Weil eine Partie COOPER ISLAND rund zehn Prozent meiner Jahreshirnleistung auffrisst, ist an eine Einleitung wirklich nicht mehr zu denken.
Wie geht COOPER ISLAND? Wir sammeln Rohstoffe, bauen Häuser, schalten Arbeiterfiguren frei und addieren am Ende unsere Siegpunkte. Also alles wie immer? Äh ... Nein!
COOPER ISLAND hat zwei bemerkenswerte Kniffe. Nummer 1: wie wir die Rohstoffe generieren. Mit Doppel-Sechseckplättchen bebauen wir unsere Halbinsel, auch in die Höhe. So erschaffene Landschaften werden mit einem Rohstoffklotz belegt. Im Wald ist es beispielsweise Holz. Je höher das Holz platziert ist, desto mehr ist es wert. Liegt der Wald in Plättchenebene vier, zählt der Klotz wie vier Holz.
Doch es gibt Komplikationen: Solange das Holz da liegt, kann hier nicht höhergebaut werden. Natürlich könnte man das Holz, um es wegzuschaffen, einfach ausgeben, aber vielleicht will man das gerade gar nicht. Oder nicht in der Menge. Wechselgeld aber gibt es nie. Und will man Gebäude oder Statuen errichten, gehören sie an den höchsten freien Ort der Insel, stehen dort im Weg und verhindern weiteres Wachstum.
Kniff 2: wie wir Siegpunkte markieren. Wer Punkte gewinnt, segelt die entsprechende Zahl Felder mit einem seiner Schiffe voran. Das eine fährt links, das andere rechts um den Spielplan. Auf ihrem Weg befinden sich Insel-Plättchen, weil wir sie im Laufe der Partie zielgerichtet dort hinlegen. Überspringt mein Schiff eine Insel, bekomme ich den auf ihr abgebildeten Ertrag. Irgendwann erreichen meine Schiffe die Inseln der Mitspieler*innen und erfreuen sich an deren Boni.
Aktionen werden durch Figureneinsatz ausgelöst. Irritierenderweise besitze ich zu Anfang gerade mal zwei Figuren. Und COOPER ISLAND geht nur über fünf Runden. Zwei mal fünf ist zehn. Also fast nichts. Und so liegt es auf der Hand, dass man sich weitere Figuren freischalten sollte, was immer dann erfolgt, wenn man bestimmte Ziele erreicht, beispielsweise indem man zwei Statuen baut.
Was passiert? Wer seine erste Partie so spielt, wie ich es zu tun pflege, also intuitiv irgendwas macht und schaut, was sich daraus ergibt, wird feststellen: Viel ergibt sich da nicht.
Dabei könnte man Figuren auf verschiedene Weisen sogar schon in Runde zwei freischalten – wenn man einen Plan hat. Die ersten Züge in COOPER ISLAND haben für mich mittlerweile den Charakter von Eröffnungen beim SCHACH. Wenn ich beispielsweise mit zwei Statuen beginnen möchte, brauche ich ganz bestimmte Rohstoffe und muss eine ganz bestimmte Insel ins Spiel bringen. Andere Wege sind ähnlich klar geskriptet.
Trotzdem beinhaltet das Spiel auch merkliche Glücksfaktoren. Die Doppellandschaftsplättchen zeigen auf Vorder- und Rückseite immer alle vier Landschaftsformen. Aber es ist nicht gesagt, dass ich beim Nachziehen genau die Aufteilung erwische, die mir am besten in den Kram passt. Anderes Beispiel: Mit jedem fünften Schiffsschritt verdiene ich mir ein „Logbuchplättchen“, das mir ein zufälliges Gut einbringt. Ich erinnere mich sehr gut an eine Partie, in der ich kurz vor Ende nur noch Gold gebrauchen konnte und sonst nichts. Fünf der 30 Plättchen bringen Gold. Und: Ich zog eins! Das machte für meinen Score, falls ich mich korrekt erinnere, einen Unterschied von vier Punkten. Mit Übung erreicht man bei COOPER ISLAND über 30. Und vier davon habe ich dank eines zufällig gezogenen Plättchens gemacht.
