Mittwoch, 26. September 2018

Vor 20 Jahren (67): Wetten dass (2)

Nach der kurzen achttägigen Umbaupause sind wir nun wieder zurück. Im Béi Chéz Heinz in Hannover, fast live, lediglich zeitversetzt um circa 20 Jahre.
Wer Teil 1 verpasst hat: Hier ist Teil 1.

Bis einen Tag vor meinem Auftritt hatte ich meine Wette nicht groß vorbereitet. Ich hatte eine Liste von Spielen erstellen müssen, die überhaupt in Frage kommen sollten. Da schrieb ich alles drauf, was ich besaß, sowie alles, was ich irgendwann mal gespielt hatte. Für Wenigspieler war die Aufstellung vermutlich imposant. Ich allerdings stufte meine Wette als eher leicht ein. Und außerdem: War der Ausgang nicht völlig egal? Es sollte ja um den Spaß gehen.

Nein, völlig egal war es mir dann doch nicht. Nachdem sich immer mehr Freunde als Zuschauer ankündigten, wollte ich das schon hinkriegen. Also zog ich am Vortag noch mal meine Spiele aus dem Regal und schaute hinein. Die Unterscheidung von Geldmünzen würde nicht so einfach sein, stellte ich fest. Und Sorgen machten mir Standardmaterialien. Wie sollte man bestimmen, ob ein Holzwürfel zu EL GRANDE oder DIE MACHER gehört? Ich erwartete allerdings eher nicht, dass ich das musste. Gewiss würde man mir nur charakteristische Materialien präsentieren … oder?

Auf der Bühne erfuhr ich zu meiner Freude, dass ich sogar nur vier von fünf Dingen richtig erraten musste. „Haha, jetzt wird’s wirklich einfach!“ dachte ich. Sehr im Gegensatz zu meinem Wettpaten (einem Schlumpf aus dem Chor von Vader Abraham), der die Angelegenheit als „vollkommen unmöglich“ einstufte. Und was soll ich sagen: Schlümpfe verfügen über eine spezielle Intuition; man sollte zumindest gelegentlich auf sie hören.

Das erste Spielmaterial, das ich erraten sollte, war ein kleiner Gegenstand aus Plastik (externer Link: Foto auf boardgamegeek; es ist das zweite Etwas von rechts). Ich hätte schwören können, dieses Ding noch nie, nie, nie in Händen gehalten zu haben. Und nachdem ich mich geschlagen geben musste, stellte sich heraus: Ich hatte es auch noch nie, nie, nie in Händen gehalten. Es war das kleinste Plastikteil eines mehrteiligen Punkteanzeigers des TURNIER-SETS zum SIEDLER- Kartenspiel. Okay, ja, das Kartenspiel stand auf meiner Liste. Aber nun mal nicht das TURNIER-SET. Überhaupt keine Erweiterungen. Und ich war auch nicht der Meinung, dass meine Spieletitel gleich alle Erweiterungen mitmeinten. Aber um das zu diskutieren, war die Bühne wohl nicht der richtige Ort.

Objekt zwei schob meine Wette bereits nah an den Abgrund. Ein kleines rundes Plastikteil mit Loch. Auch hier war ich vollkommen ratlos. Bis ich auf die Idee kam, dass man in das Loch etwas hineinstecken könnte. Vielleicht war es ein Aufstellerfuß für … vielleicht ein Fähnchen aus … SERENISSIMA? Das Spiel hatte ich nur einmal gespielt, und das war zwei Jahre her, aber etwas anderes fiel mir nicht ein. Ich riet … richtig.

Nummer drei war eine Glaskugel. Deren Farbe war im Bühnenlicht unmöglich zu erkennen, aber weil es offenbar weder weiß noch schwarz war, legte ich mich sofort fest: TAHITI. Und das stimmte. Doch vom Moderator erfuhr ich sodann, dass auch dies eine Falle gewesen war. Denn in einem Extra-Set für ABALONE seien die Kugeln ganz ähnlich gefärbt, haha ... Also, wer da auch immer als Experte bei dieser Wette mitgewirkt hatte: Ich begann, ihn zu hassen!

