Freitag, 21. Juni 2019

Azul – Die Buntglasfenster von Sintra

Meine persönliche Befangenheit beim Thema Buntglasfenster hatte ich bereits bei SAGRADA zu Protokoll gegeben. Ich wiederhole meine Parole: People, lasst euch von diesem schönen bunten Schein nicht blenden!

Wie geht AZUL – SINTRA? AZUL – SINTRA benutzt denselben Mechanismus, um Steine zu erhalten, wie AZUL. Anders geregelt ist, wie die Steine verarbeitet werden und wie sie punkten.
Jeder Spieler besitzt acht zufällig kombinierte Pappstreifen, auf die je fünf Glassteine passen. Deren Farben sind vorgegeben. Wird ein Pappstreifen komplett gefüllt, gibt es Punkte für diesen und alle rechts von ihm liegenden Pappen, sofern sie zuvor ebenfalls schon gefüllt wurden. Der aktuelle Streifen wird umgedreht und kann ein zweites Mal beglast werden, jetzt in anderer Farbkombination.
Erhaltene Steine darf man immer nur auf einem Streifen ablegen, überzählige gehen in den Müll und zählen minus. Außerdem muss die Glaserfigur vor Ort sein. Sie darf für diesen Zweck beliebig weit nach rechts versetzt werden. Aber eben nicht nach links. Den Glaser ganz nach links zu ziehen, um wieder handlungsfähiger zu werden, kostet einen gesamten Zug, ist also wie einmal Aussetzen. Manchmal, wenn heftige Minuspunkte drohen, setzt man durchaus gerne mal aus.


Was passiert? Zunächst einmal checkt man wie bei AZUL die Manufakturen ab und schaut, wo sich auf einen Schlag möglichst viele passende Steine ergattern lassen. Was am besten weiterhilft, lässt sich bei AZUL – SINTRA allerdings weniger leicht ermitteln.
Effizient wäre es, den Glaser möglichst selten zurückzubewegen. Effizient wäre es außerdem, die Streifen exakt zu befüllen: Werden zum Beispiel vier gelbe Steine benötigt, dann am besten mit genau diesen vier und nicht so gern erst zwei und dann noch mal zwei. Was aber immer noch besser wäre als erst zwei und dann drei, von denen einer im Schrott landet.
Obendrein gibt es in jedem der sechs Durchgänge eine Superfarbe. Glassteine dieser Farbe zählen in Wertungen einen Extrapunkt. Ist es im dritten Durchgang blau, wäre es nicht schlecht, in den Durchgängen davor schon mal blaue Steine auf den Fensterstreifen anzusammeln und diese Streifen in Durchgang drei zu vollenden.
Knifflig ist schließlich noch eine gewisse Widersprüchlichkeit der Wertung: Die linken Streifen zählen mehr Punkte, was einem bei dem Plan, den Glaser links zu halten, entgegenkommt. Doch andererseits zählen die Wertungen ja noch mehr, wenn man zuvor auch weiter rechts schon was fertiggestellt hat, wozu wiederum auch der Glaser mehr herumwandern muss.


Was taugt es? In kleiner Besetzung habe ich mehrfach erlebt, dass bestimmte Glassteinfarben zwischenzeitlich von niemandem benötigt wurden (weil die entsprechenden Streifen gerade nicht auslagen), irgendwer sie aber nehmen musste und eine Riesenfuhre Minuspunkte bekam. Nach meiner Erfahrung gleicht das ursprüngliche AZUL zufällige Überangebote besser aus, weil die Sammelreihen nicht komplett festgelegt sind. So kann man eher auf eine nicht ganz so passende Manufaktur-Auslage reagieren. In AZUL – SINTRA schlug das Schicksal häufiger und eher willkürlich zu.
Der Nehm-Mechanismus macht in AZUL den besonderen Reiz aus und ist der Grund, warum ich gerne AZUL spiele. Lege- und Punktemechanismus sind herkömmlicher, runden das Spiel aber gelungen ab, und ich habe an dieser Stelle nie etwas vermisst.
AZUL – SINTRA fügt dem Nehm-Mechanismus etwas komplexere Lege- und Punktemechanismen hinzu. Für mein Empfinden ergibt sich daraus kein so sehr großer Vorteil, dass man deshalb ein neues AZUL braucht. Denn alles, was noch nebenher mitbedacht werden muss, lenkt letztlich auch vom so spannenden Hauptmechanismus ab. Er kann sich in AZUL gerade deshalb so gut entfalten, weil er mit keinem anderen Mechanismus konkurriert.
Weil der Hauptmechanismus auch in AZUL – SINTRA trägt und unbestritten gut ist und spannende Planungen und Entscheidungen erfordert, ist auch AZUL – SINTRA ein gutes Spiel. Aber weniger gut als AZUL. Außerdem weniger schön. Und weniger nötig.


**** solide

AZUL – DIE BUNTGLASFENSTER VON SINTRA von Michael Kiesling für zwei bis vier Spieler, Next Move.

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