Montag, 25. Januar 2021

MicroMacro: Crime City

Die Einleitung ist verschwunden. Zuletzt gesehen wurde sie vor dem Schreibwarenladen im Osten der Stadt. Was ist mit der Einleitung geschehen? Findet zunächst den Schreibwarenladen!

Wie geht MICROMACRO? So ungefähr könnte einer der 16 Fälle beginnen. Allesamt spielen sie auf einem riesigen (110 x 75 cm großen) Wimmelbild-Poster, das die – mutmaßlich fiktive – Stadt Crime City zeigt. Nicht nur die Gegenwart ist zu sehen, sondern verschiedene Zeiten gleichzeitig. Hat man die Schreibwarenhandlung gefunden, sieht man vielleicht die Einleitung davor stehen, offenbar im Streitgespräch mit einem fiesen Typen, der einen Sack mit einer Million bei sich trägt.
Schaut man sich nun in der näheren Umgebung um, findet man einen Müllcontainer, in den dieser zwielichtige Geselle hämisch grinsend etwas hineinwirft. Die Einleitung? Etwas weiter sieht man, wie er sich schnellen Schrittes entfernt. Wohin?
Karten steuern uns mit Fragen durch den Fall. Wir werden ausgefordert, Wohnorte von Opfern oder Tätern zu finden, Beweisstücke zu erspähen, Todesursachen zu ergründen, Motive nachzuweisen. Alles folgt sinnvoll schrittweise aufeinander. Die Schrittlängen werden von Fall zu Fall aber etwas größer und die Fälle damit schwieriger.

Auf der Kartenrückseite befindet sich jeweils die Auflösung. Dort sieht man nach, wenn man glaubt, die Lösung gefunden zu haben. Oder wenn man steckengeblieben ist.
Nach den 16 Fällen ist die Box dann erst mal ausgespielt. Man hat aber ein paar Stunden damit verbracht. Und vermutlich hat man nach einem halben oder ganzen Jahr auch schon wieder etliches vergessen und könnte einige Fälle von vorn beginnen.

Was passiert? Man sucht auf dem Spielplan herum. Mal gezielter, mal auch planlos, weil man gerade keine Idee hat, wonach man eigentlich Ausschau hält. Man kommt sich dabei auch ziemlich nahe. Der empfohlene Corona-Sicherheitsabstand wird klar unterboten.

Mit mehr als einer weiteren Person habe ich MICROMACRO bislang nicht gespielt und würde mir auch nichts davon versprechen. Selbst zu zweit versperrt man sich gelegentlich gegenseitig die Sicht, weil storybedingt meistens beide im selben Bezirk herumsuchen und weil man auch nahe ans Poster herangehen muss, denn die Wimmelbilder sind – natürlich – wimmelig und klein. Die beiliegende Lupe hilft wenig. Ich bin dazu übergegangen, den Zoom meiner Handykamera zu benutzen.
Zwei der Fälle habe ich solo gespielt, das ist aber nur eine Notlösung. MICROMACRO lebt davon, dass wir uns austauschen, Hypothesen formulieren, zusammenarbeiten. Mit mehreren zu spielen, hat auch den Vorteil, dass die anderen noch weiterrätseln können, wenn eine*r die Lösung nachschaut und sich das Ermittlungsergebnis als nicht ganz richtig erweist. Mehrfach waren wir auch unsicher, ob unsere Lösung schon die vollständige Lösung ist. Dann ist es schön, wenn jemand mal nachsehen kann, bevor man unnötig fünf Minuten weitersucht, obwohl man’s doch längst hat.


Was taugt es? Die Idee, die Geschichten eines Wimmelbildes spielerisch zu nutzen und den Spieler*innen Rätsel zu stellen, ist bestechend. Es geht um mehr, als Dinge nur zu suchen. Wir müssen auch kombinieren und Schlussfolgerungen ziehen.
Ich hätte gerne Erfahrungen mit jüngeren Spieler*innen gesammelt. Aufgrund von Sie-wissen-schon war mir das bislang nicht möglich. So kann ich vorerst nur aus meiner und der Warte anderer Erwachsener urteilen: MICROMACRO ist sehr interessant – aber auf Dauer auch etwas ermüdend. Wenn kommende Boxen ähnlich gestrickt wären wie diese, wäre ich gar nicht mehr so heiß darauf. Der hohe Reiz des Neuen hat sich inzwischen abgespielt.
So belohnend es ist, etwas zu finden und schöne Aha-Momente zu haben: Die Profi-Fälle können zur Geduldsprobe werden. MICROMACRO ist dann auch Fleißarbeit. Und bei aller Unterhaltsamkeit: Bemerkenswerte Geschichten erleben wir hier nicht. Im Gegenteil funktioniert das Spiel nur deshalb, weil die Fälle Klischees bedienen und auf simplen Folgerichtigkeiten beruhen.
Die Stärken von MICROMACRO überwiegen dennoch. Es sind die Unverbrauchtheit der Idee, Anmutung und Präsentation, die detailverliebte Gestaltung, das gleichberechtigte Zusammenspielen und vor allem: dass das Spiel quasi keine Regeln benötigt. Das Medium Wimmelbild ist so stark und hat einen derartigen Aufforderungscharakter, dass sich das Spielen von selbst und aus der Natur der Sache ergibt.


***** reizvoll

MICROMACRO: CRIME CITY von Johannes Sich für eine*n bis vier Spieler*innen, Edition Spielwiese / Pegasus Spiele.

3 Kommentare:

Sebastian hat gesagt…

Ich habe das Glück, MicroMacro mit meinen Kindern (8 und 5 Jahre) spielen zu dürfen. Sie lieben es, sind mit Feuereifer dabei und haben tatsächlich einfach mal "sich selbst einen Fall ausgedacht". Später kam dann heraus, dass ihre Ideen und Funde im Wesentlichen einem der enthaltenen Fälle entsprachen. Aber was hatten sie dabei für einen Spaß! Die Wimmelfiguren sind großartig: Durch die tierischen Merkmale wie Hasenohren sprechen sie Kinder an und sind dabei eindeutig erkennbar.
Das Platzproblem existiert allerdings zu dritt unbestreitbar. Zum Glück finde ich die Hinweise meist etwas früher, kann mich dann etwas zurücknehmen oder dezent die Kinder leiten, wenn sie auf der falschen Fährte sind, so dass das Gedränge dann abnimmt. Der einzige Nachteil ist, dass sich den Kleinen manche Motive der Mörder nicht erschließen oder manche Worte erklärungsbedürftig sind ("Papa, was ist eine Prostituierte?"). :)

PS: Die Schaltflächen zum Absenden des Kommentars sind bei mir gerade leider kaum sichtbar.

M. hat gesagt…

Schließe mich diesem Kommentar das komplett an. Konnte mit meinen Kinder (5 und 9, wobei die Größere mehr Geduld hatte) auch das Spiel spielen. Die Große war so heiß darauf, dass sie es in wenigen Tagen durchgespielt hatte.

Udo hat gesagt…

Auch bei mir: die 10-jährige hatte die Fälle in Windeseile durchgespielt, teilweise alleine ohne mich. ;-)

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