Zu allem Überfluss kamen jetzt Standardpöppel an die Reihe: zunächst ein Holz-Zylinder, wie er in diversen Spielen vorkommt. Jetzt zahlte es sich also doch noch aus, dass ich am Vortag alle Zylinder all meiner Spiele nebeneinandergestellt hatte, um ihre Größe zu vergleichen. Ich konnte die Sache eingrenzen: CONDOTTIERE oder ELFENLAND. Aber der Moderator sagte: „Du musst dich entscheiden.“ Und ich: „Die sind nahezu identisch.“ Moderator: „Wir haben uns im Laden beraten lassen. Du musst dich entscheiden.“ Also überlegte ich: Was nimmt man als Ladenbesitzer eher? Wahrscheinlich das aktuelle „Spiel des Jahres“. Ich riet: ELFENLAND. Korrekt.

Finale: ein weiterer Zylinder, nur etwas kleiner. Auch solche gab es in mehreren Spielen. Ein besonders schmales Gebilde wie aus ENTDECKER hätte ich von anderen noch sicher unterscheiden können, denn der ENTDECKER-Zylinder kippte dauernd um, und so etwas prägt sich ein. Dieser Zylinder aber war etwas dicker. Ich erkundigte mich nach der Farbe (weil: im Bühnenlicht nicht zu erkennen) und erfuhr: Der Holzstein war gelb. Deshalb tippte ich dann doch auf ENTDECKER, einfach nur weil in ENTDECKER sämtliche Zylinder gelb waren. Möglicherweise war es statt des Kippel-Exemplars ja ein Austausch-Stein oder einer aus einer späteren Auflage? Und tatsächlich, die hochoffizielle Lösung lautete: ENTDECKER.

Ich hatte meine Wette gewonnen. Aber ich war nicht froh. Es hatte mich genervt. Die Wahrnehmung des Publikums war offenbar eine andere. Ein Freund sagte hinterher, das hätte ich ja locker gemeistert. – Wie bitte? Locker? Hatte er denn nicht gesehen, dass ich total ins Schwimmen gekommen war? Eine Frau sprach mich an: Das sei unglaublich, die Wette sei doch sicher geschoben gewesen. – Wie bitte? Geschoben? Hatte sie denn nicht gesehen, dass ich total ins Schwimmen gekommen war?

Über den Wettkönig sollte nun der Applaus entscheiden: Ich klatschte für die Pizza-Wette. Die hatte so viel Spaß gemacht. Der Großteil des Publikums jubelte für den Kondom-Schniefer. Meine Freunde und Bekannten hielten trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit dagegen. Er oder ich? Es gab ein Entscheidungsklatschen. Die Kondom-Fans konnten noch lauter. Meine Freunde auch. Und ich weiß nicht mehr, ob es noch eine dritte Applausrunde gab oder nicht. Es ist auch egal, denn es endete unentschieden.

Beide Wettkönige gewannen eine Jahreskarte für das Béi Chéz Heinz. Somit war ich jetzt prominent. Oder auch nicht. Als ich die Karte irgendwann mal beim Eintritt vorzeigte, wurde ich nicht etwa per Handschlag begrüßt, sondern zweifelnd in Augenschein genommen: „Ist die echt oder ist das ein Witz? Aber wenn das ein Witz ist, ist er gut. Du darfst rein.“

3 Kommentare:

MSG hat gesagt…

Das ist eine tolle Geschichte auf einem wunderbaren Blog. Bitte hören Sie nicht auf damit.

Christoph Henke hat gesagt…

Vielen Dank für die nette Geschichte!

Anonym hat gesagt…

Ich hatte mich schon auf die Fortsetzung gefreut - und wurde nicht enttäuscht. Eine sehr schöne Geschichte, toll erzählt!

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