Montag, 15. August 2016
Through the Ages
Über IM WANDEL DER ZEITEN, den Vorläufer von THROUGH THE AGES, schrieb ich bereits 2009. Beide Spiele sind fast identisch. Wer nicht weiß, worum es geht, findet die Beschreibung in meinem damaligen Beitrag. Und die Einleitung auch.
Was ändert sich in THROUGH THE AGES? 1. die Optik. Die Karten sind nun etwas größer und zweifellos schöner. Allerdings sind die Marker überwiegend aus Kunststoff statt aus Holz, und der Spielplan wurde wegrationalisiert. Für jede Skala und die Kartenauslage existiert nun ein eigenes Tableau. Angesichts des empfohlenen Verkaufspreises von 40 Euro finde ich diese Einbußen absolut okay.
2. die Spielbarkeit. Verluste (früher „Korruption“ genannt) treten nun vor der Produktionsphase ein, was die Planung sehr erleichtert. Auch in anderen Details wurde der Ablauf sanft geglättet und somit beschleunigt. Manche Nebeneffekte von Karten, die man leicht übersieht und nicht wirklich braucht, wurden gestrichen. THROUGH THE AGES ist deshalb noch lange nicht stromlinienförmig. Es kamen auch thematische Details hinzu. Ein Beispiel: Jeanne d’Arc kann nun in die Zukunft sehen.
3. das Feintuning. Tausende Fans finden in abertausend Partien meistens mehr heraus, als ein Autor zuvor testen kann. Manche Anführer erweisen sich im Dauertest als zu mächtig, andere entwickeln sich zu Ladenhütern. Solche Langzeiterfahrungen mit IM WANDEL DER ZEITEN sind in THROUGH THE AGES eingeflossen. Wer Karte für Karte vergleicht, findet etliche Anpassungen. Für mein Empfinden sind nun auch die Texte klarer formuliert. Außerdem sind Kriege und Überfälle nun etwas anders geregelt, um zu verhindern, dass Spieler völlig ausbluten. (Da ich die friedliche Variante bevorzuge, fällt dies für mich nicht ins Gewicht.)
Was taugt es? IM WANDEL DER ZEITEN habe ich seinerzeit mit „außerordentlich“ bewertet. Aber auch Spielgeschmack ist dem Wandel der Zeiten unterworfen. Frage also: Überzeugt mich THROUGH THE AGES noch genauso wie damals? Und die Antwort: Ja!
Nach wie vor sehr faszinierend finde ich den langsamen, stetigen (aber nicht mühseligen, sondern von mir als herausfordernd erlebten) Aufbau meiner Zivilisation. Ich brauche Nahrung, um meine Bevölkerung zu vermehren. Ressourcen, um meine Produktion anzukurbeln. Wissenschaft, um Technologien zu entwickeln. Militärstärke, um zu erobern oder zumindest abzuschrecken. Ein glückliches Volk, um in Ruhe regieren zu können ... Ach, und eigentlich geht es ja um Kultur. Also brauche ich Errungenschaften, die Kulturpunkte bringen.
In irgendwelchen Bereichen habe ich zwangsläufig Defizite. Die Kunst besteht darin, solche Schwächen eine Zeitlang hinzunehmen oder mit Aktionskarten zu kompensieren, aber rechtzeitig den Dreh zu kriegen, bevor ich in immer üblere Zwangssituationen gerate.
Was zu der Frage führt: Kann man noch aufholen? Manchmal ja, manchmal nein. Ich habe Partien erlebt, in denen zur rechten Zeit eine neue Technologie, eine neue Staatsform oder die Eroberung einer Kolonie das Ruder herumgerissen haben. Wenn man allerdings zu tief im Sumpf steckt, holt man nicht mehr auf. Nicht nur deshalb würde ich THROUGH THE AGES nicht zu viert spielen wollen. Denn zu viert dauert eine Partie fünf Stunden und länger, und man schaut viel dabei zu. Zu zweit kann man es in zweieinhalb schaffen, wenn beide das Spiel kennen.
