Der Spieleladen, in dem ich damals wöchentlich in einer internen Runde mitspielen durfte, gründete vor 20 Jahren zusätzlich eine öffentliche Runde. Das war eine super Idee, denn so hatte ich endlich einen Notanker, falls meine Dienstags-Spielerunde ausfiel und ich einen freien Abend zu haben drohte.
Gleich bei meinem ersten Besuch dieser öffentlichen Runde traf ich auf eine unbesiegbare Gegnerin: ein etwa 12-jähriges Mädchen. Wir spielten BIG CITY, die damalige Goldsieber-Neuheit von Franz-Benno Delonge, und weil „für Planer und Taktiker“ auf der Schachtel stand, erwartete ich eigentlich, dass ich gewinne. Denn ich spielte taktisch.
Ich sammelte Karten, tauschte aus, lenkte die Straßenbahn zu meinen Grundstücken hin, wurde vom Park überbaut, tauschte noch mal aus und machte nach vielen Mühen mit wenigen, aber einträglichen Gebäuden ganz gut Punkte. Und wurde Zweiter.
Das Mädchen baute jede Runde ein Haus. Mal ein Einer-, mal ein Zweierhaus, mal neben der Straßenbahn, mal nicht; wie es sich so ergab – und sie gewann haushoch. Viele werden nun denken: Der Udo Bartsch mag es nicht, wenn er von kleinen Mädchen abgezockt wird. Und sie haben recht.
Dennoch machte ich mir die Spielweise meiner Meisterin fortan zu eigen und war damit überdurchschnittlich erfolgreich, denn meine Mitspieler waren so verblendet, Karten zu sammeln, auszutauschen, die Straßenbahn zu ihren Grundstücken hinzulenken usw. … hahaha!
Es wird keiner mehr wissen, aber diese Begebenheit hatte ich schon mal in der Fairplay erzählt. Rein sicherheitshalber, bevor mir jemand meine Einfallslosigkeit unter die Nase reibt, kommt hier eine kleine Zugabe: Auf der SPIEL in Essen gehörte ich mittlerweile zur Presse. Und Presseleute bekamen bei den Goldsieber-Presseterminen jährlich eine Spielfigur aus Zinn geschenkt. Im Jahr 1999 war es das Rathaus aus BIG CITY.
Ich hätte eine Zinnspielfigurensammlung eröffnen können, doch aus irgendwelchen Gründen kam es anders. Eine meiner Spielerunden erklärte das Zinnrathaus zum Wanderpokal, der auf jedem Spieleabend neu vergeben wurde. Der Pokalverteidiger bestimmte, was gespielt werden soll. Der Gewinner erhielt den Pokal, nahm ihn mit nach Hause und brachte ihn beim nächsten Mal wieder mit.
Ich weiß nicht, wo das gute Stück am Ende abgeblieben ist. Irgendwann kam der Wanderpokal außer Mode. Ein Problem war, dass zwei Spieler deutlich häufiger gewannen als die anderen. Aber auch diese wollten ja gerne mal den Pokal in Händen halten. Woraufhin die Seriensieger ihre Trophäe für andere Dinge auslobten: „Wer bei TITAN den insgesamt vierten Gorgon rekrutiert …“, „Wer bei RA das fünfte Ra-Plättchen aufdeckt …“
Es half nicht, denn jetzt fühlten sich die Verlierer obendrein verhöhnt – und die Gewinner gewannen seltsamerweise trotzdem noch. Im Nachhinein ist es wirklich gut, dass der Pokal verschwunden ist, denn er hat die Stimmung eher vermiest.
Spieler eben, Sensibelchen. Und da lobe ich mir den stoischen Rationalismus dieses 12-jährigen Mädchens. Losspielen. Gewinnen. Kein Gewese drum machen.
Vor 20 Jahren (75): Elfengold
Vor 20 Jahren (77): Tikal
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