Wie geht MEIN WEG NACH CATAN? Aufblättern. Lesen.
Es ist nämlich ein Buch. Kein Spiel.
Was passiert? Man liest. Von Klaus Teubers Lebensweg, der ihn erst hat Spieleautor werden lassen und schließlich Autor von DIE SIEDLER VON CATAN. Von Wendungen des Lebens, wichtigen Begegnungen, Zufällen, Entscheidungen.
Klaus Teuber hält sich eng an den selbstgesteckten Rahmen, was bedeutet, dass die Spiele vor CATAN meist nur kurz vorkommen und Spiele nach CATAN allenfalls mal erwähnt werden. Privates und Familiäres spielt durchaus eine Rolle, klar, das Berufsleben lässt sich schwerlich davon trennen, schon gar nicht bei einem schöpferisch tätigen Autor. Dennoch ist MEIN WEG NACH CATAN keine Familienchronik.
Das Buch gibt Einblicke in die Spieleszene der 80er- und 90er-Jahre. Bescheiden spart sich der Autor Eigenlob und stellt lieber die Verdienste anderer heraus. Und obwohl deutlich wird, dass Teubers Weg nicht immer nur geradlinig und erfolgsverwöhnt war, rechnet das Buch nicht nachträglich ab. Konflikte werden eher am Rande angedeutet, gewisse Namen bleiben ungenannt.
Wer schon Porträts über Klaus Teuber oder Interviews mit ihm gelesen (oder gehört oder gesehen) hat, wer insbesondere das 2005 erschienene IM ZEICHEN DES SECHSECKS kennt, wird auch einige der Buchinhalte schon kennen. Aber nicht alle.
Was taugt es? Seit vielen Jahren träume ich davon, dass es eine Oral History des modernen Brettspiels geben sollte: gesammelte Erzählungen von Zeitzeug*innen, die gemeinsam ein Bild ergeben, das gewiss nie komplett und immer auch subjektiv sein wird, aber ermöglicht zu verstehen, wie im Nachkriegs-Deutschland das analoge Spiel seinen Siegeszug antreten konnte.
MEIN WEG NACH CATAN sehe ich als einen wichtigen Beitrag und Klaus Teuber als einen sehr glaubwürdigen, da uneitlen und geerdeten Zeitzeugen an. Wie begegnen seinen Weggefährten Reiner Müller, Peter Neugebauer, Wolfgang Lüdtke, Fritz Gruber, Franz Vohwinkel und vielen anderen.
Für mich ist der Zeitraum, von dem erzählt wird, auch deshalb besonders interessant, weil dies genau die Zeit ist, in der ich zum informierten Spieler wurde. In der Fairplay und in der spielbox las ich von Teuber-Spielen wie ADEL VERPFLICHTET und DRUNTER & DRÜBER, kaufte sie und stellte begeistert fest: Sie waren anders als andere Spiele der Zeit, spannender und interaktiver, und ich konnte sie auch gut mit Menschen spielen, mit denen ich weniger gut 1830 oder DIE MACHER spielen konnte.
Teuber leitet her, welche seiner Eigenschaften, Talente und Erfahrungen ihn befähigen, Spiele zu entwickeln. