Samstag, 27. Mai 2023

Cartaventura

Es kann natürlich sein, dass die Illustrationen auf den kleinen quadratischen Schachteln mich neugierig gemacht und positiv eingestimmt haben. Ich fürchte jedoch, die entfernte Ritter-Sport-Anmutung hat mich unterbewusst noch viel mehr eingefangen.

Wie geht CARTAVENTURA? „Zur See fahren? Den Gouverneur treffen? Wie werdet ihr entscheiden?“ Die Schachtelrückseite von CARTAVENTURA verdeutlicht schon recht genau, worum es geht: Wir versetzen uns in eine Person, erleben ihre (Reise-)Geschichte nach und treffen Entscheidungen, die die Handlung in die eine oder andere Richtung bewegen.
Hin und wieder sind noch Ressourcen im Spiel, von denen es abhängt, ob uns bestimmte Wege offenstehen oder nicht. In LHASA ist dies beispielsweise Geld, das wir während der Reise verdienen können und an anderer Stelle einsetzen müssen, um weiterzukommen.

Unsere Entscheidungen führen dazu, dass wir Karte XY ziehen und lesen sollen, dass wir Karten zu einer Landkarte kombiniert auf dem Tisch auslegen, dass wir Teile der Landkarte auf ihre Rückseite drehen dürfen, wodurch sich neue Orte offenbaren, die wir fortan ansteuern könnten. Und so weiter.
Irgendwann kommt die Geschichte an ihr Ende. Genauer: an eines ihrer fünf möglichen Enden, das sich mehr oder weniger befriedigend anfühlt. Das Spiel verzichtet auf eine Wertung, ob das erreichte Ende das „richtige“ ist. Wer will, kann gleich noch einmal spielen und schauen, ob und mit welchen anderen Entscheidungen ein anderes Finale erreicht wird.

Was passiert? Weil deutlich mehr gelesen als entschieden werden muss, ist CARTAVENTURA wie ein Buch mit ein bisschen Spiel: Möglichkeit A oder Möglichkeit B? Manchmal gibt es zusätzlich eine Möglichkeit C oder gar D. Man kann da seinem Gefühl folgen, wird aber kein System oder keine Taktik finden, um die Fälle gut zu absolvieren, zumal es ja, anders als bei Escape-Spielen, auch keine Lösung gibt, die ganz unbedingt erreicht werden muss.


Was taugt es? In CARTAVENTURA liegt die Konzentration auf dem Erzählinhalt. Und im Gegensatz zu so vielen anderen Spielen wirken die Geschichten realistisch und authentisch. Dass Historiker:innen beratend mitgearbeitet haben, zahlt sich aus.
Wir spielen auch nicht die üblichen abgenudelten Szenarien nach, denen man schon zig Mal begegnet ist. CARTAVENTURA wählt historische Personen und Ereignisse abseits dessen, was man aus dem schulischen Geschichtsunterricht kennt.
In KARAWANEN reisen wir auf den Spuren von Ibn Battuta, der als bedeutendster arabischer Reisender des Mittelalters gilt, von dem ich zuvor aber trotzdem noch nichts gehört hatte. In LHASA geht es um die mir bis dato ebenso unbekannte Reiseschriftstellerin Alexandra David-Neel, in OKLAHOMA um Bass Reeves, der als ehemaliger Sklave der erste afroamerikanische Deputy U.S. Marshal westlich des Mississippi River wurde.
Allerdings: Bei keiner der vier Boxen hatte ich Lust, mich so häufig damit zu beschäftigen, bis ich tatsächlich sämtliche Enden erreichte. Irgendwann wiederholt es sich. Unter spielerischen Gesichtspunkten bietet CARTAVENTURA nichts Besonderes. Vergleichbares gab es schon etliche Male, auch ausgefeilter und abwechslungsreicher.
Trotzdem finde ich die Reihe gelungen, weil sie Geschichte ernst nimmt und sich bemüht, unübliche Geschichten zu erzählen und verklärte oder klischeehafte Bilder zu vermeiden. Ich wünschte, mehr Spielen gelänge es, auf Realität und Historie so seriös Bezug nehmen wie CARTAVENTURA.


**** solide

CARTAVENTURA: LHASA / OKLAHOMA / VINLAND / KARAWANEN von Thomas Dupont für eine:n bis vier Spieler:innen, Kosmos.

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