Welche Aktionen? Und wie viele pro Umlauf? Also: Wie schnell will ich um den Rundkurs hetzen, wie häufig meine Herden werten?
Genauso wie GREAT WESTERN TRAIL lässt sich EL PASO sehr strategisch spielen. Ich kann einen klaren Fokus setzen und meine gesamte Partie entsprechen ausrichten. Jede:r kann sogar weitgehend ungestört agieren, EL PASO ist solitärer. Die Positionierung meiner Gebäude greift kaum ins Spiel der anderen ein, es gibt keine Konkurrenz im Arbeitsmarkt oder auf einer Eisenbahnstrecke.


El Paso: Material

Was taugt es? Ich habe EL PASO gern gespielt, weil es trotz Reduktion erstaunlich viel vom Reiz des Originals bewahrt. Allerdings ist es schwierig bis unmöglich, gegen ein geliebtes Original zu bestehen. Denn das Original liebe ich ja dafür, dass es so ist, wie es ist. Gerne investiere ich also eine Stunde mehr und spiele gleich GREAT WESTERN TRAIL oder GREAT WESTERN TRAIL NEUSEELAND. Ich möchte das volle epische Erlebnis und nicht das Konzentrat.
Aber muss EL PASO denn überhaupt gegen GREAT WESTERN TRAIL bestehen? Vielleicht bedienen ja beide Spiele sehr unterschiedliche Zielgruppen und könnten prima nebeneinander existieren.
Ich bin da skeptisch. Denn neben dem Epischen fehlt EL PASO vor allem das Sinnliche. Das Spiel ist aufgemacht wie eine Reiseausgabe, die fürs Spielen auf einer Rasenfläche oder am Strand optimiert wurde. Auf einem Tisch empfinde ich das Wellen schlagende Spieltuch (statt Spielplan) als sehr störend. Die winzigen Pappmarker verrutschen, während die riesigen Holzfiguren im Weg herumstehen und die Sicht versperren. Es mag Geschmackssache sein, aber ich habe bei so einer Aufmachung gleich deutlich weniger Lust auf das Spiel.


**** solide

EL PASO von Alexander Pfister und Johannes Krenner für eine:n bis vier Spieler:innen, Lookout Spiele.

Mittwoch, 8. Oktober 2025

Vor 20 Jahren (154): Caylus

Caylus: Cover

Alle paar Jahre gibt es auf der Messe Spiel in Essen DAS eine Spiel der Messe: den unangefochtenen großen Hype, den alle spielen und kaufen wollen. 2005 war dies: CAYLUS. Es war das erste veröffentliche Spiel des Franzosen William Attia, und so sehr viele weitere sind seitdem auch gar nicht hinzugekommen.

CAYLUS assoziiert man heute mit Worker Placement. Das Spiel kann vielleicht nicht für sich beanspruchen, das Worker Placement aufgebracht zu haben (was das angeht, wird häufig KEYDOM (1998) von Richard Breese genannt; 2000 in abgewandelter Form als MORGENLAND erschienen). Aber durch CAYLUS verbreitete sich der Mechanismus und bekam in der Folge auch seinen Namen.

Dramatische Pause.

Denn: Den Gedanken, dass wir bis vor 20 Jahren quasi kein Worker Placement hatten, muss man erst mal an sich heranlassen. Es klingt zu verrückt. Aber vor 20 Jahren hatten wir tatsächlich auch noch keinen Deckbau. Vielleicht habe ich das zwei- oder dreimal schon erwähnt: Wir hatten damals nichts!

Warum wir trotz allem überhaupt Spiele-Fans waren? Nun ja, zum Glück gab und gibt es auch andere schöne Mechanismen. Und zum Glück ist man leibhaftig dabei, wenn neue Mechanismen aufkommen und in späteren Spielen weiterentwickelt werden.

So geschah es natürlich auch mit Worker Placement. 2007 kam AGRICOLA und verdrängte (für meine Begriffe) CAYLUS vom Thron, indem es vieles noch ein bisschen besser machte. Nachdem es AGRICOLA gab, spielte ich erst mal nur noch AGRICOLA. Aber ohne CAYLUS wäre AGRICOLA nicht möglich gewesen.

In AGRICOLA starten wir mit nur zwei Figuren, während wir in CAYLUS von Beginn an schon alle sechs haben. Die Variation besteht also darin, dass wir weitere Figuren erst erwerben müssen. Auf andere Weise wurde Worker Placement in anderen Spielen verändert: indem die Figuren unterschiedliche Werte oder Funktionen besitzen oder im Laufe der Partie annehmen, indem sie einander von Feldern verdrängen, indem sie nicht einzeln, sondern in Gruppen eingesetzt werden und so weiter.

