Dienstag, 13. Mai 2025

Sky Team Turbulenzen

Sky Team Turbulenzen Cover

Turbulenzen aber sie geschrieben, völlig Einleitung Ich haben diesmal hatte durcheinandergeschüttelt. extra heftige eine leider

Was bringt SKY TEAM TURBULENZEN? SKY TEAM TURBULENZEN ist eine Erweiterung mit mehreren kleinen Zusätzen zu SKY TEAM. Drei davon finde ich wichtig: 1. „Turbulenzen“ zwingen mich, nach jedem platzierten Würfel meine restlichen Würfel neu zu würfeln. 2. „Schlechte Sicht“ bewirkt, dass ich maximal zwei Würfel zur Auswahl habe. Erst nachdem ich einen einsetze, bekomme ich einen weiteren. 3. „Alarm“ sperrt bestimmte Einsetzfelder meines Gegenübers solange, bis ich sie mit einem passenden Würfel wieder freischalte.
Die Packung enthält 20 Szenarien in den bewährten Schwierigkeitsstufen, in denen diese neuen Elemente zum Einsatz kommen.

Was passiert? SKY TEAM bleibt SKY TEAM. Aber die Abwechslung ist jetzt noch einmal deutlich größer – ohne dass das Spiel wesentlich mehr Material oder Regeln benötigt. Sondern einfach durch Einfälle.
„Alarm“ erhöht die Zwänge. Auf Dauer können wir es uns nicht erlauben, dass bestimmte Einsatzfelder gesperrt sind. Doch wenn die Würfel nicht recht passen oder andere Anliegen noch dringender scheinen, kann es geboten sein, die Blockade eine Weile hinzunehmen. Mit Glück werden Felder blockiert, die man ohnehin nicht mehr benötigt. Und mit Timing beim Fliegen kann man Alarme vermeiden.
„Schlechte Sicht“ schränkt ebenso wie „Turbulenzen“ die Planbarkeit ein. Während „Schlechte Sicht“ thematisch passend genau das umsetzt, was die Benennung andeutet, nämlich eine geringere Vorausschau, können „Turbulenzen“ manchmal sogar positiv sein – wenn meine Nachwürfe besser sind als das, was ich vorher hatte. Mit „Turbulenzen“ kann ich auch ein bisschen zocken.

Was taugt es? SKY TEAM TURBULENZEN ändert an der Struktur von SKY TEAM gar nichts und wird deshalb vermutlich jenen Spieler:innen nicht so gut gefallen, die von einer Erweiterung ein anderes Spielgefühl oder einen eingegrenzten Glücksfaktor wünschen.

Sky Team Turbulenzen Material

Ich zähle mich nicht dazu. Das Grundspiel von SKY TEAM empfinde ich als so abwechslungsreich, dass ich über 100 Partien gespielt habe. Und als so überragend, dass ich diese 100 Partien mit großer Begeisterung gespielt habe. TURBULENZEN hat die Klasse, um noch mal dieselbe Menge an Partien hinzuzufügen. Das allein ist schon toll. Noch toller wird es für mich dadurch, dass die Erweiterung in einer schnöden Papierhülle verkauft wird. Da man das bisschen Zusatzmaterial sowieso in die Box des Grundspiels werfen wird, wäre eine weitere Pappschachtel auch überflüssig gewesen.
SKY TEAM hatte ich noch mit „außerordentlich“ statt „genial“ bewertet, hauptsächlich als Kritik am zu fummeligen Material. Ich finde das Material immer noch fummelig – aber ursächlich dafür ist nicht diese Erweiterung, denn sie muss sich natürlich der Größe des Basisspiels anpassen. Somit kann ich jetzt die Bewertung nachholen, die SKY TEAM für Originalität, Spielreiz und Themenumsetzung durchaus längst hätte bekommen dürfen.


******* genial

SKY TEAM TURBULENZEN von Luc Rémond für zwei Spieler:innen, Kosmos.

Donnerstag, 8. Mai 2025

Vor 20 Jahren (149): Fürchterliche Feinde

Fluffys aus TIME TROUBLE

Diese Begebenheit habe ich an anderer Stelle schon einmal aufgeschrieben. Aber sie gefällt mir gut genug für eine Wiederholung. Ohnehin muss ich meinen Stoff für diese Rubrik ein bisschen strecken, denn von den vielen Spielen des Jahres 2005 habe ich gerade mal zehn behalten – was für zwölf Teile „Vor 20 Jahren“ arg knapp bemessen ist. Und ja, FÜRCHTERLICHE FEINDE ist ein Spiel von Friedemann Friese aus dem Jahr 2006. Es ist also noch gar nicht 20 Jahre alt. Da es entgegen der Überschrift aber auch nicht um dieses Spiel geht, mag der Anachronismus okay sein. Und, ebenfalls ja, das Bild der vermeintlichen fürchterlichen Feinde stammt von einem ganz anderen Spiel, nämlich TIME TROUBLE (Hans im Glück, 2024). – Das ist schon eine ziemlich wilde Zeitreise hier.

Meine kleine Geschichte spielt in Göttingen auf dem Autor:innentreffen 2005. Da stand ein Autor hinter seinem Pult auf, zeigte mit dem Finger auf mich und rief quer durchs Foyer in meine Richtung, wir seien miteinander verfeindet. Ob ich das wisse? – Äääh … nein. Tatsächlich erfuhr ich von unserem komplizierten Beziehungsstatus gerade erst in diesem Moment. Und dabei hätte ich es eigentlich längst wissen sollen, dachte ich, denn zum Miteinander-verfeindet-Sein gehören doch üblicherweise zwei?

Ich kramte in meinem Gedächtnis, ob ich irgendwann ein Spiel meines sehr überraschend aufgeploppten Feindes schlecht besprochen haben könnte, aber mir fiel keines ein. Mir fiel überhaupt kein Spiel dieses Autors ein, das ich jemals besprochen hatte. Was also wollte der von mir?

Es stellte sich heraus, dass man mich mit einem anderen Kritiker der Fairplay verwechselt hatte. Und dass es um eine Lappalie ging; zudem eine Lappalie aus dem Jahr 2002. Da hatte es auf der Messe in Essen eine nett gemeinte Ausstellung mit den Spielen von Alex Randolph gegeben, und der Fairplay-Autor, der nicht ich war, hatte bemängelt, in der Ausstellung hätte mehr gespielt werden sollen; man erfahre die Randolphschen Werke nicht durch reines Anschauen.

Es lässt sich diskutieren, ob die nett gemeinte Ausstellung überhaupt die Relevanz besitzt, um im Rahmen des Messeberichtes einer Bewertung unterzogen werden zu müssen. Gleichwohl bin ich überrascht, wie sehr die Kritik die Verantwortlichen verletzt hatte, dass sie selbst zweieinhalb Jahre später noch mit mir Unschuldslamm verfeindet sein wollten.

Zurückblickend auf all meine Fairplay-Jahre erinnere ich mich an insgesamt drei Begebenheiten, in denen ich für einen anderen Fairplay-Kritiker gehalten worden war. Und es war immer derselbe – weshalb ich nicht an Zufall glaube. Vermutlich steckten Vorurteile dahinter. Ich hatte damals lange Haare; der andere Fairplay-Autor eckte mit seinen Artikeln gerne mal an. Und offenbar schloss man: Na, so etwas Empörendes schreibt doch sicher nur dieser Fairplay-Bombenleger!


Montag, 5. Mai 2025

Civolution

Civolution: Cover

CIVOLUTION verbraucht so viel Platz, da passt keine Einleitung mehr. Beim besten Willen nicht. (Der mir ohnehin fehlte.)

Wie geht CIVOLUTION? Als werdende Gottheiten führen wir Zivilisationen. Die Zivilisation als solche ist uns egal. Es geht uns um die Punkte, die wir mit ihr erzielen. Denn mit vielen Punkten bestehen wir unsere Abschlussprüfung und gewinnen. (So ähnlich also wie in den meisten Spielen, aber hier wird es endlich mal offen ausgesprochen.)
Unsere Methode ist Würfeleinsatz. Mindestens sechs Würfel besitze ich. Ein Spielzug besteht darin, entweder neu zu würfeln oder zwei Würfel für eine Aktion zu nutzen und damit zu verbrauchen. Die wahnwitzige Grundidee von CIVOLUTION ist nun, dass jede Augenzahl-Kombination für eine andere Aktion steht: eine Eins und eine Vier initiieren „Entdeckung“, eine Eins und eine Fünf benötige ich für „Transport“, eine Vier und eine Fünf für „Handel“. Es gibt schlappe 21 Möglichkeiten, von denen sich 15 auch noch aufwerten lassen, wodurch es diese 15 Aktionen auf Level eins, zwei oder drei gibt.

Civolution: Spielplan

Unsere Figuren erkunden die Welt, finden Rohstoffe, bauen sie ab, vermehren sich, jagen, entdecken besondere Orte, errichten Siedlungen und andere Bauwerke. Gleich mehrere Aktionen drehen sich darum, „Forschungskarten“ zu ziehen oder sie von der Hand auszuspielen, wofür ich teils Bedingungen erfüllen, teils Rohstoffe bezahlen muss. Karten bringen mir dauerhafte Spielvorteile und lassen mich auf Skalen vorrücken. Auf den Skalen wiederum gewinne ich Punkte und beim Überschreiten bestimmter Marken auch schöne Boni.
Ebenso beschäftigen mich „Zielplatinen“. Das sind Zielplättchen, wie man sie auch aus BORA BORA kennt. Die muss ich mir erst besorgen und später erfüllen, wofür ich vielleicht zwei Farmen in bestimmten Gegenden besitzen oder einen vorgegebenen Rohstoff bezahlen muss. Forschungskarten und Zielplatinen geben mir Richtungen vor, was ich erledigen könnte, selbst wenn ich noch keinen großen Plan habe.
CIVOLUTION dauert vier Epochen. In jeder Epoche bringen andere Errungenschaften Punkte, in jeder Epoche tritt ein anderes Ereignis ein und es herrschen andere Wetterbedingungen. So schafft CIVOLUTION Anreize, um nicht immer auf die gleiche Weise zu spielen und dieselben Dinge zu priorisieren. Was ohnehin nicht so leicht möglich wäre, weil man in jeder Partie mit anderen Karten startet, die Landschaften etwas anders angeordnet sind, die Rohstoffe anderswo auftauchen.

Was passiert? Bevor es losgehen kann, gibt es erst mal viel aufzubauen und viel zu erklären. Sehr hilfreich sind dabei die Kompaktübersichten ... die in einem derart monumentalen Spiel dann doch nicht ganz so kompakt sind. Es sind achtseitige Heftchen, fast DIN-A5-groß.

Civolution: Konsole

Aber: Einmal erklärt, ergeben sich nur wenige Fragen. Und in der nächsten Partie weiß man das meiste auch noch oder kann es sich herleiten. Das liegt daran, dass alle Mechanismen inhaltlich logisch und zudem schlüssig miteinander verbunden sind. Es liegt ebenso an den Übersichten. Und es liegt an der Grafik. Alles, was man nur irgendwie mit Symbolen auf den Plänen und dem Material hinterlegen kann, wurde hinterlegt. So hat man beim Spielen neben der Text- auch eine Bild-Absicherung.
Thematisch geschieht in CIVOLUTION nichts, was man nicht schon auch in anderen Zivilisationsspielen erlebt hätte. Zivilisation halt. Auch einen speziellen Mechanismus, der dieses Spiel herausragen lässt, könnte ich nicht nennen. Die Besonderheit von CIVOLUTION ist tatsächlich der Umfang des Spiels.
Dass man in komplexeren Spielen nicht gleich bei der ersten Partie alle Karten kennenlernt, ist normal. In CIVOLUTION aber werde ich auch mehrere der Rohstoffsorten nicht bekommen und sogar einige der möglichen Aktionen nicht ausführen, vielleicht auch in der zweiten Partie nicht, und ganz zu schweigen von den aufgewertenen Aktionen.
Was in anderen Spielen ein Bug wäre (Wozu gibt es Aktionsmöglichkeiten, die nicht genutzt werden?), ist hier ein Feature. Dass ich eine Aktion nicht nutze, bedeutet ja nicht, dass niemand sie nutzt. Oder dass ich sie nicht beim nächsten Mal nutze. CIVOLUTION fühlt sich an wie eine große Spielewelt, in der ich zwangsläufig immer nur einen Ausschnitt bespielen werde. Nach jeder Partie bleibt das Gefühl, noch längst nicht alles entdeckt und erspielt zu haben. Das ist ein schönes Gefühl: ein Versprechen auf mehr, auf weniger offensichtliche Strategien und versteckte Power-Kombinationen.

Civolution: Tableaus

In meiner ersten Partie war ich noch sehr skeptisch. Was insbesondere an den Würfeln lag. Ich erinnere mich an einen Wurf mit acht Würfeln, in dem ich zwei Viererpasche erzielte – und keine einzige der beiden vierfach vorhandenen Zahlen haben wollte. Natürlich gibt es (wie in DIE BURGEN VON BURGUND) Möglichkeiten, Würfelergebnisse zu verändern. Aber gleich acht Würfel zu manipulieren, kann man vergessen. Es fühlt sich schon speziell an, dass der Zufall in einem derart komplexen Spiel so viel Mitsprache hat.
Doch üblicherweise würfelt man ja nicht nur zwei Zahlen. Die Ergebnisse liefern eine Mischung aus Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, mit der man clever umzugehen hat. Wer dabei mehr Kompromisse eingehen muss als andere, ist auf lange Sicht natürlich trotzdem im Nachteil. Der Würfelzufall lässt sich nicht wegreden, aber immerhin sorgt er dafür, dass es nie ganz optimal läuft und dass man wie etwa auch bei DIE BURGEN VON BURGUND selbst aus einer erfolgreichen Partie mit dem Wunsch herausgeht, das Ergebnis noch zu verbessern.

Was taugt es? Sehr gut gefällt mir, wie CIVOLUTION langfristige Pläne und kurzfristige Ziele miteinander verquickt. Ich habe eine klare Leitung, was ich sinnvoll tun könnte. Tragischerweise ist es grundsätzlich mehr, als ich schaffen kann, so dass die Kunst darin besteht, eine realistische Auswahl zu treffen.

Civolution: Karten

Die Aussicht, für die Entdeckung von CIVOLUTION noch viele Partien spielen zu können, gefällt mir. Ich bin gespannt auf Weiteres, an diesem Spiel habe ich mich noch lange nicht abgearbeitet. Tatsächlich mag ich hier auch den Gigantismus, den ich normalerweise nicht mag. Aber in CIVOLUTION kommt er nicht in Form barocker Regelschnörkel daher, die willkürlich angeflanscht wirken. Es passt alles harmonisch zusammen, und deshalb ist es bei allem Gigantismus am Ende auch kompakt.
Wenn ich allein nach dem Spielreiz urteilen würde, wäre ich bei „reizvoll“ gelandet. CIVOLUTION fühlt sich vor allem nach mehr an, weniger nach neu. Zum außerordentlichen Spiel wird CIVOLUTION durch die überragende redaktionelle Leistung. Gerade bei komplexen Spielen hatte ich in jüngster Zeit den Eindruck, dass Verlage ihre Arbeit einfach den Spieler:innen aufladen. Hier nicht. Anleitung, Übersichten, Glossar und Gestaltung von CIVOLUTION sind sowohl fürs Erlernen als auch fürs Nachschlagen herausragend. Ein seltenes Vorbild.


****** außerordentlich

CIVOLUTION von Stefan Feld für eine:n bis vier Spieler:innen, Deep Print Games.

Mittwoch, 30. April 2025

Gern gespielt im April 2025

LIFE OF THE AMAZONIA: Frosch and Chips.

FLIP 7: Gleich und gleich gesellt sich leider nur zu gern.

THE GANG: Poker ohne jeden Bluff.

SHERLOCKS SPÜRNASEN: Hat Sherlock Holmes irgendwelche Fälle eigentlich auch selbst gelöst?

HUTAN: Je mehr Bäume in der Realität sterben, desto mehr Bäume pflanzen wir in Spielen.







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM APRIL:

SKY TEAM TURBULENZEN: Noch schöner als mit Turbulenzen kann das Fliegen wirklich nicht mehr werden.





Samstag, 26. April 2025

Link City

Link City: Cover

Wem erzählt wurde, an diesem Ort sei eine Einleitung geplant, wurde leider gelinkt.

Wie geht LINK CITY? Wir bauen kooperativ eine Stadt. Baumaterial sind 57 beidseitige Ortsplättchen, die „Post“, „Öffentliche Toilette“, „Vinothek“, „Seifen-Manufaktur“, „Katakomben“ heißen. Zu Beginn des Spiels bildet das „Rathaus“ die Mitte der Stadt. Von vier zufälligen Plättchen wird es umgeben.
Das reihum wechselnde Stadtoberhaupt zieht geheim drei Plättchen, um sie irgendwo an die Stadt anzubauen. Unsere Aufgabe als Team ist es, zu erahnen, welche Stellen das Stadtoberhaupt für welches Plättchen wählt. Es kommen immer nur drei Orte in Frage. Denn noch bevor das Stadtoberhaupt seine Plättchen zieht, hat eine andere Spieler:in drei mögliche Bauplätze mit Bauhütchen markiert.
Nachdem das Stadtoberhaupt geheim festgelegt hat, welches Plättchen es wo verbauen möchte, erfahren die anderen, um welche Bauprojekte es überhaupt geht, und diskutieren, ob das Varieté zwischen Busbahnhof und Börse gehört oder ob dort nicht doch der Funkturm besser aufgehoben wäre. Dann müsste das Varieté allerdings zwischen Schule und Börse, was nicht so recht zu passen scheint.

Link City: Situation

Beinahe sicher ist sich die Gruppe indes, dass der Frisör neben die Prunkvilla gehört. Oder doch nicht? Möglicherweise hat sich das Stadtoberhaupt überlegt, bei Unterrichtsausfall lasse man sich gerne frisieren, und die Bewohner:innen der Prunkvilla gehen ins Varieté?
Nach der Auflösung werden alle korrekt erratenen Bauplätze mit den entsprechenden Plättchen bebaut. Alle falsch vermuteten Plättchen kommen in die Peripherie der Stadt, was meist weniger Punkte bringt. Nach sechs Runden gibt ein Score darüber Auskunft, wie gut wir uns geschlagen haben.

Was passiert? Es wird natürlich viel diskutiert. Vor allem thematisch: Was passt wo? Wie würden wir eine Stadt sinnvoll konzipieren? Geschäft neben Geschäft, Verwaltung neben Verwaltung, Lärm neben Gestank und Dreck. Sobald die Stadt wächst, kommen auch räumliche Aspekte hinzu: Was soll in Zentrumsnähe, was an den Rand? Und oft bemühen wir auch Klischees: Wie stellen wir uns die Zielgruppe eines Yogastudios vor, und was bauen wir infolgedessen nebenan?
LINK CITY enthält neben typischen Stadtgebäuden auch einige Exoten (Brettspiel-Café) bis hin zu Nonsens (Superhelden-Hauptquartier), wodurch hin und wieder mit mehr Witz und Fantasie argumentiert wird.

Link City: Lösung

Jedoch: Oft genug stehen die Hütchen leider gar nicht da, wo das Oberhaupt eines seiner Plättchen anlegen möchte; keines passt wirklich überzeugend. Oder es gibt ebenso gute Argumente für die eine wie für die andere Wahl. Und dann entscheidet es sich mehr oder weniger zufällig und die Gruppe entscheidet auch zufällig. Und es ist reine Glückssache, ob das übereinstimmt, und fühlt sich nicht gut an, vor allem nicht bei einer kompletten Nullrunde.
LINK CITY ist betont einfach gehalten. Deshalb gibt es in solchen Flop-Situationen auch keinen Mechanismus, der noch irgendwas retten könnte. Es ist dann eben so, und man kann nur hoffen, dass es in der nächsten Runde besser passt. Unglücklich finde ich auch, dass, wenn man ohnehin schon rät, ein Fehler gleich den nächsten nach sich zieht. Sobald wir ein Plättchen falsch zugeordnet haben, haben wir automatisch noch mindestens ein anderes Plättchen falsch.

