Der Jekyll in mir würde zu gern eine Einleitung schreiben, doch mein innerer Hyde macht alles wieder kaputt.
Wie geht JEKYLL VS. HYDE? Es ist ein Stichspiel für zwei Personen. In jeder der drei Runden werden zehn Stiche gespielt. Jekyll möchte Ausgeglichenheit, also im Bestfall, dass beide Seiten je fünf Stiche gewinnen. Hyde möchte das Gegenteil. Für jeden Stich, den irgendwer mehr hat als sein Gegenüber, zieht die „Identitätsfigur“ bei Rundenende einen Schritt weiter. Nach zehn Schritten gewinnt Hyde, bei weniger Schritten Jekyll.
Das Blatt umfasst drei Farben und farbneutrale Tränke. Normalerweise müssen angespielte Farben bedient werden, ein Trank aber kann immer gelegt werden. Der ist nun nicht etwa Trumpf, sondern bewirkt einen Sondereffekt, zum Beispiel einen erzwungenen Kartentausch oder einen Wechsel der Farbhierarchie. Die sich übrigens erst im Laufe des Ausspielens ergibt. Die erste gespielte Farbe einer Runde ist die niedrigste, die letztgespielte ist die höchste. Wie nicht anders zu erwarten, gewinnt die höchste Karte den Stich und spielt neu aus.
Was passiert? JEKYLL VS. HYDE spielt sich ungewöhnlich, weil es mit üblichen Stichspiel-Mustern bricht. Das Bewerten der eigenen Kartenhand ist nicht so eindeutig. Auch an den sinnvollen Einsatz der Tränke muss man sich erst herantasten. Zumal die Wirkung des Tranks nicht von Beginn an feststeht, sondern immer von der Farbe der anderen Karte im Stich abhängt.
JEKYLL VS. HYDE gleicht einem gegenseitigen Abtasten. Als Jekyll weiß ich natürlich, dass Hyde entweder ganz viele oder ganz wenige Stiche machen möchte, doch welche der beiden Optionen er anpeilt, erfahre ich erst im Laufe der Runde. (Und zwischendurch kann es sich noch wieder ändern.)
JEKYLL VS. HYDE ist sehr dynamisch. Runden, die schon erfolgreich aussehen, kippen möglicherweise, weil irgendetwas passiert, mit dem ich nicht gerechnet habe. Letztendlich bin ich mir gar nicht sicher, ob das Spiel tatsächlich komplex ist oder nicht einfach nur chaotisch. Also ob ich Wendungen hätte einplanen können oder ob sie passieren, weil sie eben passieren bzw. weil mein Gegenüber eine plötzliche Gelegenheit ergriffen hat, die sich unversehens bot.
Was taugt es? Zum Glück bleibt trotzdem das gute Gefühl, dass Entscheidungen, die ich treffe, relevant sind. Und dass es sich lohnt, hier und da einen Moment nachzudenken. Menschen ohne Stichspielerfahrung haben meist wenig zu melden. Allzu zufällig kann JEKYLL VS. HYDE folglich nicht sein.
Die atmosphärische Kartengrafik finde ich sehr gelungen, die thematische Einkleidung jedoch etwas hergeholt und die Begrifflichkeiten deswegen eher gewollt als hilfreich. JEKYLL VS. HYDE ist ein spezielles Spiel für eine vermutlich schmale Zielgruppe. Wer es nicht seltsam findet, sich zu zweit in einem Stichspiel gegenüberzusitzen, hat hier eines, das immer wieder für eine Überraschung gut ist.
Ich habe lange überlegt, ob ich JEKYLL VS. HYDE aufgrund der Originalität nicht doch als „reizvoll“ bewerten sollte. Ich weiß, es gibt glühende Fans des Spiels, aber dies ist ja mein Blog und nicht deren. Und mein Bauchgefühl sagt: Nee, zu zweit käme bei mir anderes auf den Tisch. In diesem Stichspiel fehlt mir der Flow. JEKYLL VS. HYDE ist wie ein permanenter Eiertanz. In kurzen Abständen müssen Situationen neu bewertet werden und dann wieder neu. Was für viele vermutlich genau den Reiz ausmacht, kippt in meinem Empfinden schon etwas in Richtung Effekte-Überdosis.
**** solide
JEKYLL VS. HYDE von Geon-il für zwei Spieler:innen, Nice Game / Mandoo Games.
1 Kommentare:
Auch wie ein permanenter Eiertanz: "So ein Eiertanz!" (von Frank Stark aus dem Jahre 2006, erschienen beim NSV)
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