Sicherlich war ich auf dieses Plättchen auch deshalb so angewiesen, weil ich vorher nicht gut genug gerechnet hatte. Bei COOPER ISLAND nicht gut zu rechnen, ist fahrlässig. Das Spiel absorbiert mein Hirn dermaßen, dass ich während der Partie kaum mitbekomme, was die anderen so tun. Was meistens auch keinen großen Unterschied macht. Da mich die anderen kaum beeinflussen, kann ich deren Bedenkzeit nutzen, um selber zu denken.
Leider ohne Gewähr auf optimale Ergebnisse. Weil in COOPER ISLAND das Material und die Zahl der Spielzüge extrem knapp bemessen sind, geht ganz vieles, das man tun möchte, aus irgendwelchen Gründen leider nicht. Und bei dem, was geht, denkt man: Nö, das muss doch besser gehen. Ich jedenfalls sitze gebannt da und tüftle, und selbst wenn ich mir etwas überlegt habe, arbeitet mein Hirn weiter und sucht und kombiniert, und kurz bevor ich an der Reihe bin, werfe ich meinen Zug vielleicht um, weil ich eine andere Lösung gefunden habe …
Die aber, wie ich kurz darauf zerknirscht feststelle, einen fetten Denkfehler hat. Ein wichtiges Detail, das ich anfangs noch im Blick hatte, ist mir irgendwo im Laufe der Denkkette abhandengekommen. Argh, es hatte also doch einen ganz wichtigen Grund, warum ich das Plättchen dort legen wollte und nicht hier!
Was taugt es? COOPER ISLAND lässt das Gehirn ziemlich stark rauchen bis kurz vor der Explosion. Normalerweise mag ich es nicht, wenn ich Spiele, um erfolgreich zu sein, zu 100 Prozent durchoptimieren muss, insbesondere wenn dabei zum x-ten Mal Rohstoffkombinationen gesammelt, um später gegen irgendetwas eingetauscht zu werden. Das geschieht auch in COOPER ISLAND, aber nicht hauptsächlich. Weil Rohstoffe durch Bautätigkeit überhaupt erst erschaffen werden, muss ich ganz andere Dinge bedenken. Die Aufgabenstellung fühlt sich neu an.
Zweifel, ob das wirklich alles so sein muss, habe ich allerdings beim Lager. Wir dürfen nur sehr wenig Geld und Rohstoffe aufbewahren – und vor allem: Wir dürfen nichts davon wegschmeißen. Das macht COOPER ISLAND nochmals komplizierter, aber nach meinem Empfinden nicht besser. Oft scheitern Pläne an Lagerverstopfung. Kleine Denkfehler können drastische Auswirkungen haben, weil der Lagerbestand für Ziel A ganz knapp nicht ausreicht. Und selbst wenn man das fehlende Bisschen per Schiff oder über ein Figureneinsatzfeld bekommen könnte: Es passt ja leider nichts mehr rein. Jetzt auf Ziel B umzuschwenken, kostet so viele Züge, dass man im Grunde raus ist.
COOPER ISLAND ist kein Spiel, das ich noch sonderlich oft spielen werde, weil es mir zu viel Arbeit bedeutet und zu wenig spielerisch ist. Dennoch schätze ich die enthaltenen Innovationen und bin fasziniert, und auf welche Weise mich das Spiel fordert. Schon häufiger habe ich geschrieben: Komplexität allein erschafft keinen Spielreiz. COOPER ISLAND jedoch empfinde ich als reizvoll, weil die Komplexität hier nicht durch viele Regeln oder verworrene Wertungen aufgetürmt wird. Die Mechanismen sind absolut klar. Erst ihre erstaunliche Verzwirbelung ruft die spielerischen Nöte hervor.
COOPER ISLAND gibt den Spieler*innen deutliche Ziele: Man ist stets fokussiert, was zu erreichen wäre, um Figuren freizuschalten oder Punkte zu gewinnen. Man verfolgt Projekte, und auch im Misserfolgsfall weiß man doch zumindest, was hinzukriegen gewesen wäre. Und nicht nur der Mechanismus schafft Orientierung: Die Anleitung ist sehr gut und die Grafik hilft enorm. – Wenn schon derart komplex, dann bitte so!
***** reizvoll
COOPER ISLAND von ode für zwei bis vier Spieler*innen, Frosted Games / Pegasus Spiele.
2 Kommentare:
Rahmendaten?
Huch?! Die hatte das Internet verschluckt, jetzt sind sie da.
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