Was taugt es? Die Spielidee gefällt mir aufgrund ihrer thematischen Originalität gut. Über Städtebau habe mich noch nicht so oft mit anderen Spieler:innen verständigen müssen. Ich hatte deshalb schon unterhaltsame, interessante und belohnende Erlebnisse mit LINK CITY. Auf der Meta-Ebene erfährt man auch, wie andere aus der Gruppe denken.

Link City: Plättchen

Jedoch liefert LINK CITY diese Erlebnisse nicht zuverlässig. Der Anteil der enttäuschenden und belanglosen, sogar öden Partien war hoch, und ich habe nicht den Eindruck, dass da jeweils nur die falsche Gruppe zusammengekommen war oder dass man mit mehr Übung signifikant bessere Spielerlebnisse hätte. Die starken Schwankungen sind mechanismenbedingt.
Auch grafisch kann LINK CITY nicht an den Tisch locken. Die schmucklose Gestaltung ist zwar funktional, also keinesfalls schlecht. Aber sie ist eben auch weit davon entfernt, einen zusätzlichen Reiz auszuüben oder zusätzliche Freude am Thema zu vermitteln.


*** mäßig

LINK CITY von Émilien Alquier für zwei bis sechs Spieler:innen, Bandjo.

Dienstag, 22. April 2025

Agent Avenue

Agent Avenue: Cover

Dies ist eine Einleitung. Oder ist es ein Bluff?

Wie geht AGENT AVENUE? Wir verfolgen einander auf einem Rundparcours. Wer sieben Schritte auf die gegnerische Figur gutmacht und die Figur damit einholt, gewinnt die Partie. Schritte gewinne oder verliere ich durch Agenten-Karten. Meine erste „Doppelagentin“ etwa führt dazu, dass ich einen Schritt rückwärtsgehen muss. Die zweite Doppelagentin bringt mich sechs Schritte vorwärts, die dritte und jede weitere wieder einen zurück.
Jede Runde erhalte ich eine Karte. Entweder bin ich der Anbieter. Dann wähle ich zwei meiner vier Handkarten, es müssen verschiedene sein, lege eine offen und eine verdeckt. Mein Gegenüber wählt zuerst aus, und ich muss nehmen, was übrigbleibt. Beim nächsten Mal legt mein Gegenüber aus und ich habe die erste Wahl.

Agent Avenue: Doppelagentin

AGENT AVENUE kann schon nach wenigen Zügen vorbei sein, längstenfalls spielen wir, bis die 38 Karten aufgebraucht sind.

Was passiert? AGENT AVENUE ist ein Bluffspiel. Der Reiz entsteht aus der Spannung, ob ein Bluff aufgeht, und aus der Freude, die Spielpartner:in hereinzulegen. Vielleicht lege ich eine attraktive Karte offen aus, und mein Gegenüber nimmt die verdeckte in der Annahme, sie müsse noch toller sein. Aber: Höhö, ist sie gar nicht. Oder die offene Karte ist mies, aber mein Gegnerüber nimmt sie trotzdem, weil ich doch sicher nicht so dermaßen plump eine gute Karte verdeckt durchschleusen werde. Höhö, genau das mache ich aber.
Umgekehrt versuche ich, das Minenspiel meiner Mitspieler:in zu lesen und das Level ihrer Dreistigkeit abzuschätzen. Ist jemand vorsichtig und bietet zwei etwa gleichgute Karten an? Oder wird da gezockt?

Agent Avenue: Spielplan

Im Bestfall entscheidet auch gar nicht mehr die Psychologie. Sondern ich kann eine Zwickmühle aufbauen. Einige Agenten-Karten schaffen Zwänge jenseits des Laufparcours. Der dritte „Draufgänger“ führt zur sofortigen Niederlage, die dritte „Codeknackerin“ zum sofortigen Sieg. Kann ich eine Codeknackerin anbieten, die meine dritte wäre, und dazu eine Karte, mit der ich meine Mitspieler:in einhole, gewinne ich in jedem Fall.

Was taugt es? AGENT AVENUE ist sehr schön für eine schnelle spannende Runde zwischendurch. Oft werden auch gleich mehrere Runden daraus, weil man eine Niederlage nicht auf sich sitzen lassen möchte.
Dass eine Person teilt und die andere wählt, ist nichts Neues. Die Verbindung mit einem Laufparcours aber verdichtet den Mechanismus sehr gut auf das Wesentliche. AGENT AVENUE ist klar und wunderbar schlank und kommt mit gerade mal acht verschiedenen Agenten-Karten aus. Deren Fähigkeiten sind sehr gut abgestimmt.

Agent Avenue: Karten für Fortgeschrittene

Die Kehrseite der Verschlankung: Man hat bald alles erlebt, was es zu erleben gibt. Die Verläufe wiederholen sich. Aus gutem Grund enthält AGENT AVENUE noch 15 weitere (spaßig illustrierte) Karten für Fortgeschrittene. Davon gewinne ich eine, wenn ich auf einem der vier Eckfelder der Laufstrecke lande. Manche bringen Sofort-, andere Dauereffekte wie „Wenn du sieben unterschiedliche Agenten im Spielbereich hast, gewinnst du das Spiel“ oder „Wenn du genau auf einem der beiden Startfelder ankommst, gehe drei Schritte nach vorne“. So erhöht sich die Zahl der Dinge, die man beachten muss, und die Zahl der Fallen, in die man tappen kann.
Mit kleinen Anpassungen lässt sich AGENT AVENUE auch gut und problemlos zu dritt oder zu viert spielen. Auch dies variiert das Spiel noch mal.
So gelungen ich AGENT AVENUE finde: Nicht allen Mitspieler:innen hat es gefallen. Manche mögen das wiederholte Bluffen schlichtweg nicht. AGENT AVENUE hat davon profitiert, dass ich es mit vielen verschiedenen Personen ausprobieren konnte und mich deshalb auf verschiedene Spielweisen einstellen musste. Dass ich es im Dauereinsatz mit derselben Person spielen wollen würde, glaube ich eher nicht. Es ist sehr konfrontativ und somit nicht das typische Wohlfühlspiel für Wochenende oder Urlaub.


***** reizvoll

AGENT AVENUE von Christian Kudahl und Laura Kudahl für zwei Spieler:innen, Nerdlab.

Freitag, 18. April 2025

Perspectives

Perspectives: Cover

Aus meiner Perspektive sehe ich eine Einleitung.

