Spiele sind Spiegel der vorherrschenden Kultur. Das klingt hochtrabend, bestätigt sich aber immer wieder. Grabraub beispielsweise finden wir offenbar so normal, geradezu abenteuerlich, dass er wiederholt als Spielthema herhalten darf.
Damit es sich besser anfühlt, gehe ich davon aus, dass wir in LUXOR selbstverständlich mit behördlichen Grabungslizenzen ausgestattet sind.
Wie geht LUXOR? Es ist ein Sammel- und Rennspiel. Mit unseren Figuren laufen wir den spiralförmigen Gang zur Grabkammer entlang. Unterwegs sacken wir Schätze ein (bzw. bergen sie für wissenschaftliche Zwecke), was immer dann erlaubt ist, wenn eine bestimmte Menge eigener Figuren auf demselben Feld steht. Meistens müssen es zwei sein, manchmal drei, selten genügt eine.
Sobald zwei Figuren in der Grabkammer angekommen sind, endet das Spiel. Nun punkten unter anderem noch Dreier-Sets verschiedener Schätze sowie alle Figuren entsprechend ihrem Standort. Je weiter man gekommen ist, desto besser … meistens.
Bewegt werden die Figuren mit Zahlenkarten. Jeder hat fünf. Sie werden nie umsortiert. Man spielt entweder seine ganz linke oder ganz rechte Karte, zieht anschließend eine nach, die exakt mittig in die Kartenhand geschoben werden muss. Blatt-Management ist also vonnöten; mit seinem Ausspiel bestimmt man auch immer die Möglichkeiten für den nächsten und übernächsten Zug.
Außer Zahlenkarten können auch (stärkere) Sonderkarten ins Blatt gelangen. Dazu muss eine Figur eins der sechs Felder betreten, die die Aufnahme solcher Karten erlauben. Perfide: Steht man hier bei Spielende, zählt die Figur nichts. Also: rechtzeitig wieder weg!
Was passiert? Der verwöhnte Vielspieler mag denken, all dies schon gesehen zu haben. Und gewiss: LUXOR ist eine Mixtur bekannter Elemente, aber – wie sich mit zunehmender Spielhäufigkeit zeigt – eine immer wieder interessante Mixtur, die sich nicht so schnell verbraucht.
Grund dafür ist die gelungene Balance aus Glück, Vorausplanung und zügigen Abläufen. Sich zwischen zwei Karten und maximal fünf Figuren zu entscheiden, überfordert fast niemanden, lässt aber gleichzeitig Raum für Taktik oder Spekulation: Ziehe ich zum Schatz, auf dem schon jemand steht? Gut möglich, dass dies ein Tempoverlust wäre, weil der Gegner sofort seine zweite Figur hinzieht. Aber ich könnte es im nächsten Zug auch, und wenn der andere es nicht kann, gehört der Schatz mir.
Figuren auf etwa gleicher Höhe zu haben, ist vorteilhaft, denn nur gemeinsam räumen sie die Beutestücke ab. Andererseits kann es lohnenswert sein, Figuren absichtlich am Start herumlungern zu lassen. Erbeutete Schatzplättchen werden teilweise durch neue Wege-Plättchen ersetzt. Mit Glück tut sich vorn auf der Piste ein Geheimgang auf und deutlich weiter hinten dessen Ende. Wer noch nicht am Eingang vorbeigelaufen ist, kann ohne großen Aufwand viel Strecke machen.
Und dann: die Sonderkarten. Natürlich will ich welche haben; es ist einfach cooler. Eine ermöglicht beispielsweise die letzte zur vorletzten Figur zu ziehen. Also versuche ich, meine letzte weit abreißen zu lassen und mit der vorletzten auf einem Schatzfeld zu warten, das genau zwei Figuren erfordert. Oder: die Sonderkarte, um mit sämtlichen Figuren zwei Felder zu gehen. Auch hier will ich es natürlich so drehen, dass ich gleich im Zweier- oder Dreierpack aufs Beutefeld marschiere.
Was die anderen Spieler tun, ist nicht unerheblich. Durch Wegnahme eines Schatzplättchens kann sich der Parcours plötzlich um ein Feld verkürzen, und meine Zahlenkarte führt mich eins weiter als gedacht. Und immer aufpassen, ob das Spielende droht! Auf Null-Punkte-Feldern überrascht zu werden, bedeutet im Regelfall die Niederlage.
Was taugt es? Nur zwei Kleinigkeiten gefallen mir nicht so: 1. Ich bin sehr erfolgreich damit, lieber schnell zu laufen als möglichst viel zu sammeln. Was absolut nicht bedeuten soll, Schätze seien überflüssig. Man muss schon mitnehmen, was man kriegen kann. Doch größere Umstände dafür lohnen sich eher nicht.
2. Ich habe erlebt, dass sich Spieler eigenhändig kaputtgespielt haben: Unmittelbar vor Spielende hatten sie sowohl links als auch rechts eine Karte, die sie zwang, eine oder gar mehrere Figuren auf Null-Punkte-Felder zu ziehen. Das passiert, wenn man zu viele Sonderkarten hortet und noch nicht weiß, wie gefährlich das sein kann. Es passiert also im Regelfall nur einmal, ist dann aber ziemlich frustrierend.
Wesentlicher ist: Das schön gestaltete LUXOR hat einen sehr angenehmen Flow, erlaubt trotzdem genügend Planungen und Entscheidungen und gefällt deshalb Drauflosspielern und Taktikern. Gewiss kann man beim Kartenziehen einfach Pech haben. Doch Erfolgserlebnisse hat trotzdem jeder mal. Und falls nicht mal das: Eine Partie geht schnell genug, um sein Schicksal zu verschmerzen.
***** reizvoll
LUXOR von Rüdiger Dorn für zwei bis vier Spieler, Queen Games.
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