Im Großen und Ganzen habe ich nun also das geschrieben, was ich schon zu IM WANDEL DER ZEITEN geschrieben habe. Als Bonus will ich zusätzlich ein weiteres Spielelement bejubeln, das ich 2009 unterschlagen habe: den Ereignisstapel.
Jeder Spieler darf in jedem Spielzug eine Karte als zukünftiges Ereignis spielen. Dieses Ereignis tritt noch nicht in Kraft, es bleibt zunächst geheim. Wer militärisch stark ist, wird ein Ereignis spielen, das die Starken bevorzugt. Wer wissenschaftlich dominiert, spielt eins, das einen Bonus für Wissenschaft auswirft. Im letzten Drittel kommen Ereignisse in Umlauf, die Errungenschaften mit Kulturpunkten belohnen. Die Spieler haben also die Ausgestaltung der Endwertung selber in der Hand.
Oder auch nicht, weil sie unpassende Karten ziehen. Was aber auch daran liegen kann, dass sie zu wenig Karten bekommen, was wiederum von ihrem Staatsaufbau abhängt, also doch in eigener Hand liegt. Kurz: eine weitere Baustelle, um die man sich kümmern sollte.
Sobald ein Spieler ein zukünftiges Ereignis spielt, wird die oberste Karte der aktuellen Ereignisse aufgedeckt und ausgeführt (ist der Stapel aufgebraucht, rücken die zukünftigen Ereignisse nach). Bin ich (im Regelfall wegen militärischer Unterlegenheit) nicht scharf auf neue Ereignisse, überlege ich mir zwei Mal, ob ich eins auslösen soll. Wobei gerade die Überraschungen das Reizvolle sind: Was jemand vor etlichen Runden als zukünftiges Ereignis für vorteilhaft hielt und in den Stapel gab, kann sich bis zu seinem Eintritt längst ins Gegenteil verkehrt haben.
Dieser Mechanismus, der stimmig Emotion, Spannung und Schicksal in das ansonsten von Berechnung und Optimierung geprägte Spiel bringt, ist für mich das Sahnehäubchen.
THROUGH THE AGES von Vlaada Chvátil für zwei bis vier Spieler, Heidelberger Spieleverlag.
Was ändert sich in THROUGH THE AGES? 1. die Optik. Die Karten sind nun etwas größer und zweifellos schöner. Allerdings sind die Marker überwiegend aus Kunststoff statt aus Holz, und der Spielplan wurde wegrationalisiert. Für jede Skala und die Kartenauslage existiert nun ein eigenes Tableau. Angesichts des empfohlenen Verkaufspreises von 40 Euro finde ich diese Einbußen absolut okay.
2. die Spielbarkeit. Verluste (früher „Korruption“ genannt) treten nun vor der Produktionsphase ein, was die Planung sehr erleichtert. Auch in anderen Details wurde der Ablauf sanft geglättet und somit beschleunigt. Manche Nebeneffekte von Karten, die man leicht übersieht und nicht wirklich braucht, wurden gestrichen. THROUGH THE AGES ist deshalb noch lange nicht stromlinienförmig. Es kamen auch thematische Details hinzu. Ein Beispiel: Jeanne d’Arc kann nun in die Zukunft sehen.
3. das Feintuning. Tausende Fans finden in abertausend Partien meistens mehr heraus, als ein Autor zuvor testen kann. Manche Anführer erweisen sich im Dauertest als zu mächtig, andere entwickeln sich zu Ladenhütern. Solche Langzeiterfahrungen mit IM WANDEL DER ZEITEN sind in THROUGH THE AGES eingeflossen. Wer Karte für Karte vergleicht, findet etliche Anpassungen. Für mein Empfinden sind nun auch die Texte klarer formuliert. Außerdem sind Kriege und Überfälle nun etwas anders geregelt, um zu verhindern, dass Spieler völlig ausbluten. (Da ich die friedliche Variante bevorzuge, fällt dies für mich nicht ins Gewicht.)
