Bei Menschenpyramiden denke ich an Zirkus, Volksfest, Unterhaltung. Und ich denke kein bisschen an Arbeit. – Falsch gedacht!
Wie geht CASTELL? Wir sind hier nicht das Publikum. Sondern wir sind ein Castellteam, das von Stadt zu Stadt reist und Wettbewerbe bestreitet. Und trainiert, bis jede Kleinigkeit sitzt. Und das ist hart. Und dieses Gefühl von harter Arbeit simuliert CASTELL ganz hervorragend.
Die Regeln sind klar und überschaubar. Wer am Zug ist, darf (in beliebiger Reihenfolge) einen Ort weiterreisen, zwei Artisten anwerben, trainieren und sieben Mal im Spiel eine Sonderaktion durchführen, von denen die wichtigste ein Auftritt außer der Reihe ist, um Bonus-Punkte zu gewinnen.
Komplex wird das Ganze durch die Verzahnung. Artisten darf ich nur an meinen Aufenthaltsorten anwerben, die Auswahl ist überall begrenzt, und nicht jeden Artisten kann ich gut gebrauchen. Die großen gehören in einer Pyramide nach unten, die kleinen nach oben. Und vielleicht habe ich zu wenig große und um sie zu bekommen, müsste ich woanders hingehen als eigentlich gewünscht.
Trainieren lassen sich fünf Fertigkeiten. Welche wo, bestimmt ein Anzeigerad, das jede Runde weitergedreht wird, so dass jede Runde veränderte Bedingungen herrschen. Startet mein Zug in Barcelona und endet in Vilanova, kann ich nur das trainieren, was an einem dieser beiden Orte aktuell angeboten wird.
Und sofern ich an Punkten interessiert bin, schränkt sich meine Freizügigkeit weiter ein. Wenn am Ende von Runde 6 ein Festival in Vilafranca stattfindet und ich teilnehmen möchte, muss ich am Ende von Runde 6 in Vilafranca sein. Erfüllt meine Artistengruppe die Anforderungen, die in Tarragona bei Auftritten außer der Reihe gefordert sind, will ich möglichst schnell auch noch in Tarragona vorbeischauen, bevor mir jemand diese Wertung wegschnappt.
Was passiert? Den besten Weg und die besten auf diesem Weg möglichen Aktionen zu planen und zu koordinieren, ist eine heftige Knobelei. Zumal jedes Festival und jeder Sonderauftritt an Voraussetzungen geknüpft sind. Ich muss meine Pyramide immer wieder anpassen und, um konkurrenzfähig zu bleiben, während des gesamten Spiels immer weiter verbessern.
Für den Pyramidenbau gelten einfache Regeln. Und jede trainierte Fähigkeit erlaubt, diese Regeln auf irgendeine Weise zu brechen. Viele Spieler geraten an die Grenze ihrer Vorstellungskraft, um zu überblicken, wie es sich konkret auf die Höhe und Zusammenstellung ihrer Pyramide auswirkt, wenn sie nun „Mischen“ trainieren oder „Stärke“, und ob das nötige Personal vorhanden ist, um überhaupt Vorteile daraus zu ziehen.
CASTELL ist vielen eine Dimension zu viel. Während der Partie müssen Mitspieler Züge zurücknehmen, vergessen irgendwelche Kleinigkeiten und wollen sie später schnell nachholen, wollen irgendwas trainieren, das sie an ihrem Aufenthaltsort gar nicht trainieren dürfen, errichten Pyramiden, die sie mit den Fähigkeiten ihrer Gruppe gar nicht errichten dürften, und kriegen einen Knoten im Kopf. Und dafür müssen nicht mal Grübler am Tisch sein; es genügt eine normal begabte und somit normal überforderte Spielerunde.
Das ist schade, denn abgesehen von der schlechten Farbgebung des Spielplans, die Verwechslungen provoziert, macht CASTELL viele Dinge richtig.
Was taugt es? Das Thema ist unverbraucht, die Mechanismen sind ebenfalls unverbraucht und sehr originell (und wahrscheinlich fallen sie den Spielern deshalb so schwer), Abläufe und Mechanismen bilden obendrein das Thema sehr gut ab. Die Spielgeschichte lautet: Ich reise ich durch die Lande und bilde Menschenpyramiden. Und was passiert im Spiel? Ganz exakt das! Perfekt!
Aber ein Spiel soll eben auch spielerisch sein. CASTELL fühlt sich mehr nach Denksportaufgabe und Logikpuzzle an. Es hat nichts Leichtes an sich, nur Schweres. Das muss nicht grundsätzlich falsch sein. SCHACH hat auch nichts Leichtes an sich und besitzt trotzdem viele Fans. Mir nötigen solche Spiele Achtung ab, Vergnügen bereiten sie mir aber nicht.
**** solide
CASTELL von Aaron Vanderbeek für zwei bis vier Spieler, Schwerkraft.
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