Freitag, 11. November 2022

Kleine Völker, großer Garten

Kleine Einleitung, großer Erfolgsdruck.

Wie geht KLEINE VÖLKER, GROSSER GARTEN? Wir bauen Türme. Dabei folge ich meinen beiden Geheimaufträgen, die beispielsweise besagen können, ich soll bei Spielende viele dreistöckige Türme und außerdem die Mehrheit an Stockwerken in den Gebieten 3 und 5 besitzen. Zusätzlich liegen immer vier öffentliche Aufträge aus. (Beispiel: Baue auf zwei direkt nebeneinander liegenden grünen Bauplätzen einen zwei- und einen einstöckigen Turm.) Wer einen dieser Aufträge erledigt, sackt Punkte ein, und ein neuer Auftrag kommt ins Spiel.
Bin ich an der Reihe, darf ich bis zu zwei Bauaktionen ausführen. Die kosten „Bevölkerung“. (Bevölkerung ist im Spiel die Währung.) Bin ich illiquide, kann ich alternativ auch einen meiner Türme abreißen und bekomme Bevölkerung.

Agieren darf ich nicht irgendwo, sondern nur in dem Gebiet, wo der Schildkrötenkran steht. Der Kran wiederum wechselt nach fast jeder Bauaktion seinen Ort. Der Gesamtspielplan besteht aus sieben Gebieten, die wiederum jeweils sieben Bauplätze zeigen. Baue ich auf einem Bauplatz unten rechts, zieht anschließend der Kran in das Gebiet unten rechts; baue ich auf einem Bauplatz in der Mitte, zieht der Kran in das mittlere Gebiet.
Mein erster Zug dient somit auch immer der Vorbereitung des zweiten. Denn um Aufträge zu erfüllen und Gebietsmehrheiten zu erreichen (die zwischen den Runden für Einkommen sorgen), will ich nun mal an ganz bestimmten Stellen bauen. Weil ich bestimmen darf, wer nach mir an die Reihe kommt (ich wähle unter denen aus, die im Durchgang noch nicht an der Reihe waren), darf mein zweiter Zug auch gerne den Kran in ein möglichst uninteressantes Gebiet schicken.


Was passiert? Jede Bauaktion soll im Bestfall drei Zwecken gleichzeitig dienen: die Schildkröte zum gewünschten Ort ziehen, einen Beitrag zur Auftragserfüllung und einen Beitrag zu einer der Mehrheitswertungen leisten. In jeder Aktion darf ich nur eine Etage bauen, und will ich einen Dreierturm errichten, muss ich die Schildkröte dreimal in dasselbe Gebiet bekommen und den Turm nach und nach aufschichten.
Die Schildkröte macht das Spiel knifflig. Wenigstens eine meiner Aktionen soll sinnvoll sein, also tüftele ich aus, wie ich es anstelle, das Tier dorthin zu lotsen, wo ich es gebrauchen kann. Mit zunehmender Spieldauer wird das schwieriger, weil mehr Bauplätze von anderen Spieler:innen besetzt sind und mögliche Richtungen blockieren. Vor allem zu viert kann KLEINE VÖLKER, GROSSER GARTEN lang werden. Zum Glück besitzt jede:r vier „Listplättchen“, die eingesetzt werden dürfen, um Dinge zu tun, die eigentlich gegen die Regeln sind. Ihr Einsatz rettet so manche Situation.
Immer wieder ist man von fremdbestimmten Gegebenheiten abhängig. Es sind gar nicht nur die Mitspieler:innen, die mir gezielt etwas kaputtmachen. Sondern Dinge geschehen einfach, weil sie geschehen. Neue Aufträge, die in den Markt kommen, passen oder passen nicht; ein Bauplatz, den ich gut gebrauchen könnte, wird von anderen bebaut oder freigelassen; ich werde im passenden oder unpassenden Moment als nächster Ziehender bestimmt.
Wer in einem Durchgang zuletzt an der Reihe war, beginnt auch den nächsten – darf dann aber nur eine Aktion ausführen. Das hat immerhin den Vorteil, dreimal in Folge zu ziehen und so die Schildkröte besser steuern zu können. Allerdings hat man eine Bauaktion weniger als die anderen und gerät, wird man häufiger zuletzt ausgewählt, bei den Mehrheiten und somit beim Einkommen ins Hintertreffen.


Was taugt es? In einem überwiegend knobeligen Spiel frustriert es manche, wenn vieles doch nicht in ihrer Hand liegt und die eigenen Züge dazu da sind, eine unverschuldet miese Ausgangslage auszubügeln.
Ob man die rein destruktive Interaktion als störend oder herausfordernd begreift, dürfte eine Geschmacksfrage sein. Aber unabhängig davon: Dass man erst sinnvoll planen kann, wenn man an die Reihe kommt, verschleppt das Tempo und fühlt sich deshalb generell nicht gut an. Insbesondere wenn zufriedenstellende Züge mit zunehmender Spieldauer immer schwieriger werden.
So originell der Baukranmechanismus ist: Dieser Kniff allein genügt nicht, um aus einem herkömmlichen und durchschnittlichen Spiel (bauen, zahlen, Ziele erfüllen) ein gutes zu machen. Ich habe keine Gruppe gefunden, die KLEINE VÖLKER, GROSSER GARTEN als besonders empfunden hätte und häufiger spielen wollte.
Optik und Titel hatten zunächst viele sehr neugierig gemacht. Doch das Spiel löst sein visuelles Versprechen nicht ein. KLEINE VÖLKER, GROSSER GARTEN kommt mit aufgemotzten Plastikfiguren daher und erfindet in der Anleitung seitenlange Geschichten zu den einzelnen Spielfarben: Trotzdem ist das Spiel rein abstrakt und transportiert in seinem Ablauf nichts, das mit Völkern oder Gärten zu tun hätte.


*** mäßig

KLEINE VÖLKER, GROSSER GARTEN von Nathalie und Rémi Saunier für zwei bis vier Spieler:innen, Board Game Circus.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Aufklärung über den Datenschutz
Wenn Sie einen Kommentar abgeben, werden Ihre eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie beispielsweise Ihre IP-Adresse) an den Google-Server übermittelt. Mit dem Absenden Ihres Kommentars erklären Sie sich mit der Aufzeichnung Ihrer angegebenen Daten einverstanden. Auf Wunsch können Sie Ihre Kommentare wieder löschen lassen. Bitte beachten Sie unsere darüber hinaus geltenden Datenschutzbestimmungen sowie die Datenschutzerklärung von Google.