Wie geht PERSPECTIVES? In PERSPECTIVES rekonstruieren und lösen wir Krimimalgeschichten anhand von Bildern. Jede PERSPEKTIVES-Box enthält drei Fälle. Jeder ist in drei Akte gegliedert (plus einen vierten als Epilog). In jedem der drei ersten Akte kommen zwölf Bildkarten ins Spiel. Die teilen wir reihum unter allen Spieler:innen auf. Jede:r darf und sollte den anderen beschreiben, was auf den eigenen Bildern zu sehen ist. Zeigen dürfen wir uns die Karten nicht. Mit einer Ausnahme: Pro Akt dürfen wir ein Bild für alle sichtbar in die Mitte legen.

Perspectives: Akte

Am Ende des Aktes sollen wir alle Bilder verdeckt beiseite legen und eine Frage beantworten wie „An welchem Tag wurde das Original durch die Fälschung ersetzt?“ oder „Wer reichte Steve das tödliche Getränk?“ sowie jeweils drei weitere Fragen, die wir vorab nicht kennen.

Was passiert? Es wird sehr viel geredet. Muss ja. Je nach Mitteilungsdrang preschen manche Spieler:innen vor und beschreiben haarklein und hintereinanderweg jedes ihrer Bilder. Andere halten sich eher zurück und warten, bis ein Stichwort fällt, zu dem sie etwas beitragen möchten. Manchmal ziehen sie sich die Beschreibungen in die Länge und drehen sich im Kreis, weil die Gruppe der Lösung nicht näherkommt. Mitunter hat man mittlerweile auch längst vergessen, was irgendwer vor vielen Minuten gesagt hat.
Gelegentlich gibt es aber auch ganz tolle Momente: Irgendwer entdeckt auf einer Karte ein Detail, das zunächst nicht so ins Auge gefallen war. Und diese Beobachtung erweist sich als der Schlüssel, um noch mehr solcher Details zu finden, die sich wie ein Puzzle schließlich zu einer perfekten Lösung verbinden. Dann freut man sich, die nötige Geduld gehabt zu haben, während man in anderen Partien vielleicht feststellt, dass man aus Angst vor den drei unbekannten Fragen viel zu lange diskutiert hat, obwohl man längst alles Nötige wusste.
Die zusätzlichen Fragen sind nämlich keine fiesen Querfragen wie „Wie viele Eichhörnchen waren in den Bildern versteckt?“, sondern überwiegend Hinführungen zur Lösung. Es ist sogar vorgekommen, dass wir erst anhand der Zusatzfragen auf die richtige Lösung gekommen sind, während das, was wir uns vorher überlegt hatten, falsch oder zu ungenau gewesen wäre.


Perspectives: Fälle

Was taugt es? Das Konzept der PERSPECTIVES-Reihe gefällt mir gut, und sollte noch eine dritte Box erscheinen, wäre ich gespannt, die Fälle zu spielen. Dass niemand Vollinformation besitzt und es auf jede einzelne Karte ankommen kann, bindet alle am Tisch ein. Eine Partie erfordert Geduld und die Bereitschaft, anderen zuzuhören. Alle Akte eines Falles am Stück zu spielen, kann länger als zwei Stunden dauern und sehr anstrengend werden.
Die einzelnen Geschichten sind in meinen Runden unterschiedlich angekommen. Die Neigung, einen Fall gut zu finden, ist nach meiner Beobachtung signifikant höher, wenn man alle Fragen beantworten konnte. Weshalb ich mir nicht sicher bin, ob es „objektiv“ gelungenere und weniger gelungene Fälle gibt oder ob nicht eher Gruppenzusammensetzung, Tagesform, thematische Vorlieben usw. entscheiden.
Ich war immer dann unzufrieden, wenn ich (selbst bei korrekter Antwort) eine Auflösung unrealistisch und hergeholt fand, wenn mir die Aufgabenstellung nicht präzise genug vorkam und wenn jemand in den Bildern nicht das erkennen konnte, was hätte erkannt werden sollen, weil die Zeichnung an entscheidender Stelle nicht klar genug war.

Perspectives: Karten

So etwas kam in beiden Boxen vor, weshalb ich keine der PERSPECTIVES-Ausgaben klar besser finde als die andere. Am hellblauen PERSPECTIVES gefällt mir, wie die Grafik mit den Themen harmoniert. Etwa ist der im Jahr 1207 in einer Abtei spielende Fall „Der Teufel im Detail“ im Stil von Federkielzeichnungen illustriert. Die blaue Box geht obendrein mehr in Richtung Rätsellösung statt Deduktion; ich empfinde sie als komplexer.


**** solide

PERSPECTIVES von Dave Neale und Matthew Dunstan für zwei bis sechs Spieler:innen, Space Cowboys.

Montag, 14. April 2025

Vor 20 Jahren (148): Manila

Karten aus LUDOVIEL

MANILA (von Franz-Benno Delonge bei Zoch) ist ein Zockspiel. Wir wetten unter anderem auf den Einlauf von Schiffen im Hafen. Zwischendurch werden die Schiffe mehrfach per Würfelwurf voranbewegt. Unter Berücksichtigung der veränderten Spielsituation platzieren wir immer weitere Wetten. Man kann sich das so ähnlich wie bei CAMEL UP vorstellen (ohne dass beide Spiele allzu viel gemeinsam haben).

MANILA war einer der Mitfavoriten für die Wahl zum Spiel des Jahres 2005. Allerdings nur bis zu jenem Tag, als die Jury Spiel des Jahres ihre Nominierungen und Empfehlungen verkündete: MANILA war nicht dabei. In beiden Fällen. Für den Zoch-Verlag wird das am Ende nicht zu sehr enttäuschend gewesen sein; sie gewannen den Preis trotzdem. Nur eben mit NIAGARA.

Für den Autor war es enttäuschend. Zwar waren die MANILA-Rezensionen eher gemischt ausgefallen, aber beim Spiel-des-Jahres-Tippspiel im damals noch sehr relevanten spielbox-Forum wurde MANILA als heißer Kandidat gehandelt. Auch diverse Nominierungen für Spielepreise in anderen Ländern (Frankreich, Niederlande, Japan, USA usw.) und der dritte Platz beim Deutschen Spielepreis 2005 zeugten von der Beliebtheit des Spiels.

