Freitag, 5. August 2016
Steam Time
Als Spiele-Rezensent hat man es eigentlich leicht. Man kann sich verschiedene Textbausteine zurechtlegen, die bei mindestens neun von zehn Rezensionen passen und in immer wieder abgewandelten Worten mehr Innovation einfordern. Und wenn ein Spiel dann tatsächlich mal anders ist, kann man schreiben: „Ätsch, ich mag es aber trotzdem nicht!“ Und muss es nicht mal besser können als der Autor.
Bei genauerem Hinsehen haben es Rezensenten aber doch nicht ganz so leicht. Denn ihr Job sollte sein, in Worte zu fassen, warum sie ein Spiel mögen oder nicht mögen. Und weil heutzutage – zumindest in namhaften deutschen Verlagen – aufgrund der Professionalität von Autoren und Redakteuren kaum noch Spiele erscheinen, die eindeutige Fehler haben, weichen Rezensenten in ihren Begründungen gerne auf Phrasen aus.
Gegen STEAM TIME könnte ich beispielsweise einwenden, das Thema sei „aufgesetzt“ und zwischen den Spielern herrsche „wenig Interaktion“. Das wird sogar kaum jemand bestreiten – nur: Das ließe sich auch über Spiele sagen, die ich toll finde. Unter anderem über mein Lieblingsspiel. Thema und Interaktion können also nicht die entscheidenden Faktoren sein, zumindest nicht isoliert betrachtet.
Und doch: So sehr vieles nur Geschmackssache ist, muss es trotzdem benennbare Faktoren geben, die bei der Mehrheit der Spielenden gut ankommen. Sonst sähe man nicht auf Spielertreffen immer dieselben Dauerbrenner auf den Tischen.
Mittlerweile glaube ich (und bin ich nicht selber drauf gekommen, sondern ein Autor hat mir diesen Gedanken mal vorgetragen), dass es bestimmte Handlungen gibt, die wir Spieler einfach besonders gerne mögen. Sammeln zum Beispiel. Vervollständigen. Konstruktiv etwas aufbauen. Etwas heranwachsen lassen. Und so weiter.
Spiele, die diese Urtriebe nicht bedienen, haben es schwer. Sie können einen originellen Dreh haben, auf einer neuen Grundidee basieren und taktisch herausfordern ... sie haben es trotzdem schwer. Und damit bin ich bei STEAM TIME. Und habe eigentlich schon alles gesagt, nur in der falschen Reihenfolge.
Wie geht STEAM TIME? Kristalle in sechs verschiedenen Farben sind in STEAM TIME die Währung. Es gibt im Spiel sechs Grundaktionen, und jede hängt mit einer dieser sechs Farben zusammen. Sobald ich eine Aktion auslöse, ist es grundsätzlich von Vorteil, Steine der entsprechenden Farbe in möglichst großer Zahl vorrätig zu haben, weil ich dann Boni kassiere.
Das große Dilemma besteht in den starken Anreizen, die Kristalle immer wieder auszugeben: Für Karten, die Siegpunkte zählen. Und für Ausbauten, die jede Runde ein Einkommen bringen, also möglichst früh erworben werden sollten. Außerdem lohnt es sich nicht (oder man kann es nicht bezahlen), stets nur dieselben Aktionen auszuführen, weshalb sich Boni nicht unendlich anhäufen.
Ein weiterer Kniff ist die Planungsunsicherheit bei der Aktionswahl. Wer am Zug ist, muss sich wie zum Beispiel in EGIZIA auf dem Spielplan voranbewegen und besetzt dann ein Aktionsfeld. Ist man erst mal irgendwo vorbeigeschlendert, ist man eben vorbei. Selbst wenn die angepeilten hinteren Felder plötzlich von den Mitspielern besetzt werden und eins der vorderen nun die bessere Wahl gewesen wäre.
Was passiert? STEAM TIME stellt die Spieler ständig vor Entscheidungen. Die einzelnen Züge gehen schnell. Die Auswirkungen sind so verwoben, dass man selten sicher weiß, ob das, was man gerade gemacht hat, nun wirklich das Beste war.
Man hat aber nicht das Gefühl (und jetzt bin ich wieder bei den Urtrieben), etwas aufzubauen. Man hat nicht mal eine Vorstellung, was man da tut. Es wird aufgebaut und wieder eingerissen, gesammelt und wieder hergeschenkt. Dieses Wechselspiel hinterlässt einen technischen Eindruck. Die Idee dahinter ist derart abstrakt, dass mir keine inhaltliche Begründung einfällt, warum die Mechanismen so sind, wie sie sind. Mein Kopf findet das Szenario abgedreht, aber STEAM TIME wirkt theoretisch und hat nichts von dem, was mich mit einem Spiel warm werden lässt.
Was taugt es? STEAM TIME besitzt etliche Vorzüge. Vor allem den, dass es die Spieler vor ungewöhnliche Herausforderungen stellt. Unter diesem Aspekt betrachtet, taugt STEAM TIME sogar einiges. Doch ungewöhnliche Herausforderungen ziehen nicht zwangsläufig besondere Spiellust nach sich. Meine ist bei STEAM TIME jedenfalls mäßig ausgeprägt.
STEAM TIME von Rüdiger Dorn für zwei bis vier Spieler, Kosmos.
Bei genauerem Hinsehen haben es Rezensenten aber doch nicht ganz so leicht. Denn ihr Job sollte sein, in Worte zu fassen, warum sie ein Spiel mögen oder nicht mögen. Und weil heutzutage – zumindest in namhaften deutschen Verlagen – aufgrund der Professionalität von Autoren und Redakteuren kaum noch Spiele erscheinen, die eindeutige Fehler haben, weichen Rezensenten in ihren Begründungen gerne auf Phrasen aus.