2005 hätte ich diese Entwicklung nicht geahnt, zumal ich mir solche Fragen auch gar nicht stellte. Als Spieler erfreue ich mich an dem, was da ist. Was zukünftig noch daraus werden könnte, beschäftigt mich nicht. Gewiss denken Autor:innen da anders. Zum Glück.

Was mich an CAYLUS am meisten gereizt hat, war – wenn ich mich richtig erinnere – ohnehin gar nicht das Worker Placement als solches, sondern damit verbunden der variabel wachsende Spielplan. Das Spiel startet mit vorgegebenen Aktionsorten (Gebäuden). Indem wir weitere Gebäude bauen, erschaffen wir weitere Einsatzorte für sowohl eigene als auch fremde Figuren.

Im Rahmen der Gegebenheiten gestalten wir selbst, wie sich unser Spielbrett entwickelt, welche Produktionslinien ins Spiel kommen und wann. Ich mag das: nicht nur wie im Legespiel etwas zu legen, sondern darauf auch noch weiterzuspielen. Und ich mag das Wechselspiel aus Gemein- und Eigennutz. Ich will Gebäude in die Stadt setzen, die mir weiterhelfen. Aber ich muss einkalkulieren, dass auch andere davon profitieren werden.

CAYLUS erhielt weltweit sehr viele Preise und Nominierungen. In Deutschland gewann es mit großem Vorsprung den Deutschen Spielepreis 2006, die Jury Spiel des Jahres verlieh ihm den Sonderpreis Komplexes Spiel. Heute belegt CAYLUS im Ranking von boardgamegeek immerhin noch Platz 131. Das ist sehr respektabel. Sofern ich mich nicht verzählt habe, liegen nur sechs ältere Spiele vor CAYLUS, nämlich CROKINOLE, PUERTO RICO, FUNKENSCHLAG, EL GRANDE, RA und EUPHRAT & TIGRIS.


Freitag, 3. Oktober 2025

Navoria

Navoria: Cover

Wie geht NAVORIA? Auf dem Kontinent Navoria leben Menschen, Tiere, Goblins und Geister friedlich vereint. Dass es auf ihrem Kontinent keine Einleitungen gibt, haben sie noch gar nicht bemerkt.
Laut Spielgeschichte sind mysteriöse andere Kontinente aufgetaucht, laut Spielgeschichte erforschen wir sie. Konkret bedeutet das: Auf dem Spielplan gibt es drei Laufskalen. Darauf liefern wir uns Wettrennen um Punkte. In jeder Runde muss ich aber wieder ganz von vorne starten. Außer ich konnte Häuser errichten. Dann starte ich von demjenigen meiner Häuser, das dem Ziel am nächsten ist.
Jede der drei Runden ist in zwei Phasen aufgeteilt. In der ersten erhalten wir Karten. Die gibt es in fünf Farben. Bin ich am Zug, ziehe ich zwei Farbsteine aus dem Beutel. Sind sie grün und blau, bedeutet das, ich darf entweder eine grüne oder eine blaue Karte aus der Auslage wählen. Wähle ich die blaue, kommt der grüne Stein in die „Stadt“. Die nächste Person könnte ihn nun verwenden, um eine grüne Karte zu nehmen. Oder sie lässt das Schicksal entscheiden und zieht auch zwei Steine aus dem Beutel.

Navoria: Karten

Karten bringen dies und jenes. A) Punkte. B) Sammelsymbole. Sobald ich fünf gleiche habe, schalte ich eine Schlusswertung für mich frei, die belohnt, viele Karten bestimmter Farben gesammelt zu haben. C) Schritte auf einer der Laufskalen. D) ein Haus auf einer der Laufskalen. E) Rohstoffe. F) Wertungen. Entweder eine andere kleine Schlusswertung. Oder eine Zwischenwertung, die dreimal im Spiel ausgeführt wird und gleiche Sammelsymbole oder Schritte auf den Skalen belohnt.

Navoria: Lager

Auch mit Rohstoffen löse ich Zwischenwertungen aus. Ich sammle sie nach bestimmten Vorgaben in drei Lagern auf meinem Tableau, und sobald in einem der Lager die Bedingungen für eine Wertung erfüllt sind (zum Beispiel sind drei gleiche Rohstoffe beisammen), muss ich werten und gebe die Rohstoffe ab. Wieviel ich bei dieser Wertung erhalte, hängt davon ab, wie viele Häuser ich bereits gebaut habe. Und auch nicht irgendwelche Häuser. Sondern für diejenige Wertung, die mit drei gleichen Rohstoffen ausgelöst wird, müssen es Häuser auf der Berg-Laufskala sein.
In der zweiten Phase nutzen wir die eingesetzten Farbsteine für Worker Placement. Bin ich dran, nehme ich einen der noch vorhandenen Farbsteine und platziere ihn auf einem gleichfarbigen Feld in der Stadt. Auch hier gibt es dann Punkte, Rohstoffe, Schritte und so weiter.


