Es ist paradox: Natürlich wünscht man sich als Spieler, dass Spiele historisch stimmen. Trotzdem sagt bei TUTANCHAMUN vermutlich nur eine Minderheit zur Alabasterflasche „Alabasterflasche“. Bei uns hieß das Ding kurz und prägnant „Knüppel“. Andere Plättchen hießen „Spießer“, „Grill“ und „Keksdose“. Es ging mit solchen Benennungen gar nicht darum, besonders witzig zu sein. Man wollte sich lediglich mit den anderen Spielern verständigen können. Ein Wortungetüm wie „Königskartusche“ hätte einen doch bloß in fragende Gesichter blicken lassen, bis irgendwann vielleicht einer drauf gekommen wäre: „Ähm, meinst du etwa die Keksdose...?“
Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass wir damals, 1993, in der angeblich guten, alten Zeit, noch die Muße besessen hätten, alle Spiele regelmäßig zu spielen, ohne dass Perlen unverdient in den Regalen versauerten. Es war aber nie so. Ab da, wo man anfing, überhaupt ein Bewusstsein für Spiele-Perlen zu entwickeln und regelmäßig Spiele zu erwerben, war man auch schon verdorben. Denn zugleich setzte die Angst ein, etwas eminent Wichtiges zu verpassen. Alles Unbekannte schien deshalb grundsätzlich interessanter als das Bekannte.
Und so wurde auch das gute TUTANCHAMUN im Laufe der Zeit durch anderes ersetzt und fing unverdient an zu verstauben. Am ersten Abend hätte ich das niemals für möglich gehalten. Ich erinnere mich, dass wir ununterbrochen eine Partie nach der anderen spielten. Wieder und wieder und wieder. In diesen Partien wurden auch die Benennungen für die Plättchen geboren. „Keksdose“ war übrigens gar nicht mein Favorit. Stattdessen versuchte ich, „Sardinenbüchse“ zu etablieren, was sich aber leider nicht durchsetzte. Wahrscheinlich hatte es zu viele Silben und ging deshalb nicht flüssig genug von den Lippen. Da hätte man ja gleich „Königskartusche“ sagen können.
- Teil 4: Ich bin drin
- Teil 6: Spiel des Jahres
5 Kommentare:
Aber jetzt gibt es dank Tokaido wieder eine gute Entschuldigung das Spiel rauszukramen. Man muss es ja mit dem geistigen Vater vergleichen und so ;-)
Mal eine Frage: Ich hatte immer das Gefühl, Tutanchamun geht eigentlich nur gut bis maximal 4 Spieler. Gehts nur mir so?
http://www.youtube.com/watch?v=1iciN5y6nF0
(Vielleicht nur, weil man diesen Klassiker gar nicht of genug verlinken kann. Oder um zu überspielen, dass ich bei Tutanchamun nicht mitreden kann. Oder weil's immer so schön ist, einem Menschen zu lauschen, der RECHT hat.)
@Peer: Es ist seeehr lange her, dass ich Tutanchamun gespielt habe. Wenn ich mich richtig erinnere, war es mit zu vielen Spielern tatsächlich schwächer.
Wir haben Tutanchamun wirklich sehr oft gespielt. Diese Ausdauer für ein Spiel würde ich mir heute noch manchmal wünschen.
Viele Grüße, Jürgen
Hallo Jürgen,
das liegt sicher nur bedingt an den Spielen (gibt es doch auch immer wieder richtig Gute). Beobachte doch mal allen anderen Konsum, da wirst Du Parallelen sehen. Die Verfügbarkeit von mehr Auswahl, der schnellere Zugriff auf mehr Informationen und der ständige -vorgelebte- Wechsel verringert die Beständigkeit von fast Allem.
Bei Spielen ist das nicht anders. Es gibt so viel Neues, mit dem Reiz des Unbekannten (und der Angst etwas zu verpassen), dass der geneigte Spieler ein Spiel gar nicht mehrfach spielen muss. Langlebigkeit wird oft gar nicht mehr gefragt...
Was eine ernste, strategische Frage nach der Produktausrichtung für viele Konsumgüter Lieferanten aufwirft...
Bezüglich der Benennungen von Spielmaterial existieren aber oft auch völlig unzugängliche Fantasie-Namen. Da wundert es nicht, dass sich viele Spieler einfacherer, bekannter Termini bedienen. Eine Siegpunktleiste zählt nun mal Siegpunkte und kein, nicht zählbares, Prestige ;).
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