Wenn bei Familienfesten einige der Erwachsenen zu uns ins Kinderzimmer kamen und mitspielten, schätzten wir Kinder dies sehr. Unser absoluter Liebling war die Frau meines 16 Jahre älteren Cousins. Die blieb sogar so lange im Kinderzimmer, bis die anderen Erwachsenen zu murren anfingen.
Damals machte ich mir keine Gedanken darüber. Die war eben einfach nett. Erst im Nachhinein wurde mir einiges klarer: Wie unattraktiv muss es für die ungefähr 25-Jährige gewesen sein, Ostern und Weihnachten mit den Schwiegereltern bei Leuten zu verbringen, mit denen sie selber überhaupt nicht verwandt war! - Grauenvoll! 70er Jahre!!!
Die einzig denkbaren Auswege waren Scheidung, Zyankali oder eben Kinderzimmer. (Übrigens lief es dann in den 80ern auf die Scheidung hinaus.)
Aber eigentlich geht es hier um meinen Cousin, der sowohl gerne mit den anderen Erwachsenen abhing als auch gerne mit mir spielte. Er hatte eine Vorliebe für Spiele mit Militär. Und ich auch. Schließlich war ich ein Junge!
Einmal stellten wir auf dem Wohnzimmertisch meine gesamten Plastiksoldaten auf, und mit einem Gummiring und einer Portion Genie improvisierte mein Cousin ein paar Regeln. Schon war das beste Geschicklichkeitsspiel der Welt erfunden, bei dem wir uns gegenseitig unsere Armeen abballerten.
Leider mussten wir nach einer Partie schon wieder aufhören. Bloß weil den anderen Erwachsenen ab und zu ein paar Soldaten um die Ohren flogen, fühlten sie sich beim Kuchenessen gestört oder irgendwie in ihren Feiertagsgefühlen verletzt.
Aber es gab ja noch andere Spiele. Mein Cousin brachte mir PANZERSCHLACHT und STRATEGO bei. Beide fand ich superspannend, weil so viele Informationen geheim waren. Bei STRATEGO wusste man nicht, wo die gegnerische Fahne stand und wo die Bomben, wer der Feldmarschall war und wer der Spion. Bei PANZERSCHLACHT verminte man vor dem Gegnerzug das Gelände. Hielt der andere mit seinem Panzer auf einem verminten Feld, dann: bumms!
Weil ich damals so häufig mit Älteren spielte, musste ich mir, um zu bestehen, schon äußerst gerissene Sachen einfallen lassen. Bei STRATEGO mauerte ich hinter zwei Bomben in einem Eck meinen General ein, die zweithöchste Figur. Und ich freute mich wie ein Schneekönig, als mein Cousin auf den Bluff hereinfiel, und die Fahne erwartend mit seinem Minör heranzog. Triumphierend fegte ich den Spielstein vom Brett, hahaha! – Das war wie ein kleiner Sieg.
... Auch wenn es für den großen am Ende mal wieder nicht reichte. In der Nachbesprechung erfuhr ich, das sei ein wirklich gelungener Trick gewesen, Kompliment, aber eine schwächere Einheit hätte für denselben Zweck völlig ausgereicht. Der Unteroffizier zum Beispiel. - Hm, das leuchtete mir leider ein und schon fand ich meinen Bluff nicht mehr ganz so genial...
Mit älteren Cousins zu spielen war zweischneidig: Man lernte sehr viel, aber verlor jedes Mal.
Dienstag, 13. Juli 2010
Als ich noch kein Spieler war (5): Stratego
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3 Kommentare:
Oh Gott, Udo -
jetzt wird's aber langsam schmerzhaft mit unseren Kindheits-Parallelen. Das Abschießen von Plastik-Soldaten habe ich auch in den 70ern "gelernt" - allerdings nicht von einem Cousin, sondern meinem besten Grundschul-Freund. Der war das fünfte und jüngste Kind in einer heimatvertrieben-revanchistisch(das Wort kannte ich damals noch nicht)-pommerschen Familie.
Und übrigens auch der, gegen den ich immer im MONOPOLY verlor.
Und natürlich auch der, der mir PANZERSCHLACHT beibrachte...
Liebe Grüße,
Maddin =:-)
Also, Udo, Plastiksoldaten mit Gummiringen abschiessen ist doch nicht konsequent zu Ende gedacht. Ich habe (allerdings erst in den 80ern) mit meinem Kumpel Playmobil-Männchen mit einer Erbsenpistole abgeballert. Grandios!
Ciao, Martin
PANZERSCHLACHT! STRATEGO! Welch herrliche Erinnerungen kommen da hoch. War bei mir ganz genauso: Mein Cousin hatte die tollen Spiele und ich hab mir jedes mal ein Loch in Mütze gefreut wenn ich die mitspielen durfte. Dazu dann noch das unvergessene TEUFELSDREIECK. Und später habe ich mir dann von meinem Taschengeld ein U-BOOT-JAGD. Hach ... das waren Zeiten ...
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