Dienstag, 7. Dezember 2021

Vor 20 Jahren (108): Dvonn

In meinen Spielerunden wird um abstrakte Zwei-Personen-Strategiespiele lieber ein Bogen gemacht. Zugegeben, wenn nicht gerade Pandemie ist, spielen wir sowieso selten zu zweit. Aber wenn es denn doch mal passiert, kommen tendenziell dieselben Spiele auf den Tisch, die auch zu dritt oder zu viert gespielt worden wären. Was dagegen irgendwie im Entferntesten nach Schach aussieht, nach weiße Steine gegen schwarze Steine, nach Hirn gegen Hirn, schreckt ab.

Warum? Spiele ohne Zufallsfaktor hinterlassen bei vielen Unterlegenen ein im wahrsten Sinne dummes Gefühl. Und schon vor Partiebeginn scheinen sie wenig Freudvolles zu versprechen. Man wird ganz viel im Gedanken durchspielen und mehrere Züge im Voraus planen müssen. Bäh!
Lustigerweise ist das in den Spielen, die dann statt der rein abstrakten gespielt werden, oft genauso: Auch hier muss man viel im Gedanken durchspielen und mehrere Züge im Voraus planen; manchmal sogar noch tiefer und vielschichtiger. Aber es sind Schafe dabei oder Zwerge oder Waren, und das verharmlost die Sache enorm.

Die „Spiele für Zwei“-Serie bei Kosmos durchbrach vor 25 Jahren die üblichen Hemmschwellen. Diese Spiele waren bewusst nicht schachartig, sondern spielten in einer der typischen Eurogame-Welten. Rom, Ägypten, Dschungel, Fantasy, Mittelalter.
Und dann war da noch die 1996 begonnene GIPF-Reihe von Kris Burm, deren Spiele – obwohl themenlos Weiß gegen Schwarz und Hirn gegen Hirn – oft eine unerwartete Leichtigkeit besaßen, sodass selbst Menschen gerne mitspielten, die – siehe oben – sonst lieber einen Bogen machten.


Insbesondere DVONN (2001) hat diese Leichtigkeit. Und das liegt meines Erachtens an den sehr wenigen und zudem intuitiven Regeln und zweitens an der Art, wie sich eine Partie entwickelt.

Kurz zu den Regeln: Wir ziehen von besetzten Feldern auf andere besetzte Felder. So entstehen Türme, deren oberste Farbe den Turm besitzt und deren Höhe über die Zugweite bestimmt.
Was bis zu dieser Stelle herkömmlich ist, bekommt seinen Dreh durch die drei neutralen roten Steine. Alles, was irgendwann nicht mehr mit einem roten Stein verbunden ist, fliegt aus dem Spiel. So geht immer mehr Material flöten, zumal auch Zugzwang herrscht. DVONN endet, wenn niemand mehr ziehen kann. Wer dann die meisten Steine beherrscht, gewinnt.

Weil alle Steine dasselbe können, scheint es bei der Menge an Steinen, die sich in der Eröffnung auf dem Brett tummeln, noch nicht so arg entscheidend zu sein, ob man den dritten von links oder den zweiten von rechts zieht. Um nicht schon jetzt Grundlegendes zu verbocken, genügt es, wenigen Leitlinien zu folgen, und der Rest ergibt sich dann.
Je weiter das Spiel fortschreitet, desto leerer das Brett und desto klarer lassen sich die Möglichkeiten und Konsequenzen überblicken. DVONN gibt das Gefühl, bis zu einem gewissen Punkt aus dem Bauch spielen zu können, und ab da, wo das nicht mehr geht, die Möglichkeiten zu erkennen. Man hat nie das Gefühl, es sei zu komplex.

Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass ich DVONN fatal unterschätze, und in Wahrheit ist es wie bei Schach, und die Partien sind viel früher gelaufen, als ich denke. Solange man das nicht weiß und es sich nicht so anfühlt, ist es aber auch nicht schlimm. Schach ist im Gegensatz zu vielen anderen Spielen leider so durchanalysiert und durchgerechnet, dass alles Spielerische verloren gegangen ist. DVONN nicht.


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