Franz-Benno Delonge schrieb in den Nuller-Jahren regelmäßig Beiträge im spielbox-Forum. Nur Nebenbemerkungen lassen erahnen, welche Hoffnungen er sich mit MANILA gemacht hatte. Als etwa der Autor Bruno Faidutti MANILA zu einem seiner drei Lieblingsspiele 2005 erklärt hatte, dankte Delonge ihm und schrieb: „Das baut einen dann doch wieder auf.“

Ich möchte da nicht in der Haut von Autor:innen stecken. Natürlich giert man nach Feedback und Bestätigung und fiebert mit dem eigenen Spiel mit. Und gewiss freut man sich sehr, wenn das eigene Spiel in sozialen Medien gelobt und in Tipp-Spielen genannt wird. Aber Tipp-Spiele sind eben nur Tipp-Spiele. Viele, die da mittippen, haben ganz sicher nicht den kompletten Jahrgang durchgespielt. Und es sind Tipp-Spiele in einer Bubble, die sich gegenseitig bestärkt. Manche kannten MANILA vermutlich gar nicht und tippten nach Hörensagen. Und warum auch nicht? Es ist ja nur ein Tippspiel. Eine Spielerei. Eine Spekulation, so wie man auch mit Waren und Schiffen in MANILA spekuliert. Und am Ende vielleicht danebenliegt.

Direkt zur Jury-Entscheidung äußerte sich Delonge nicht. Ich würde sagen: klugerweise nicht. Dass Autor:innen Kritiker:innen und Jury-Mitglieder öffentlich kritisieren, erlebt man nur selten. Vermutlich, weil die Autor:innen annehmen, dass es nicht souverän wirkt oder gegen sie verwendet werden kann oder zwecklos ist oder alles drei zusammen. Außerdem würdigt es die anderen Spiele herab, wenn man behauptet, das eigene sei besser.

War MANILA besser? Ich weiß es nicht. MANILA war für meine Begriffe das deutlich rundere Spiel, NIAGARA glänzte dagegen durch Material und Aufforderungscharakter. Im Rückblick weiß man, dass NIAGARA sich nicht zu einem modernen Klassiker entwickelt hat. Das hätte ich aber auch MANILA nicht zugetraut.


Donnerstag, 10. April 2025

The Gang

The Gang: Cover

Eine gute Einleitung ist wie ein Royal Flush. Und ähnlich selten.

Wie geht THE GANG? Wir spielen Texas Hold’em Poker. Allerdings kooperativ.
Jede:r bekommt zwei geheime Karten zugeteilt. Fünf weitere (nach und nach werden sie aufgedeckt) liegen in der Tischmitte. Mit fünf der insgesamt sieben für mich sichtbaren Karten bilde ich die bestmögliche Pokerkombination („Höchste Einzelkarte“, „Paar“, „Zwei Paare“, „Drilling“, „Straße“ etc.).
THE GANG verlangt von uns, dass wir unsere Kombination im Verhältnis zu den Kombinationen der anderen Spieler:innen richtig einschätzen. Mit Sternen-Chips signalisieren wir, für wie gut wir unser Blatt halten. Im Spiel zu viert sollte die Person mit der höchsten Kombination am Schluss den roten Chip mit vier Sternen besitzen, die Person mit der zweithöchsten Kombination den roten Drei-Sterne-Chip. Und so weiter.
Chips werden viermal im Spiel vergeben: zuerst weiße Chips, noch bevor eine Karte in der Mitte aufgedeckt wurde. Wer seine zwei Handkarten für aussichtsreich hält, nimmt sich einen Chip mit vielen Sternen. Jemand mit wenig Hoffnung nimmt sich die Eins. Wir dürfen uns Chips gegenseitig wegnehmen. Auch mehrmals. Die Verteilung endet, sobald alle einen Chip haben.
Jetzt decken wir drei Karten in der Mitte auf und rangeln in derselben Weise um gelbe Chips, dann nach einer weiteren offenen Karte um orangefarbene und schließlich nach der fünften Gemeinschaftskarte um die roten. Die Chips der ersten drei Farben dienen nur der Orientierung, die roten entscheiden. Wir decken unsere Blätter auf und gucken, ob es passt.
Gewinnen wir auf diese Weise drei Runden, gewinnen wir die Partie. Geht es dreimal schief, verlieren wir.


The Gang: Situation

Was passiert? Eine Gruppe muss sich erst einspielen, denn was man hier einigermaßen sinnvoll machen könnte, ist nicht so offensichtlich. Einstiegsprobleme kann auch bereiten, dass Poker-Unerfahrene ein Paar als äußerst schwache Kombination ansehen. Tatsächlich ist ein Paar gar nicht so selten das Rundenhöchste.
Wann immer sich mein Blatt durch das Aufdecken von Karten in der Tischmitte verbessert, sollte ich das anzeigen, indem ich mir einen höheren Chip nehme als in den Vorrunden. Genauso sollte ich beobachten, ob andere Spieler:innen das ebenfalls tun, und daraus Rückschlüsse ziehen. Geschieht es bei der vierten oder fünften aufgedeckten Karte, ist klar, dass genau diese Karte der Auslöser gewesen sein muss.
Geschieht es bei den ersten drei Karten, ist die Lage unklarer. Üblicherweise orientiert man sich an Wahrscheinlichkeiten. Wurden eine Vier, eine Fünf und eine Dame aufgedeckt, und die Dame beschert mir ein Paar; und eine andere Person, die vorher mit mir um den kleinsten Chip gerungen hat, streitet plötzlich mit mir um den höchsten (vermutlich weil sie jetzt ebenfalls ein Paar hat), würde ich erst mal davon ausgehen, dass der höchste Chip mir zusteht. Denn ein Damen-Paar ist höher als ein Vierer- oder Fünfer-Paar.
Natürlich ist nicht auszuschließen, dass auch die andere Person ein Damen-Paar hat. Dann tauschen wir vielleicht noch sehr lange die Chips. Was einerseits ein bisschen nervt, andererseits aber mehr Informationen liefert, als wenn jemand sofort aufgibt nach dem Motto: Wenn du den Chip haben willst, dann nimm ihn halt. Musst du ja wissen.
Nein. Man weiß es eben nicht. Wissen entsteht erst, indem wir mittels der Chips interagieren. Das erfordert, dass alle mit Ehrgeiz dabei sind, dass alle mitdenken und sich trauen, Entscheidungen zu treffen, aber auch Einschätzungen wieder zu revidieren.

Was taugt es? THE GANG ist in kleiner Runde einfach und in großer Runde sehr schwer. Deshalb habe ich in großen Gruppen schon viel Ratlosigkeit erlebt, wie man das schaffen soll und wozu. THE GANG macht nicht in jeder Gruppenzusammensetzung Spaß. Man braucht schon eine eingeschworene … ja: Gang.
Thematisch ist THE GANG im Bandenmilieu angesiedelt. Wir knacken Tresore. Auch wenn Tresore üblicherweise Nummernkombinationen haben, erscheint mir die Verbindung zwischen Thema und Mechanik nicht so ganz schlüssig. Sie stört aber auch nicht.