Was taugt es? IM WANDEL DER ZEITEN habe ich seinerzeit mit „außerordentlich“ bewertet. Aber auch Spielgeschmack ist dem Wandel der Zeiten unterworfen. Frage also: Überzeugt mich THROUGH THE AGES noch genauso wie damals? Und die Antwort: Ja!
Nach wie vor sehr faszinierend finde ich den langsamen, stetigen (aber nicht mühseligen, sondern von mir als herausfordernd erlebten) Aufbau meiner Zivilisation. Ich brauche Nahrung, um meine Bevölkerung zu vermehren. Ressourcen, um meine Produktion anzukurbeln. Wissenschaft, um Technologien zu entwickeln. Militärstärke, um zu erobern oder zumindest abzuschrecken. Ein glückliches Volk, um in Ruhe regieren zu können ... Ach, und eigentlich geht es ja um Kultur. Also brauche ich Errungenschaften, die Kulturpunkte bringen.
In irgendwelchen Bereichen habe ich zwangsläufig Defizite. Die Kunst besteht darin, solche Schwächen eine Zeitlang hinzunehmen oder mit Aktionskarten zu kompensieren, aber rechtzeitig den Dreh zu kriegen, bevor ich in immer üblere Zwangssituationen gerate.
Was zu der Frage führt: Kann man noch aufholen? Manchmal ja, manchmal nein. Ich habe Partien erlebt, in denen zur rechten Zeit eine neue Technologie, eine neue Staatsform oder die Eroberung einer Kolonie das Ruder herumgerissen haben. Wenn man allerdings zu tief im Sumpf steckt, holt man nicht mehr auf. Nicht nur deshalb würde ich THROUGH THE AGES nicht zu viert spielen wollen. Denn zu viert dauert eine Partie fünf Stunden und länger, und man schaut viel dabei zu. Zu zweit kann man es in zweieinhalb schaffen, wenn beide das Spiel kennen.
Im Großen und Ganzen habe ich nun also das geschrieben, was ich schon zu IM WANDEL DER ZEITEN geschrieben habe. Als Bonus will ich zusätzlich ein weiteres Spielelement bejubeln, das ich 2009 unterschlagen habe: den Ereignisstapel.
Jeder Spieler darf in jedem Spielzug eine Karte als zukünftiges Ereignis spielen. Dieses Ereignis tritt noch nicht in Kraft, es bleibt zunächst geheim. Wer militärisch stark ist, wird ein Ereignis spielen, das die Starken bevorzugt. Wer wissenschaftlich dominiert, spielt eins, das einen Bonus für Wissenschaft auswirft. Im letzten Drittel kommen Ereignisse in Umlauf, die Errungenschaften mit Kulturpunkten belohnen. Die Spieler haben also die Ausgestaltung der Endwertung selber in der Hand.
Oder auch nicht, weil sie unpassende Karten ziehen. Was aber auch daran liegen kann, dass sie zu wenig Karten bekommen, was wiederum von ihrem Staatsaufbau abhängt, also doch in eigener Hand liegt. Kurz: eine weitere Baustelle, um die man sich kümmern sollte.
Sobald ein Spieler ein zukünftiges Ereignis spielt, wird die oberste Karte der aktuellen Ereignisse aufgedeckt und ausgeführt (ist der Stapel aufgebraucht, rücken die zukünftigen Ereignisse nach). Bin ich (im Regelfall wegen militärischer Unterlegenheit) nicht scharf auf neue Ereignisse, überlege ich mir zwei Mal, ob ich eins auslösen soll. Wobei gerade die Überraschungen das Reizvolle sind: Was jemand vor etlichen Runden als zukünftiges Ereignis für vorteilhaft hielt und in den Stapel gab, kann sich bis zu seinem Eintritt längst ins Gegenteil verkehrt haben.
Dieser Mechanismus, der stimmig Emotion, Spannung und Schicksal in das ansonsten von Berechnung und Optimierung geprägte Spiel bringt, ist für mich das Sahnehäubchen.
THROUGH THE AGES von Vlaada Chvátil für zwei bis vier Spieler, Heidelberger Spieleverlag.
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