Navoria: Spielplan

Was passiert? NAVORIA ist ein stark verwobenes Spiel. Alles hängt mit allem zusammen. Die Kausalitäten sind teilweise recht abstrakt und um die Ecke gedacht.
Es zahlt sich aus, Schwerpunkte zu setzen, also beispielsweise Karten mit identischen Sammelsymbolen zu erwerben oder Häuser auf demselben Pfad zu bauen. Allerdings ist ein erhebliches Zufallsmoment im Spiel, ob ich diesem Plan folgen kann oder nicht. Vielleicht kommen nicht genügend Karten mit meinem Sammelsymbol, vielleicht ist es gar nicht möglich, die gewünschten Häuser zu bauen. Und selbst wenn die erhofften Karten im Spiel sind: Ich muss auch noch die entsprechenden Farbklötze ziehen, um sie nehmen zu können.
Durch diesen Zufallsfaktor besitzt NAVORIA einerseits eine angenehme Leichtigkeit: Ich muss mich nicht zwischen unzählig vielen Dingen entscheiden. Zudem wird fast alles sofort auf dem Brett umgesetzt: Ich sehe die Folgen meiner Entscheidungen.
Andererseits ist das Beziehungsgeflecht der Elemente ein Dschungel, in dem sich Einsteiger:innen schwer zurechtfinden. Trotz vermeintlich begrenztem Entscheidungsraum ziehen sich Partien mit Menschen, die NAVORIA zum ersten oder zweiten Mal spielen, deutlich. Auch die Grafik behindert. Die Symbole für Hausbau und Laufen werden oft verwechselt oder nicht erkannt. Und vor allem die Uneinheitlichkeit der Sammelsymbole sorgt für Verwirrung. Aus mir nicht erklärlichen Gründen sind sie manchmal als Negativ abbildet (die sonst hellen Flächen sind jetzt die dunklen – und umgekehrt).

Was taugt es? NAVORIA hat mir im Ersteindruck gut gefallen, und auch einige meiner Mitspieler:innen gaben positive Rückmeldungen. Wobei ich bei etwas komplexeren Spielen immer den Verdacht habe: Manche Leute sind am Ende froh und stolz, es so halbwegs verstanden zu haben; und aus diesem guten Gefühl, das eigentlich nichts mit dem Spiel selbst zu tun hat, speist sich (teilweise) der wahrgenommene Spielreiz.

Navoria: Auslage

Wie auch immer. Die für meine Bewertung relevanteste Frage ist ohnehin: Möchte ich es noch einmal spielen? Und die Antwort ist: nicht unbedingt. Es hat sich dann doch gezeigt, dass sich die Partien ähneln und bei Wiederholung nicht an Spannung gewinnen. Was es zu entdecken gab, glaube ich, entdeckt zu haben.
NAVORIA ist sauber komponiert. Der kleine Zock-Mechanismus, einen vielleicht nicht perfekten, aber immerhin akzeptablen Farbstein zu wählen, oder auf den perfekten zu hoffen und in den Beutel zu greifen, ist pfiffig. Aber er ist im Spiel nur ein kleiner Faktor. Die Abwicklung der vielen Wertungen benötigt weitaus mehr Raum – aus dem guten Grund, dass NAVORIA sicher mehr sein soll als nur ein Zockspiel.
Ich sehe es eher als taktisches Sammelspiel. Mit dem Manko allerdings, rein mechanisch konstruiert zu sein und das Entdeckungsthema überhaupt nicht einzulösen. Vermutlich um irgendwie doch eine Welt zu erschaffen, wo eigentlich keine ist, floss viel Augenmerk in die Ausstattung. So sind die hübschen Holzfiguren (für jede Farbe gibt es andere) das am wenigsten Mittelmäßige an NAVORIA.
Nichts an NAVORIA ist misslungen. Doch das Spiel bietet eben auch keinen speziellen Kniff, keine starke Emotion, keine Wiedererkennbarkeit und geht in der Masse unter.


*** mäßig

NAVORIA von Meng Chunlin für zwei bis vier Spieler:innen, Strohmann Games.

Dienstag, 30. September 2025

Gern gespielt im September 2025

SALTFJORD: Lord of the Fjord.

THE DRUIDS OF EDORA: Wald und Feld

KAVANGO: Riesige Parkplätze sehen tatsächlich gleich viel besser aus, wenn man Tiere darauf parkt.

