Mittwoch, 29. November 2017

Berge des Wahnsinns

Lalala.
Wenn mir keine Einleitung einfällt, tippe ich meistens irgendeinen sinnlosen Platzhalter in der Hoffnung, dass mir bis zum Ende des Textes doch noch was eingefallen ist, um den Platzhalter zu ersetzen. Lalala. In diesem Fall jedoch ist der vermeintliche Platzhalter gar kein Platzhalter, lala. Und ich bin auch kein bisschen in meiner Kommunikation beeinträchtigt, lala, ich bin ganz normal. Ich finde nur, es sollte mehr gesungen werden. Allgemein und in unserer Situation. Lalala.


Wie geht BERGE DES WAHNSINNS? Wir sind wahnsinnig und wir werden immer wahnsinniger. Eine Karte gibt vor, wie ich mich in der Karten-Ausspiel-Phase zu verhalten habe. Beispielsweise muss ich dauernd unter den Tisch gucken, ob dort etwas ist, oder ich darf nicht mehr sprechen oder keine Zahlen sagen.
Egal was: Es wird mich mehr oder weniger behindern. Da wir kooperativ spielen und versuchen, innerhalb von 30 Sekunden Karten mit bestimmten Symbolen und bestimmten Punktesummen verdeckt auf einen Stapel zu legen, müssten wir uns eigentlich absprechen – was uns manchmal aber nicht recht gelingt. Ich darf auch nicht verraten, was genau mein Wahnsinn ist. Wie mit mir und meiner Macke umzugehen ist, müssen meine Mitspieler selbst herausfinden.
Gelingt es uns, mindestens eine der zwei bis drei Aufgaben zu erfüllen, erhalten wir eine Belohnung. Für jeden Fehlschlag werden wir bestraft. Mögliche Strafen sind eine Ausbreitung des Wahnsinns oder andere Dinge, die uns spieltechnisch einschränken und uns in letzter Konsequenz eine unserer „Anführermarken“ kosten. Haben wir alle sechs verloren, sind wir dem Untergang geweiht. Gelingt uns vorher die Flucht, entscheidet eine Punktwertung darüber, ob und wie gut wir gewonnen haben. Die Chance auf einen knappen Sieg besteht schon auf der kürzesten Route (zehn Felder mit zehn Aufgaben). Wer mehr Pluspunkte sammeln möchte, muss Umwege machen und erhöht damit sein Risiko, komplett zu scheitern.


Was passiert? Trotz banaler Aufgabenstellung warten alle Spieler sehr gespannt auf diese spezielle Karten-Ausspiel-Phase, weil sie überrascht werden wollen, wie sich die anderen benehmen. Können sie noch sinnvoll mitspielen? Sind sie komplett durchgedreht? Man freut sich drauf. Es wird etwas zu lachen geben.
Oft genug habe ich aber erlebt, dass der Wahnsinn dann doch nicht so lustig wird, wie man sich das vorher erhofft. Möglicherweise ist das ein Mentalitäts- oder Kulturproblem, doch: Viele Einschränkungen lassen sich ganz gut umgehen. Oder die Voraussetzungen treten nicht so oft ein, wie sich das der Autor offenbar ausgemalt hat. Oder die Kartenanweisungen sind unpräzise, und es bleibt dem Spieler überlassen, was er daraus macht.
Das Problem ist: Wir befinden uns in einem Spiel, bei dem es ums Gewinnen und Verlieren, um Leben und Tod geht. Und wir wollen natürlich gewinnen. Also geben wir uns dem Wahnsinn so wenig wie möglich hin. Lustiger wäre es wahrscheinlich, wollten wir uns einfach nur sinnfrei zum Affen machen. Doch darauf ist das Spiel nicht angelegt. Im Gegenteil fährt es Regeln auf, die das Geschehen und insbesondere den Einsatz der Anführermarken taktisch machen sollen.
Die Beschäftigung mit solchen Einzelheiten bremst das Spiel und lässt nicht den Flow entstehen, den es hier bräuchte. Außerdem ist die gestellte Aufgabe, solange die Spieler noch bei Verstand sind, uninteressant. Sofern die Karten passen, wird man das hinkriegen. Erst wenn die Karten nicht mehr passen, kommt schlimmerer Wahnsinn und damit Pfeffer ins Spiel. Doch zu diesem Zeitpunkt können schon etliche Runden gespielt sein.


Was taugt es? Spiele im Lovecraft-Universum gibt es viele, und natürlich werden die Spieler darin irgendwie wahnsinnig. Üblicherweise besteht der Wahnsinn darin, Strafchips zu erhalten oder auf einer Negativ-Skala voranzurücken, bis es nicht mehr geht und man verloren hat. Der Wahnsinn aber bleibt abstrakt. Die grandiose Idee von BERGE DES WAHNSINNS besteht nun darin, den Wahnsinn tatsächlich zu spielen.
Doch das Resultat ist enttäuschend. BERGE DES WAHNSINNS ist wie ein uneingelöstes Versprechen. Nach jeder Partie folgt das Erstaunen, warum das Spiel nicht so großartig war, wie es aussieht und wie es in der Phantasie hätte sein sollen.
Versuch einer Antwort: Weil die Elemente nicht harmonieren. Taktisches Optimieren und Spaß am Unsinn widersprechen und behindern einander. Der gespielte Wahnsinn wird durch Verwaltungsakte störend unterbrochen. BERGE DES WAHNSINNS enthält zu viele Regelschlenker, die das Spiel gar nicht braucht.


*** mäßig

BERGE DES WAHNSINNS von Rob Daviau für drei bis fünf Spieler, iello.

1 Kommentare:

ravn hat gesagt…

Nach gespielten drei Partien in unterschiedlichen Runden - zweimal zu viert, einmal zu fünft - steht und fällt das Spiel mit den Mitspielern. Ich habe stets versucht, meinen Wahnsinn in den 30 Sekunden der Kooperationsphase wirklich auszuleben und es den Mitspielern zu überlassen, damit als Herausforderung fertig zu werden. Wenn diese Denke alle am Tisch verinnerlicht hatten, wurde die Partie zu einer Gaudi und blieb bis zur letzten Minute knapp und spannend.

Ebenso habe ich aber auch erlebt, dass der Wahnsinn von Mitspielern nicht sichtbar wird. Da wir aber im Spiel schlicht darauf vertrauen müssen, dass jeder sein Kommunikations-Handicap auch wirklich und richtig verstanden ausspielt, bleibt ein fader Beigeschmack übrig, dass hier eventuell zu sehr zum eigenen Vorteil gespielt wurde. Oder die einzelnen Wahnsinnskarten waren schlicht blöd und ich tue meinen Mitspieler hier unrecht?

Da nach nur 6 Partien in Vollbesetzung alle Wahnsinnskarten einmal gespielt worden sind, habe ich für meine Runden vereinbart, dass wir auch nach der Partie nicht über den eigenen Wahnsinn sprechen. Die Mitspieler können und sollen gerne spekulieren, aber plump sich gemeinsam die ausgespielten Wahnsinnskarten anzuschauen, schmälert doch arg den Wiederspielwert - weg von der Überraschung zum öden Wiedererkennungseffekt.

Somit kann ich das "mäßig" gut nachvollziehen. Wenn die Runde denn mal passt und die Wahnsinnskarten ebenso, dann reicht es für mich bis zum "genial". Da das aber nicht immer gegeben ist, bleibt in Summe nur ein "reizvoll" übrig. Ich hoffe da auf Erweiterungspacks mit neuen Wahnsinnskarten, die insgesamt ein runderes Spielerlebnis bieten oder in einer Art Szenario basierend aufeinander abgestimmt sind. Potential hat dieses doch besondere Spiel dazu.

Cu / Ralf

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