Gegen STEAM TIME könnte ich beispielsweise einwenden, das Thema sei „aufgesetzt“ und zwischen den Spielern herrsche „wenig Interaktion“. Das wird sogar kaum jemand bestreiten – nur: Das ließe sich auch über Spiele sagen, die ich toll finde. Unter anderem über mein Lieblingsspiel. Thema und Interaktion können also nicht die entscheidenden Faktoren sein, zumindest nicht isoliert betrachtet.
Und doch: So sehr vieles nur Geschmackssache ist, muss es trotzdem benennbare Faktoren geben, die bei der Mehrheit der Spielenden gut ankommen. Sonst sähe man nicht auf Spielertreffen immer dieselben Dauerbrenner auf den Tischen.
Mittlerweile glaube ich (und bin ich nicht selber drauf gekommen, sondern ein Autor hat mir diesen Gedanken mal vorgetragen), dass es bestimmte Handlungen gibt, die wir Spieler einfach besonders gerne mögen. Sammeln zum Beispiel. Vervollständigen. Konstruktiv etwas aufbauen. Etwas heranwachsen lassen. Und so weiter.
Spiele, die diese Urtriebe nicht bedienen, haben es schwer. Sie können einen originellen Dreh haben, auf einer neuen Grundidee basieren und taktisch herausfordern ... sie haben es trotzdem schwer. Und damit bin ich bei STEAM TIME. Und habe eigentlich schon alles gesagt, nur in der falschen Reihenfolge.
Wie geht STEAM TIME? Kristalle in sechs verschiedenen Farben sind in STEAM TIME die Währung. Es gibt im Spiel sechs Grundaktionen, und jede hängt mit einer dieser sechs Farben zusammen. Sobald ich eine Aktion auslöse, ist es grundsätzlich von Vorteil, Steine der entsprechenden Farbe in möglichst großer Zahl vorrätig zu haben, weil ich dann Boni kassiere.
Das große Dilemma besteht in den starken Anreizen, die Kristalle immer wieder auszugeben: Für Karten, die Siegpunkte zählen. Und für Ausbauten, die jede Runde ein Einkommen bringen, also möglichst früh erworben werden sollten. Außerdem lohnt es sich nicht (oder man kann es nicht bezahlen), stets nur dieselben Aktionen auszuführen, weshalb sich Boni nicht unendlich anhäufen.
Ein weiterer Kniff ist die Planungsunsicherheit bei der Aktionswahl. Wer am Zug ist, muss sich wie zum Beispiel in EGIZIA auf dem Spielplan voranbewegen und besetzt dann ein Aktionsfeld. Ist man erst mal irgendwo vorbeigeschlendert, ist man eben vorbei. Selbst wenn die angepeilten hinteren Felder plötzlich von den Mitspielern besetzt werden und eins der vorderen nun die bessere Wahl gewesen wäre.
Was passiert? STEAM TIME stellt die Spieler ständig vor Entscheidungen. Die einzelnen Züge gehen schnell. Die Auswirkungen sind so verwoben, dass man selten sicher weiß, ob das, was man gerade gemacht hat, nun wirklich das Beste war.
Man hat aber nicht das Gefühl (und jetzt bin ich wieder bei den Urtrieben), etwas aufzubauen. Man hat nicht mal eine Vorstellung, was man da tut. Es wird aufgebaut und wieder eingerissen, gesammelt und wieder hergeschenkt. Dieses Wechselspiel hinterlässt einen technischen Eindruck. Die Idee dahinter ist derart abstrakt, dass mir keine inhaltliche Begründung einfällt, warum die Mechanismen so sind, wie sie sind. Mein Kopf findet das Szenario abgedreht, aber STEAM TIME wirkt theoretisch und hat nichts von dem, was mich mit einem Spiel warm werden lässt.
Was taugt es? STEAM TIME besitzt etliche Vorzüge. Vor allem den, dass es die Spieler vor ungewöhnliche Herausforderungen stellt. Unter diesem Aspekt betrachtet, taugt STEAM TIME sogar einiges. Doch ungewöhnliche Herausforderungen ziehen nicht zwangsläufig besondere Spiellust nach sich. Meine ist bei STEAM TIME jedenfalls mäßig ausgeprägt.
STEAM TIME von Rüdiger Dorn für zwei bis vier Spieler, Kosmos.
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*** mäßig
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4 Kommentare:
Lieblingsspiel? Dominion?
Schöne Rezension, der ich bis auf den letzten Satz voll zustimmen kann, denn meine ist außerordentlich ausgeprägt.
Hallo lieber Udo,
ich befürchte du hast aus Versehen eine Einleitung geschrieben. Ich bin verwirrt.
Hochachtungsvoll
und in Ehrfurcht
Hallo,
Guter Beitrag. Ich fand das Spiel so ... nicht greifbar und abstrakt. Weil es in den Kommentaren oberhalb schon steht nehm ich mal Dominion als Beispiel. Es sprüht nicht grade vor Thema aber mit Geld kauft man neues und Ländereien bringen Punkte ... das ist nachvollziehbar. Bei Steam Time hab ich mich dauernd gefragt warum ich was mache.
Sehr spannende Überlegungen in der Einleitung! An der Wirkung eines intuitiv-positivem aufbauenden Spielgefühls ist auf jeden Fall etwas dran. Vermutlich ist dieser Effekt auch einer der Gründe, warum z.b. Concordia in meiner Spielergruppe sehr gut ankommt ist. Verhältnismäßig ähnliche Spiele wie Hansa Teutonica oder Han, die in meiner Spielergruppe eher durchgefallen sind, haben diesen Aufbauflair nicht, sind nicht so konstruktiv-intuitiv.
SpaceTrucker
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