Kinder, wie die Zeit vergeht …! Alle 100 Jahre, so lese ich auf der Schachtel von WITCHSTONE, versammeln sich Hexen und Zauberer beim altehrwürdigen Zauberstein, um ... äh ... das zu machen, was man in WITCHSTONE eben tut. Und so häufig, wie ich mittlerweile dabei war, frage ich mich wirklich, wo eigentlich mein Rentenbescheid bleibt.
Wie geht WITCHSTONE? Wir puzzeln uns Aktionspunkte. Wer am Zug ist, legt eins seiner fünf Legeteile auf sein Tableau. Die Teile sind geformt wie bei EINFACH GENIAL, sind also wie zwei aneinandergeklebte Sechsecke. Jedes Sechseck zeigt ein Symbol. Die Anzahl gleicher Symbole, die ich aneinandergelegt habe, bestimmt, wie viele Aktionen ich habe. Die Art des Symbols definiert die Art der Aktion. Ich löse also in jedem Zug zwei verschiedene Arten von Aktionen aus, jeweils mindestens einmal; wenn es gut läuft, dann sogar sechs, sieben, acht … Mal.
Zwei der Aktionsarten haben mit Ausbreitung auf dem Spielplan zu tun. Ich will Verbindungen bauen und neue Orte besetzen. Zwei der Aktionen helfen mir beim Puzzeln. Einerseits indem ich auf meinem Tableau Blockaden aus dem Weg räume, andererseits indem ich außer der Reihe Einzel-Sechsecke bekomme, die zwei Symbole zugleich zeigen. Geschickt platziert, lassen sich damit große Flächen identischer Symbole konstruieren.
Und die übrigen beiden Aktionen bringen einerseits Punkte (abhängig von meinen Errungenschaften: beispielsweise wie viele meiner Blockaden ich schon losgeworden bin oder welche Orte ich auf dem Spielplan angebunden habe). Andererseits können diese Aktionen auch andere Aktionen auslösen oder verstärken.
Was passiert? Weil unser Tableau zu Beginn fast leer ist, haben wir noch nicht so viele Möglichkeiten und machen hier mal eine, da mal zwei Aktionen. Gegen Ende wird es immer mehr, und manche Aktionen können nun wieder andere Aktionen auslösen, die noch mehr Aktionen auslösen, die wiederum Wertungen auslösen … ein Zug kann sich jetzt in die Länge ziehen und unübersichtlich werden. Es ist ein ähnliches Kettenprinzip wie bei GANZ SCHÖN CLEVER und Co.
Das fühlt sich natürlich belohnend an – wenn man selbst am Zug ist. Für die anderen kann es auch ätzend werden, insbesondere wenn jemand anfängt, seine Aktionen durcheinanderzuwerfen oder zu korrigieren oder rückabzuwickeln. Das ist teils natürlich ein Problem der Mitspielenden, teils aber auch eine Gefahr, die WITCHSTONE nun mal heraufbeschwört. Man kann WITCHSTONE erwiesenermaßen in 20 Minuten pro Person spielen. Oder in 50 Minuten pro Person. Mir ist Ersteres eindeutig lieber.
Eine Geschichte erzählt WITCHSTONE nicht. Wir breiten uns aus und wir laufen auf einer Skala und in einem Rondell um die Wette. Wir spielen mehrere Mini-Spiele gleichzeitig, und ihr gemeinsamer Motor ist unsere Symbol-Puzzelei. Alles ist eng miteinander verzahnt, die verschiedenen Aktionen und Mini-Spiele beeinflussen sich gegenseitig.
Was taugt es? WITCHSTONE ist eines der Spiele, die ich auch nach der Rezension ganz bestimmt noch weiterspielen werde, denn ich fühle mich noch lange nicht fertig damit. Das Spiel verlockt mich, immer wieder andere Schwerpunkte zu setzen: Erst mal die Barrikaden weg? Oder viele Extra-Sechsecke holen? Auf dem Spielplan durch Ausbreitung Fakten schaffen? Ich konkurriere mittlerweile nicht nur mit meinen Mitspieler:innen, sondern auch mit meinem Highscore.
Interessant sind auch die Timingfragen. Grundsätzlich ist WITCHSTONE ein Wettrennen. Ich will schneller sein als die anderen, ihnen Raum wegnehmen, ihnen Boni wegschnappen. Im Widerspruch dazu stehen Elemente, die es belohnen, etwas zum idealen Zeitpunkt zu tun. Beispiel Zauberstab-Skala: Hier gewinnt man Extra-Aktionen. Und wer besonders schnell ist, bekommt diese Aktionen sogar doppelt. Jedoch gewinnt man auf dieser Skala auch zwischendrin Punkte für bestimmte Besitztümer, und je schneller ich hier vorbeihetze, desto weniger Besitztümer habe ich, die jetzt punkten.
Von der Aktions-Puzzelei geht ein großer Reiz aus. Bei BONFIRE hatte ich das Gefühl, dieses sehr faszinierende Element komme etwas zu kurz. Das ist in WITCHSTONE anders. Hier steht es im Zentrum, während die Aktionen an sich eher einfach gehalten sind.
Besonders gut gefällt mir auch, wie die Blockaden und Bonus-Sechsecke eine zusätzliche Herausforderung bilden. Natürlich strebe ich das perfekte Superpuzzle an, aber immer wieder tauchen Probleme auf, die mich hindern, so zu legen, wie ich es für optimal halte. Damit muss ich umgehen, muss mich entscheiden.
Anders als in EINFACH GENIAL gibt es jede Plättchen-Kombination nur einmal. Ich kann nicht auf das Glück hoffen, häufiger mal dasselbe zu ziehen. Edelstein und Zauberstab liegen auf den Tableaus nahe beisammen. Also kann ich mit recht wenig Aufwand das Edelstein-Zauberstab-Plättchen so platzieren, dass es sowohl an vorhandene Edelsteine als auch Zauberstäbe grenzt.
Doch was mache ich mit dem Zauberstab-Pentagramm-Plättchen? Diese Symbole liegen sich gegenüber. Was gewichte ich da höher? Beginne ich eine zweite Pentagramm-Fläche? Lasse ich das Teil einfach weg? Weil ich immer nur fünf Teile zur Auswahl habe und der Zufall bestimmt, in welcher Reihenfolge ich meine Plättchen nachziehe, kann ich nicht jedes Mal dasselbe Muster bauen.
Sinnvollerweise orientiere ich mich da auch an den Mitspielenden. Zwar gibt es keine direkte Interaktion, und bei nur zwei Spieler:innen ist auf dem Spielplan auch so viel Platz, dass man sich selten nahekommt, dennoch ist es natürlich wenig ergiebig, nur dort nachzuziehen, wo schon andere vorweggelaufen sind. Genau aus diesem Grund habe ich übrigens den Eindruck, dass anzufangen in WITCHSTONE ein Vorteil ist.
***** reizvoll
WITCHSTONE von Reiner Knizia und Martino Chiacchiera für zwei bis vier Spieler*innen, R&R Games / Huch!
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