Dienstag, 28. Mai 2019

Overbooked

Ich hätte gedacht, dass OVERBOOKED an mir als Bahnfahrer thematisch vorbeigeht, weil ich mich in die Problematik von Flugreisen kaum hineindenken kann. Aber es fällt mir dann doch überraschend leicht. Mit dem Phänomen, meinen Sitzplatz nicht zu bekommen (Zugausfall, fehlender Waggon) oder einen Platz wieder räumen zu müssen (fehlende Reservierungsanzeige), bin ich bestens vertraut.

Wie geht OVERBOOKED? OVERBOOKED ist ein Puzzlespiel. Jeder besitzt ein Tableau, das die leeren Sitzplätze eines Flugzeuges zeigt. Hierauf sollen Passagiere in bestimmten Mustern untergebracht werden: rote Liebende nebeneinander, weiße Kinder umringt von Erwachsenen, gelbe, grüne und blaue Cliquen in einer möglichst großen benachbarten Gruppe. Leere Plätze zählen negativ, hinausgeworfene Passagiere ebenfalls.
Bin ich am Zug, wähle ich eine von vier ausliegenden Karten. Wie bei TRIBES oder MAJESTY oder CENTURY – DIE GEWÜRZSTRASSE oder diversen anderen Spielen kostet es viel Geld, die gerade neu ins Spiel gekommene Karte zu nehmen, während sich auf unattraktiven Karten, die schon länger herumliegen, Geld ansammelt. Bin ich pleite, habe ich keine Wahl und muss einfach die älteste Karte nehmen.
Die Karte zeigt, welche Passagiere ich in welcher Anordnung in meinem Flieger unterbringen muss. Setze ich jemanden auf einen besetzen Platz, wird derjenige, der vorher dort saß und nichts Böses ahnte, rausgeworfen.


Was passiert? In OVERBOOKED spielen wir eher nebeneinander als miteinander. Der Spieler am Zug checkt die Auslage und seine Möglichkeiten und wählt die Karte, die ihm am besten passt.
Zu Beginn spielt sich OVERBOOKED noch recht entspannt. Man versucht rote Pärchen zu kombinieren und gleichfarbige Gruppen zu bilden und wählt entsprechende Karten.
Etwa bei Halbzeit des Spiels tauchen die ersten Nöte auf. Einige Karten passen nicht mehr gut rein. Man müsste irgendwas nehmen, was nicht sonderlich weiterhilft. Oder gar etwas, das Passagiere aus dem Flugzeug befördert und damit Minuspunkte verursacht. Wer mit seinem Geld gut haushaltet, hat zumindest noch Wahlmöglichkeiten. Wie hart es einen trifft oder ob gar die perfekte Karte auftaucht, ist immer auch Zufall.


Was taugt es? Die Aufgabenstellung ist ausgeklügelt und gleichzeitig sehr klar. So ergibt sich eine herausfordernde Puzzelei, die letztendlich aber weniger fesselnd ist als in vergleichbaren Spielen, weil sich zu wenige Spielzüge wie Entscheidungen anfühlen. Anfangs ist vieles noch relativ egal, später ist vieles vorgegeben.
Etliche Spieler haben Probleme damit, in ihrer Vorstellung die Kartenaufteilung auf ihr Flugzeug zu übertragen. Oft klappt es nur, wenn sie die Karte in die Hand nehmen, entsprechend ausrichten und direkt neben ihr Tableau halten. Das ist grundsätzlich kein Manko. OVERBOOKED richtet sich vielleicht gar nicht an alle, sondern vorrangig an Spieler mit einem gewissen räumlichen Vorstellungsvermögen. Allerdings passt dann für mich die etwas überladene, schreiend bunte kindliche Grafik nicht, die zudem die Plättchenfarben auf den Tableaus der anderen Spieler schwer erkennbar macht.
In der Anfängerversion von OVERBOOKED haben die Spieler generell weniger Möglichkeiten, um ihre gewählte Karte einzusetzen. Also werden ausgerechnet in der Anfängerversion die meisten Passagiere überbaut. Die frustrierendste Version des Spiels als Grundspiel zu präsentieren, halte ich für keine gute redaktionelle Idee.
Die „Spielvariante für Vielflieger“ hat diesen Frustfaktor nicht, verläuft oft allerdings schon wieder zu glatt und reibungslos. Erst die allerletzte Ausbaustufe „Event-Karten“ (= weitere Spielziele, die den Standardzielen teilweise zuwiderlaufen) bringt genügend Pfeffer ins Geschehen und lässt trotzdem Möglichkeiten für Planungen und Abwägungen. Jetzt kann OVERBOOKED grübelig werden, aber wenigstens ist es von Beginn an spannend.
In dieser Version gefällt mir OVERBOOKED besser als „mäßig“. Aber das Gesamtpaket hat einfach zu viele Mängel: eine Anleitung in sehr fehlerhaftem Deutsch; die außerordentlich unpraktische Punkteskala; die Notwendigkeit, auf den Karten der Auslage Geld abzulegen, wofür aber gar kein Platz ist, weshalb immer wieder Informationen überdeckt werden; der instabile, überdimensionierte Pappturm, der nur dazu dient, um den Startspieler zu markieren, und zusammengebaut nicht in die Schachtel passt. Und eben die seltsame Dramaturgie der Module von a) unnötig frustrierend über b) dahinplätschernd zu endlich c) interessant.


*** mäßig

OVERBOOKED von Daryl Chow für einen bis vier Spieler, Jumbo.

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