The Gang: Karten

Gelungen finde ich, wie das Spiel abwechslungsreich gehalten und an die Gruppe angepasst werden kann. Dafür gibt es je zehn Spezialisten- und Challenge-Karten, die sich auf verschiedene Weise ins Spiel einbinden lassen und kleine Regeländerungen initiieren, entweder als Bonus oder als Handicap.
Auch wenn es nicht ganz leicht ist, für THE GANG eine geeignete Spielerunde zu finden: Sobald diese beisammen ist, kann man sich an THE GANG regelrecht festbeißen. Die Regelmenge ist überschaubar, die Aufgabe trotzdem herausfordernd. Nach und nach lernt die Gruppe dazu, spielt sich aufeinander ein und kann dann auch Nuancen erfolgreich kommunizieren. Und auch wenn THE GANG an Poker angelehnt ist: Es ist nicht Poker, es ist neu und originell. Denn bluffen sollen wir hier nicht. Ganz im Gegenteil.


***** reizvoll

THE GANG von John Cooper und Kory Heath für drei bis sechs Spieler:innen, Kosmos.

Mittwoch, 2. April 2025

Für die Krone

Für die Krone: Cover

Ich hatte extra angekündigt, es ist die letzte Einleitung, die ich noch habe. Aber sie wurde mir trotzdem weggenommen.

Wie geht FÜR DIE KRONE? FÜR DIE KRONE ist ein Spiel rund ums Wegnehmen. Der Titel besagt nicht etwa, an welche Instanz die vielen geraubten Rubine gehen. Sondern warum wir rauben: Weil wir die Krone wollen! Dafür ist natürlich jedes Mittel recht. Wer von den 20 Start-Rubinen am Schluss die meisten übrig hat, gewinnt. Unseren Besitz halten wir während des Spiels geheim.
Der Hauptmechanismus ist Gemeinschafts-Deckbuilding. In der Startrunde kaufe ich zwei, in allen anderen Runden eine Karte. Sie und die Karten der anderen Spieler:innen werden mit Ereigniskarten zusammengemischt und dann eine nach der anderen aufgedeckt. Kommt meine Karte zum Vorschein (dass es meine ist, erkenne ich an der farblich markierten Kartenhülle), führe ich ihre Aktion aus.
Vielleicht darf ich mir jetzt einen Rubin nehmen oder eine Münze, vielleicht auch zwei. Darf mich auf der Reihenfolge-Skala nach vorne schieben oder wen anderes zurück. Oder ich darf bestimmen, wer einen Rubin abzugeben hat. Oder wer Waschbären-Marker bekommt. Oder darf den Würfel werfen, der dann anzeigt, was passiert.
Ereigniskarten verfügen, dass die Person mit den meisten Waschbären zwei Rubine verliert (und die Waschbären auch) oder dass alle eine Rubin-Strafe zahlen, sofern sie auf der Reihenfolge-Skala nicht auf den vordersten Feldern stehen. Oder … oder …
Meine Kartenkäufe bezahle ich mit Geld. Habe ich nicht genug Geld, muss ich mit Rubinen zahlen. Der Kartenmarkt ist vorsortiert. Stärkere Karten kosten mehr. Im Laufe der vier Spielrunden werden sämtliche Karten immer billiger.


Für die Krone: Markt

Was passiert? Diesen Markt-Mechanismus empfinde ich als das Beste des gesamten Spiels. Er gewährleistet, dass die stärkeren Effekte einerseits nicht zu früh, andererseits aber rechtzeitig zum Finale auftauchen. Das hilft der Dramaturgie; das Spiel kann bis zum Schluss spannend bleiben.
Zumindest in der Theorie erlaubt der Mechanismus auch die Abwägung, ob ich für viel Geld bewusst eine starke Karte kaufe, um ihren Effekt noch in möglichst vielen Runden nutzen zu können, so dass sich die Investition langfristig rechnet. In der Praxis klappt das aber eher nicht. Im Gegenteil macht, wer stärkere Karten kauft, sich sofort verdächtig und wird zum Feind auserkoren. Dass die Karte sehr teuer gekauft wurde, spielte da keine Rolle.
Womit ich zum Schlechtesten von FÜR DIE KRONE komme: Das Spiel ist komplett destruktiv. Von Anfang bis Ende geht es nur darum, anderen zu schaden und selber möglichst verschont zu bleiben. In einer emotionslosen Runde, wo nüchtern abgewogen wird, wer gerade führt, mag der Verlust alle gleichermaßen treffen. Ich habe das aber nicht so erlebt.
Im Gegenteil entscheiden teilweise außerspielerische Dinge (wer immer gleich heult, wird eher verschont; wer sonst immer gewinnt oder wen man ärgern will, kriegt eins drauf), teilweise entwickeln sich innerhalb der Partie Privatduelle. A hat B etwas weggenommen, also nimmt B nun A etwas weg. Und dann wieder A B und B wieder A, obwohl ziemlich wahrscheinlich C in Führung liegt.

Für die Krone: Truhe mit Erbstück

Es gibt einen kleinen Schutzmechanismus: das „Erbstück“. Das ist ein Riesenrubin im Wert von zehn. Habe ich die Hälfte meiner Rubine verloren und muss das Erbstück einlösen, sage ich das an, und werde nun eventuell ein wenig verschont. Na ja … oder auch nicht.
Man kann das lustig finden, und tatsächlich kenne ich auch Spieler:innen, die unter „Interaktion“ hauptsächlich „Aggression“ verstehen. Ich finde das nicht lustig. Auch nicht, wenn es gleichmäßig und „gerecht“ zugeht. Es ist nichts, was mir Spaß macht, weder als Täter noch als Opfer. Um FÜR DIE KRONE erfolgreich zu spielen, muss ich reinreden, hetzen, manipulieren, instrumentalisieren – also genau das, was ich verabscheue.
Vielleicht bin ich da übersensibel, aber für mich ist die Lehre aus FÜR DIE KRONE: Es geht nur ums Gewinnen, und wie du das machst, ist egal. Gewinnen ist hier nicht die kleine Extrabelohnung nach einer gemeinsamen belohnenden Tätigkeit. Denn unsere Tätigkeit ist ja nicht belohnend. Der Weg ist hier absolut nicht das Ziel.

Was taugt es? Ich mag FÜR DIE KRONE trotzdem nicht „misslungen“ nennen. Es soll so sein, wie es ist. In dem, was es will, ist es weitgehend gelungen. Es entspricht nur absolut nicht meinem Geschmack und dem, was ich in Spielen suche.
Objektiv misslungen sind indes die Kartenhüllen. Sie reißen schnell ein. Zwar liegen einige Ersatzhüllen bei. Aber wollte ich FÜR DIE KRONE intensiv weiterspielen, gingen mir irgendwann die Hüllen aus.
Die Aufmachung von FÜR DIE KRONE hat in meinen öffentlichen Spielerunden schon einige Leute in die Irre geführt. Obwohl etwas schrill, sehen die Comicfiguren nicht direkt boshaft aus. Man denkt, das Spiel könne nett sein. Es ist jedoch das Gegenteil von nett.


