Spiele für zwei waren Ende der 90er-Jahre heiß. Man kann sagen, mit DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL FÜR ZWEI SPIELER war ein neues Marktsegment eingeführt worden. Zweierspiele bekamen plötzlich sehr große Aufmerksamkeit.
Was war das Neue an diesen neuen Zweier-Spielen? Ganz sicher nicht die Spieler:innenzahlbegrenzung. Go oder Schach spielt man schließlich schon seit Jahrhunderten nur zu zweit. Neu war nun aber, zu zweit eben nicht mehr Schach oder Schachartiges zu spielen. Zum Imagewandel des Zweier-Spiels hatte ich schon bei DVONN zwei, drei Sätze geschrieben. Die (Obacht: Werbung!) brandaktuelle SPIEL DOCH 1-22 widmet sich dem Thema ausführlicher.
Wie alle Wellen begann auch diese irgendwann zu verebben. Die Wahrnehmung wurde eine andere, die Spiele waren nicht mehr so besonders. Das kann an den Spielen selbst gelegen haben, denn es erschien natürlich auch viel Mittelmaß. Allerdings war das in den vermeintlich goldenen Jahren davor nicht anders gewesen; an die Highlights erinnert man sich nur viel besser.
Es erschienen jetzt aber auch insgesamt mehr Zweier-Spiele. Allein im Kosmos-Verlag waren es 2002 vier, 2003 dann noch mal vier. 2003 schließlich stieg obendrein Ravensburger (zu spät) in das Segment ein. Plötzlich gab es ein Überangebot. Und mit diesem Überangebot und einer gewissen Sättigung und dem langsamen Verebben der Welle würde ich mir erklären, warum eins der Spiele aus dem Jahr 2002 unverdient untergegangen ist: Richard Borgs HOW-RUCK!
Heute würde man Bier-und-Brezel-Spiel dazu sagen. Damals sagte man das noch nicht, außerdem ist es sowieso viel eher ein Whisky-und-Seil-Spiel. Zwei Teams messen sich im Tauziehen. Wer dreimal das Whiskyfass auf seine Seite zieht, gewinnt. Pro Zug spielt man eine Karte, meistens eine Personenkarte. Die legt man im eigenen oder im fremden Team an. Farblich passend. In jedem Team gibt es für jede Farbe nur ein Feld. Eine neue blaue Karte überdeckt die vorhandene blaue Karte.
Auf manchen Karten steht zusätzlich „How Ruck“. Jetzt kommt es zum Kräftevergleich. Die Summe der Zahlenwerte beider Seiten besagt, welches Team stärker ist und das Fass entsprechend der Differenz in seine Richtung zieht.
Das ist lustiger, als es taktisch ist. Gute Karten legt man zu sich, schlechte zum Gegenüber. Aktionskarten können alle Bemühungen zunichtemachen, weil sie vielleicht das Seil reißen lassen und alles von vorn beginnt oder ausnahmsweise das schwächere Team ein paar Seilmeter gutmacht.
Es wäre nicht unbegründet, HOW-RUCK! als banal abzutun. Was ich dagegen immer toll fand und immer noch toll finde: In diesem „lockeren Muskelspiel für Zwei“ (Untertitel) passt alles zusammen. Der Anspruch, das Thema, die Aufmachung, das bekloppte Cover, auf dem irgendwer schon kopfüber im Whiskyfass steckt. Die Karten setzen die angestrengten Sportler charmant in Szene. Sportlerinnen sind hier die Joker und oft viel stärker. Und der Superjoker ist Nessie. Mit einem … na ja, unvermeidlichen Restrisiko. Eine Aktionskarte besagt, dass Nessie ihr gesamtes Team auffrisst. Aber keine Sorge, das ist nur ein Jahrtausendereignis. Und wenn es doch mal wieder passiert, hat die Partie einen Höhepunkt erreicht.
- Vor 20 Jahren (110): Alles im Eimer
- Vor 20 Jahren (112): Biberbande
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