Dienstag, 18. August 2020

Watergate

Die Einleitung wurde per Dekret des Präsidenten zur geheimen Verschlusssache erklärt.

Wie geht WATERGATE? Nixon gegen die Presse, ein asymmetrisches Spiel. Die Presse gewinnt, indem sie Informanten an den Spielplanrändern platziert und zwei von ihnen durch Farbplättchen mit der Mitte des Spielfeldes verbindet. Das nennt sich dann „Indizienkette“. Nixon spielt auf Zeit. Sobald er fünf rote Marker gesammelt hat, endet seine Amtszeit, Nixon sagt ätsch und alle Akten werden leider geschreddert. Versehentlich.
Jede Runde kämpfen wir um fünf Elemente: den roten Stein, einen weißen Stein, der bestimmt, wer in der kommenden Runde Startspieler*in ist und mit fünf statt vier Handkarten spielt, sowie drei zufällige Farbplättchen. Zu Rundenbeginn liegt all dies auf der Mitte einer Skala zwischen Nixon und Presse. Alle Materialien, die sich nach dem Ausspielen unserer neun Handkarten auf meiner Hälfe befinden, gehören mir. Als Presse lege ich dann die Farbplättchen auf entsprechende Farbfelder, als Präsident lege ich sie als Blockade.
Die Karten steuern also das Spiel. Beide Parteien haben unterschiedliche Decks, wir spielen abwechselnd aus und wählen eine von zwei Kartenfunktion. Entweder nutzt man den Zahlenwert, um einen Marker oder ein Plättchen in die eigene Richtung zu ziehen. Oder man folgt den Anweisungen im Textteil. Besonders starke Karten sind nach einmaligem Gebrauch des Textteils futsch. Das Deck dünnt sich also aus, vor allem wenn man die besten Karten gleich beim ersten Einsatz verballert.


Was passiert? Eine Partie WATERGATE ist ein gewisses Abtasten. Als Presse muss ich alsbald zu Ergebnissen kommen, bevor das Spiel vorbei ist. Weil aber Nixon gefährliche Karten besitzt (ich weiß bloß nicht, ob aktuell auf der Hand), will ich mich auch nicht zu sehr aus der Deckung wagen. Skalen-Fortschritte könnten auf einen Schlag wieder verloren gehen.
Beim abwechselnden Ausspielen belauern wir uns gegenseitig. Manche Karten hauen besonders rein, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Darf ich zum Beispiel als Nixon ein Plättchen auf das Feld 0 bewegen und den roten Marker auf mein Feld 1, wäre es wunderschön, hätte die Presse Plättchen und Marker zuvor schon unter Mühen ein gutes Stück in ihre Richtung gezogen. Das warte ich, wenn möglich, ab.
Anderes Beispiel: Manche Karten negieren den Effekt der gegnerischen Karte. Und weil man weiß, dass es sie gibt, stellt sich die Frage, ob man erst mal ein mittelbedrohliches Ereignis spielt in der Hoffnung, dass es geblockt wird, und sich das noch bedrohlichere Ereignis für den Folgezug aufbewahrt.
Weil man nicht weiß, welche Möglichkeiten das Gegenüber gerade hat, und weil manche Ereignisse auch dem Zufall unterliegen, gibt es immer wieder Überraschungen. Trotzdem ist WATERGATE klar taktisch geprägt. Man schätzt Risiken ab, legt Köder aus, versucht die Gegenseite zu lesen und so zu agieren, dass es möglichst nicht gekontert werden kann. Die Partien können sehr spannend verlaufen.


Was taugt es? Ich sehe die Stärken des Spiels; trotzdem kommt es für mich nicht über „solide“ hinaus. Das Spielthema finde ich deutlich spannender als die verwendeten Mechanismen. Was natürlich umgekehrt für die gelungene Themenwahl spricht: Es wurde nicht einfach was aufgepfropft. Man kann sich beim Spielen durchaus vorstellen, in einer politischen Welt mit Geheimhaltung, Vertuschung, Zeugen und Beweisen zu sein.
Doch bin ich eher der Mechanismen-Spieler. Um mich in den Bann zu ziehen, genügt ein Thema allein eher selten. In WATERGATE reduzieren sich unsere Handlungen schlussendlich darauf, Marker auf Skalen zu verschieben – letztlich ein klassischer Mehrheiten-Mechanismus. Und die Art, wie wir das in Gang setzen, ist auch nicht gerade ungewöhnlich. Das habe ich alles so ähnlich schon häufiger erlebt, nur dass es nicht um Nixon und Journalisten ging. Um WATERGATE häufiger spielen zu wollen, fehlt mir der besondere Dreh, der ganz spezielle Dilemmata oder ein unverwechselbares Spielgefühl erzeugt und den ich deshalb immer wieder erleben möchte.
Redaktionell finde ich WATERGATE sehr gut gemacht. Grafik, Material, Anleitung, Übersichten: alles top. Als krönenden Bonus enthält das Spiel ausführliche historische Hintergrundinformationen.


**** solide

WATERGATE von Matthias Cramer für zwei Spieler*innen, Frosted Games / Pegasus Spiele.

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