*** mäßig

FÜR DIE KRONE von Maxime Rambourg für drei bis fünf Spieler:innen, Repos Production.

Montag, 31. März 2025

Gern gespielt im März 2025

CITIES: Keine der Städte, die wir bauen, heißt Hannover. Aber alle sehen so aus.

SLAY THE SPIRE – DAS BRETTSPIEL: Vielleicht ist dies das Ermutigende all dieser Monsterprügeleien: Anders als in der Realität geht es nicht bloß gegen Handlanger und kleine Fische. Am Ende erwischt es auch den Boss.

SKIZZ IT: Da meine Drei-Sekunden-Skizzen qualitativ kaum schlechter sind als meine Drei-Stunden-Werke, müsste ich eigentlich gute Gewinnchancen haben. Nur hat sich die schöne Prognose bislang leider nicht bewahrheitet.

SKULL QUEEN: Immer wieder plankes Entsetzen.

PYRAMIDO – VERSCHOLLENE SCHÄTZE: Die verschollenen Schätze, von denen Titel und Anleitung blumig schwärmen („Legenden berichten von kostbaren Edelsteinen … in labyrinthartigen Gängen … mit nichts als einer improvisierten Karte … in die düsteren Tiefen der Pyramiden … bla, bla), sind anscheinend so sehr verschollen, dass wir uns gar nicht erst auf die Suche machen und lieber eine neue Pyramide bauen.


UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM MÄRZ:

CIVOLUTION: Nicht mal DOMINION mit seinen unzähligen Erweiterungen hat derartige Folgekosten verursacht. Um CIVOLUTION spielen zu können, musste ich extra einen Koloss von einem Tisch anschaffen. Wanddurchbrüche konnten gerade noch vermieden werden.


Dienstag, 25. März 2025

Fischen

Fischen: Cover

Einleitungen sind für mich eine – wie sagt man? – Fischen impossible.

Wie geht FISCHEN? FISCHEN ist ein Stichspiel über acht Runden. Die erste Runde ist völlig konventionell. Wer die höchste Karte der angespielten Farbe legt, gewinnt den Stich. Man bedient, man wirft ab. Trumpf gibt es erst ab Runde zwei.
Alle gewonnenen Karten sammle ich auf meiner Ablage. Jede Karte zählt einen Punkt. Und diese Karten bilden für die Zukunft mein Deck: Ich mische und staple sie und ziehe von oben die benötigten Karten für die nächste Runde. Enthält mein Deck nicht genug Karten, erhalte ich die fehlenden vom vorsortierten „Meeresstapel“. Darin befinden sich höhere Werte, Trümpfe und Sonderkarten. Je weiter wir den Meeresstapel abtragen, desto stärker die Karten.

Fischen: gesammelte Stiche und Deck

Sammle ich nur wenige Stiche und damit nur wenige Punkte, erhalte ich also Karten, die tendenziell besser sind als das, was sich bislang im Spiel befindet. Üblicherweise befähigen mich diese Karten, jetzt deutlich mehr Punkte zu sammeln – allerdings mit dem Haken, dass mein Deck wieder dicker wird und nun andere Spieler:innen Kartengeschenke erhalten und mich bald wieder übertrumpfen werden.

Was passiert? Eine Partie FISCHEN ist ein Auf und Ab aus punkteträchtigen und weniger punkteträchtigen Phasen. Niemand wird abgehängt, niemand eilt davon. Teilweise ist es auch ein Stichvermeidungsspiel. Einen Stich mit lauter Luschen sacke ich trotz billiger Punkte nicht gedankenlos ein, weil ich weiß, dass diese Luschen in mein Deck und damit auch in meine zukünftige Kartenhand wandern.

Fischen: Karten

Das Spielprinzip ist unterhaltsam. Wenn ich Karten nachbekomme, kann ich mich darauf freuen, etwas Besonderes zu ergattern, womit ich die anderen überraschen werde. Allerdings kann es auch Enttäuschungen geben. Da habe ich die Trumpf-Sechs gezogen und denke: „Cool!“ Und dann hat irgendwer tatsächlich die Trumpf-Sieben, und ich bekomme den Stich doch nicht, und die andere Person hat nun Sechs und Sieben im Deck.
Oder ich ziehe gar keinen Trumpf, sondern nur irgendwelche mittelmäßigen Sonderkarten. In meinen Runden wussten mehrere Spieler:innen mit manchen Sonderkarten nicht viel anzufangen. Sie wurden nicht als Verstärkung des Blattes empfunden.
Die Unterhaltsamkeit von FISCHEN bedeutet auch eine gewisse Unplanbarkeit: Ich weiß nicht, welche Karten neu ins Spiel gekommen sind. Ich weiß auch nicht, welche Karten auf den Händen sind und welche noch irgendwo in den Decks schlummern. Zielgerichtetes Spielen wird erschwert. Menschen, die bei Stichspielen gerne alle Karten mitzählen, können das bei FISCHEN nicht.


Fischen: Karten

Was taugt es? Nach meinem Verständnis ist FISCHEN ein Stichspiel, das sein Genre nicht allzu ernst nimmt. Es bricht mit Stichspiel-Prinzipien, indem erstens nur ein Teil aller Karten im Spiel ist und zweitens im Laufe der acht Runden eine Inflationierung stattfindet, die die ursprünglichen Karten immer mehr abwertet.
Das fühlt sich frisch und ungewöhnlich an, ich mag die Idee – dennoch hat sich das Spiel für mich nicht als Dauerbrenner erwiesen. FISCHEN ist nicht Fisch, nicht Fleisch, es ist irgendwas dazwischen. Es ist einerseits nicht so eindeutig ernst: Ich erlebe mich in den Wellenbewegungen und Aufs und Abs mehr als mitgespült und weniger als aus eigener Kraft schwimmend. FISCHEN ist andererseits aber auch nicht so eindeutig lustig, dass ich mich wie in einem Fun-Spiel einfach treiben lassen wollte.
Klar, ein Spiel muss nicht in eine Kategorie passen. Es sollte erst mal so genommen werden, wie es ist. Allerdings: Wenn ich auswähle, was ich spielen möchte, dann geht es um die Frage, was ich mir von dem Spiel verspreche. Welchen Reiz es ausüben soll. Und wenn ich das auch nach mehreren Partien nicht so genau fassen kann, wähle ich das Spiel trotz Originalität eher nicht.


**** solide

FISCHEN von Friedemann Friese für drei bis fünf Spieler:innen, 2F.