Für Spieleautor:innen sucht man gerne Schubladen: Sind sie eher Uhrmacher:innen? Oder eher Geschichtenerzähler:innen? Um Daniel Newman einzusortieren, genügt ein Blick aufs Cover von WATCH.
Wie geht WATCH? Wir arbeiten in einem Uhrenwerk und schmuggeln obskure Kisten hinaus. Dazu setzen wir Figuren ein. Jede:r besitzt eine. Acht Felder stehen zur Wahl, außer sie sind schon besetzt. Auf vier der Felder wird man die gewünschte Aktion problemlos durchführen können. Die vier anderen Felder aber – und tendenziell sind es natürlich die interessanteren – sind illegal. Pro Runde werden eins bis drei von ihnen überwacht. Welche das sind, hat entweder ein:e Spieler:in oder der Zufall festgelegt. Agiert man auf einem Feld, bei dem sich hinterher herausstellt, dass es bespitzelt wurde, kostet das eine satte Strafe.
Aktionen bringen uns Geld und Zahnräder; das sind die Währungen. Wir dürfen Kisten aus der Fabrik schaffen, was Punkte zählt. Wir erwerben Aktionskarten. Je häufiger ich einen Spielplanbereich besuche, desto stärker wird die Aktion, die ich dort ausführen darf. Wo ich nur selten bin, kann ich auch nicht viel.
Wie viel mein Besitz am Ende zählt, hängt von insgesamt sechs Skalen ab, auf denen wir pro Zug einen Chip einsetzen. Eine Aktion – leider illegal – erlaubt, einen Extra-Chip zu platzieren. Mehr Chips zu haben, wäre gut, denn auf allen Skalen bestimmt eine Mehrheitswertung meinen Schlussmultiplikator. Zum Beispiel multiplizieren zwei der Skalen das Bargeld. Bin ich auf beiden Skalen führend, zählt jede meiner Münzen fünf Punkte. Bin ich nicht mal irgendwo Zweiter, punkten meine Münzen gar nicht.
Was passiert? WATCH spielt sich ganz schön vertrackt. Klar ist, dass man seinen Besitz vermehren sollte. Unklar aber bleibt, wie man das schlau und gezielt anstellt und dann noch mit einer hohen Wertung krönt. Felder auf der Zahnrad-Multiplikations-Skala bringen als Sofort-Ausschüttung Geld. Welches ich dann aber gar nicht so dringend haben will, sondern Zahnräder, um sie zu multiplizieren. Zahnräder wiederum spendiert die Kisten-Multiplikations-Skala. Aber – man ahnt es – wenn ich mich dort engagiere, will ich ja eigentlich Kisten.
Dieser Widerspruch ist einerseits interessant, führt jedoch andererseits dazu, dass man in WATCH nur schwer ein Gefühl dafür entwickelt, welche Aktionen sinnvoll sind und ob der eigene Zug irgendwas gebracht hat.
Ebenfalls trickreich, aber leichter durchschaubar und deshalb von Anfang an reizvoll ist der Einsatzmechanismus. Wir nehmen die Figuren zwischen den Runden nicht vom Brett, sondern hüpfen von Feld zu Feld, was dazu führen kann, dass Aktionen rundenübergreifend blockiert sind, weil die Person, die dort steht, erst ganz am Schluss an die Reihe kommt, ihren Ort zu wechseln.
Diese Zwänge lassen sich taktisch nutzen, um die Möglichkeiten anderer Spieler:innen einzuengen, um gezielt früh oder absichtlich spät an die Reihe zu kommen. Ein Uhrzeiger, der auf dem runden Einsetzplan voranschreitet, bestimmt, in welcher Reihenfolge Aktionen ausgeführt und Figuren versetzt werden. Es lässt sich also vorausberechnen.
Was taugt es? Im Uhrzeigermechanismus, der dem sattsam bekannten Figureneinsatz noch mal einen neuen (haha) Dreh verleiht, steckt die Stärke von WATCH. Und spannende Momente erlebt man immer dann, wenn man etwas Verbotenes wagt. Auch das ist ein ungewöhnliches Element. Angenehm fallen zudem die klare Struktur und die Stringenz des Spiels auf. Die Entscheidungen sind schnell getaktet, WATCH erreicht trotzdem Tiefe.
Aber auch wenn mit Uhrzeigern, Zahnrädern und grau-brauner Optik alles auf Uhrenfabrik in der Sowjetunion getrimmt ist, bleibt das Spiel abstrakt. Man spielt kein Thema, man spielt einen Mechanismus. Es entwickelt sich keine Story, es entwickelt sich allenfalls der Vermögensstand.
WATCH ist ein nüchternes Spiel. Obwohl es in meinen Runden eher positiv überrascht hat, denn die Aufmachung war nicht gerade ein Lockmittel, lässt es am Ende doch kalt. Ein Spiel wird nicht besonders dadurch, dass es mehrere ungewöhnliche Details summiert. Anders als WATCH gelingt besonderen Spielen obendrein eine harmonische übergeordnete Verbindung, sei es in Form einer nachvollziehbaren Geschichte oder eines klaren Spielziels statt nur der Aufaddierung von Punkten in diversen Sammelgebieten.
**** solide
WATCH von Daniel Newman für eine:n bis vier Spieler:innen, PD-Verlag.
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