Mittwoch, 5. Juni 2019

Pikoko

Zunächst mal möchte ich für mich in Anspruch nehmen, dass ich etwas Ähnliches vor rund 25 Jahren auch schon erfunden habe. Hah!

Wie geht PIKOKO? Es ist ein Stichspiel mit Stichvoraussage. Aber ich sage nicht nur meine eigenen Stiche voraus, sondern die jedes Spielers. Das ist möglich, weil ich alle fremden Handkarten sehe, nur meine eigenen nicht. Zuerst wird immer auf alle anderen Spieler gewettet. Dann wettet jeder auf sich selbst.
Vorhersagen macht man, indem man Chips der eigenen Farbe verdeckt in die Hand nimmt. Alle Spieler öffnen gleichzeitig die Fäuste. Die Chips werden dann vor dem betreffenden Spieler abgelegt, und so kann jeder sehen, dass mein linker Nachbar mir drei Stiche zutraut, mein rechter Nachbar nur zwei.
Es folgt ein herkömmliches Stichspiel mit den in Deutschland üblichen Bedien- und Trumpfregeln. Weil ich mein eigenes Blatt nicht sehe, bestimmt mein rechter Nachbar, welche Karten ich spiele. Einige wenige Karten gehören zu mehreren Farben. In welchen Stich sie letztendlich gespielt werden, ist eine kleine Überraschungskomponente.


Was passiert? Karten falschherum zu halten, ist immer wieder amüsant. Es bereitet diebische Freude, zu wissen, was der andere nicht weiß; und die Hoffnung, ihn mit diesem Wissensvorsprung irgendwie hereinlegen zu können, stimmt erwartungsfroh.
Bevor es losgeht, studieren alle erst mal die fremden Blätter, vergleichen und analysieren und malen sich aus, welche Farben einmal oder gar zweimal laufen oder womöglich gestochen werden und, wenn ja, von wem. So trifft man seine Vorhersagen und hofft, möglichst dasselbe zu wetten wie derjenige Spieler, der über die jeweilige Kartenhand bestimmt, denn eindeutig er hat den größten Einfluss. Vollkommene Planungssicherheit gibt es aber nicht. Ein paar Karten spielen ungesehen nicht mit.
Für die einen geht es dann auf, für die anderen geht es nicht auf. Man leidet oder triumphiert wie bei anderen Stichspielen auch. Und man hat eine gute Zeit mit PIKOKO. Der Drang, es bald wieder zu spielen, ist trotzdem nicht so hoch. Denn für die drei Stichrunden vergeht recht viel Zeit. Und vor allem ist es Zeit, in der man nicht immer relevante Dinge tut.
Oft bestimmen zwei, drei Entscheidungen den Ausgang einer kompletten Runde. Der Rest ergibt sich durch die Kartenverteilung und die gemachten Vorhersagen. Es kann sein, dass ich gar nicht in die Situation komme, eine Weichenstellung zu meinen Gunsten vorzunehmen. Währenddessen dauert selbst der banale Vorgang, einen Stich zu spielen, den alle bedienen müssen und bei dem von der ersten Karte an klar ist, wer ihn bekommt, ziemlich lange, weil man eben ein fremdes Blatt spielt und nicht sein eigenes und beim Herausziehen der Karten aus ihrem Halter einigermaßen vorsichtig sein muss.

Was taugt es? PIKOKO ist schön gestaltet und toll ausgestattet und macht auf dem Tisch richtig was her. Es ist ein sympathisches Spiel, und bislang hat noch kein Kartenspiel-affiner Mensch gesagt, dass es ihm nicht gefallen hätte.
Doch der Witz, die eigenen Karten nicht zu kennen, kompensiert letztendlich nicht den damit einhergehenden Tempoverlust. Zum Wiederspielreiz von Stichspielen gehört entweder die Möglichkeit, schnell und unkompliziert noch eine Runde und noch eine Runde anhängen zu können. Oder das Stichspiel lebt von seiner Tiefe und der Bedeutsamkeit jeder einzelnen Entscheidung. Solche Tiefe hat PIKOKO nicht.
PIKOKO ist ein interessanter Exot und wie ein Pfau, der durch den Park spaziert und den man sich angucken kann, und beim ersten Mal denkt man: Wow, ein Pfau! Aber man möchte nicht unbedingt jeden Tag hin.


**** solide

PIKOKO von Adam Porter für drei bis fünf Spieler, Brain Games.

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