DIE GLORREICHEN GILDEN VON BUTTONVILLE: Kartensammeln mit Knöpfchen.

CODENAMES DUETT: Geheim im Urlaub gewesen.







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM SEPTEMBER:

DER HERR DER RINGE – DAS SCHICKSAL DER GEMEINSCHAFT: Das Böse ist besiegbar. Eine bessere Botschaft kann von Spielen gar nicht ausgehen.



Donnerstag, 25. September 2025

Spielejahrgang 2024/25:
Was vom Jahrgang übrig bleibt
Teil 3: Die auch Reizvollen

Das für mich als Content Creator ganz Tolle an sinnbefreiten Unterbrechungen ist, dass man erst mal wieder lang und breit erklären muss, wo man sich inhaltlich eigentlich befindet. Ohne Unterbrechung wüssten das alle noch.

Jetzt aber müssen auch jene Leser:innen mitgenommen werden, die gerade frisch reinklicken und die ersten zwei Teile nicht kennen. Oder doch nicht? Wäre der Artikel nicht vielleicht selbsterklärend? Ach, ist ja wurscht. Man schreibt einfach und schreibt und produziert Content, der letztlich gar kein Content ist, sondern belangloser Müll. Und braucht zehn Absätze, um endlich zur Sache zu kommen.

Ich mag diese Masche überhaupt nicht … wenn andere es so machen. Und ich schaff’s natürlich mit ein paar Absätzen weniger. Das hier ist Qualitätsjournalismus.

Und: Oh, jetzt habe ich tatsächlich gar nicht erklärt, wo wir inhaltlich stehengeblieben sind. Pech. Man darf hier halt nicht unvorbereitet reinklicken.


KRAKEL ORAKEL / SKIZZ IT: Diese zwei Malspiele bleiben für mich vom Jahrgang übrig, und ich kann mich nicht entscheiden, welches ich besser finde. Beide haben unterschiedliche Stärken, deshalb behalte ich auch beide und schaue, welches häufiger noch zum Einsatz kommt. Im Moment könnte man allerdings weder das eine noch das andere spielen. Sämtliche Stifte beider Spiele sind komplett hinüber. Meine Referenz unter den Malspielen war bislang PICTOMANIA. Das könnte sich ändern, denn der Einstieg inklusive Aufbau ist nicht ohne. KRAKEL ORAKEL und SKIZZ IT dürften es leichter mal auf den Tisch schaffen. (Rezension SKIZZ IT: Spielbox 4-2025.)


FLIP 7 / ABGESTAUBT: Auch diese beiden Spiele sind sich nicht nur ähnlich, sondern für mich auch etwa auf Augenhöhe. Manche mögen die Casino-Atmosphäre mit Kartenverteiler:in in FLIP 7 mehr, andere das Klauen in ABGESTAUBT. Beide Spiele haben sehr gute Chancen, noch häufiger gespielt zu werden.


DUNGEON DESIGNER: Zwei Titel sind für mein Empfinden unter dem Radar geflogen. Auch wenn ich zugeben muss, die Radare anderer Menschen gar nicht so genau überwacht zu haben. Ich bin Text-Mensch. Was YouTuber:innen und Podcaster:innen so meinen, entgeht mir oft. DUNGEON DESIGNER (rezensiert in Spielbox 6-2024) überzeugt mich als sehr gut verzahntes Bau-, Sammel- und Draftspiel …


SKULL QUEEN: … und SKULL QUEEN bereichert das vermeintlich komplett ausgereizte Genre der Stichansagespiele tatsächlich um einen neuen Dreh. Der Typ auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN hat sogar geschrieben: „Ich halte es für eines der stärksten Kartenspiele der Saison.“ Und das obwohl der Kartenspieljahrgang wirklich sehr stark war. Uiuiui.


ENDEAVOR – DIE TIEFSEE: Das Kennerspiel des Jahres fehlt an dieser Stelle natürlich auch nicht. Zumal es ein sehr gutes und sehr atmosphärisches Kennerspiel ist. Ich bin gespannt, welchen Weg das Spiel machen wird. In meinen öffentlichen Spielerunden hat es sich als recht herausfordernd erwiesen. Den Weg in mein Regal macht es zweifellos.


DUNE IMPERIUM – UPRISING: UPRISING empfinde ich als Verbesserung gegenüber DUNE IMPERIUM, das ja auch schon sehr gut war. Allerdings: diese Spione … Selten musste ich zu einem Spielelement so viele und immer dieselben Regelfragen beantworten. Als richtig rund empfinde ich also auch UPRISING noch nicht. Bis ein neues DUNE IMPERIUM erscheint, das auch diese Schwäche behebt, darf das Spiel aber gerne bleiben.