Donnerstag, 9. Juli 2015

Kraftwagen

o Tüüt, tüüt!
o Brumm, brumm!
o Weder – noch.
Da Einleitungen von einem Großteil meiner Leserschaft (also von zwei oder drei People) hartnäckig gefordert werden, mir aber die Zeit für eloquente Editorials fehlt, möge sich der geneigte Leser unter den drei hingeworfenen Varianten seine persönliche Einleitung einfach aussuchen.

Wie geht KRAFTWAGEN? Wir bauen und verkaufen Autos. Ein Auto braucht eine Karosserie, einen Motor und mindestens einen Mechaniker. Im Moment der Konstruktion legt ein Spieler auch gleich den Preis (in Siegpunkten) fest, den er für das Auto erzielen möchte.
Im Laufe eines Durchganges sammeln sich Kunden. Sie wollen entweder das Auto mit der besten Karosserie, dem besten Motor, den meisten Mechanikern oder dem niedrigsten Preis kaufen. Am Ende des Durchgangs kauft jeder der (üblicherweise vier) Kunden einen der (üblicherweise sechs) angebotenen Wagen. Der Konstrukteur erhält die Siegpunkte. Unverkaufte Wagen sind genauso verloren wie verkaufte Wagen.
Für die Aktionsauswahl benutzt Matthias Cramer erneut sein Aktionsrondell aus GLEN MORE. Immer der Hinterste ist am Zug und darf auf dem Pfad zu einer Aktion, Doppelaktion oder gar Tripelaktion seiner Wahl hüpfen. Wer weit springt, muss länger warten, bis er wieder an die Reihe kommt.
Aktionen können erwartungsgemäß sein: Karosserie bauen, Motor bauen, Mechaniker anwerben, Kunde platzieren. Sowie: Grand Prix fahren (jeder Spieler besitzt ein Rennauto, in das er Motoren einbauen und bei Wettrennen Extrapunkte verdienen kann) oder Forschungskarte nehmen. Die Forschungskarten bringen entweder Ingenieure (Sonderfähigkeiten) oder erhöhen das Knowhow fürs Bauen von Karosserien / Motoren.

Was passiert? Die Aktionswahl zwingt zu interessanten Entscheidungen: Attraktive Doppelaktionen liegen meist ein paar Felder entfernt, und alle übersprungenen Aktionen überlasse ich kampflos den Mitspielern. Zögere ich allerdings und lege einen Zwischenschritt ein, kann es passieren, dass ein anderer die eigentlich gewünschte Aktion abgreift.
Zu viert ist dieses Dilemma weniger ausgeprägt als zu dritt; ein weiter Sprung ist hier nicht ganz so bedenklich, denn 1. sind noch immer drei andere hinten, die sich gegenseitig bekabbeln, 2. frisst sich die Karawane ohnehin schneller durch den Parcours.
Den Markt empfinde ich als das schönste Spielelement: reizvoll, aber auch knallhart. Fehlentscheidungen lassen sich nicht korrigieren. Da glaube ich, ganz sicher das Auto mit der besten Karosserie zu haben, und platziere das höchste Preisplättchen. Doch dank glücklich erworbener Forschungskarten zieht ein anderer Spieler noch unerwartet gleich, und der blöde Kunde kauft dessen Schrottkarre statt meines Nobelmodells (bei Gleichstand wird immer das billigere Auto verkauft).
Weil die Kunden in der Reihenfolge ihrer Platzierung kaufen, ergeben sich manchmal unerwartete, aber interessante Wendungen, weil beispielsweise das Auto mit dem stärksten Motor schon von dem Kunden gekauft wird, der Wert auf viele Mechaniker legt, weshalb dem Motor-Fetischisten nur das Auto mit dem zweitbesten Motor bleibt, obwohl es sogar viel teurer ist. Wer seine Autos spät auf den Markt bringt, hat oft mehr Kontrolle. Andererseits zwingen volle Lagerhallen manchmal schon früher zum Handeln. Außerdem reduziert sich am Ende des Durchgangs die Auswahl bei den Preisplättchen.

Was taugt es? Zu viert rauscht eine Partie durch, und das Gefühl, Einfluss zu haben, ist nicht sonderlich groß. Aber auch zu dritt können sich ganz erhebliche Punkteunterschiede ergeben, was wohl ein Indiz dafür ist, dass es mehr oder weniger unverschuldet mal ziemlich blöd oder mal ganz besonders prächtig laufen kann.
Schicksal spielen vor allem die Fortschrittskarten. Immer zwei stehen zur Auswahl. Oft bringt zumindest eine der Karten klar mehr als jede andere Aktion. Pech für den, der gerade schön auf die Fortschritt-Aktion hüpfen könnte, aber genau in diesem Moment nichts Hilfreiches vorfindet... Insgesamt sind mir die Forschungskarten in KRAFTWAGEN zu dominant.
Auf Dauer finde ich die Partien deshalb nicht sehr abwechslungsreich, den Markmechanismus aber trotzdem hinreichend schön, so dass ich, wenn schnell gespielt wird, gerne dabei bin. Am liebsten zu dritt. KRAFTWAGEN ist ein solides Mittelgewicht. Besonders gut gefällt mir die Gestaltung durch Harald Lieske.

KRAFTWAGEN von Matthias Cramer für zwei bis vier Spieler, Blackfire.

3 Kommentare:

Blendi hat gesagt…

Boah ey aldder! Gleich DREI Einleitungen! Du verwöhnst uns, Udo!

ravn hat gesagt…

Das "am liebsten zu dritt" kann ich ungeingeschränkt bestätigen. Zu viert ist Kraftwagen in meinen Partien bisher ein Alles-oder-Nichts gewesen - entweder kommt man mit seinem Wagen auf dem gemeinsamen Automarkt durch und macht Punkte oder geht unter. Abzusehen ist das bei der Marktplatzierung kaum bis überhaupt nicht, da fast immer ein Mitspieler noch die Chance hat, alles gehörig durcheinander zu wirbeln. Da fehlte mir die Kontrolle. Zu dritt ist es zwar immer noch schön konfrontativ, aber man hat das Spiel mehr im Griff, weil man eben nur gegen zwei Konkurrenten antritt und sich seine eigene Marktnische (Motor, Karosserie, Servicepersonal) schaffen kann und im Zweifel an der Preisschraube dreht. Allerdings nutzt sich das Spiel arg schnell ab, nach weniger als eine handvoll Partien war bei uns schon die Luft raus und meine Anfangseuphorie verpufft. Zurück bleibt ein nur solides Automarktspiel, das schnell gespielt ist, dem allerdings auch Substanz fehlt.

Rainer (Bielefeld) hat gesagt…

Habe eine 4er-Partie auf Yucatá gespielt und bin gefrusted darüber, wie schnell das Spiel zuende ging. Zu Anfang der dritten "Runde" war ich noch guter Hoffnung, den Rückstand aus einem dummen Fehler in der zweiten aufholen zu können, aber plötzlich war das Spiel vorbei und ich hatte nur noch Peanuts aus dem Rennen verdient.
Mal sehen, was passiert, wenn ich es meinen Paderborner Freunden vorstelle ...

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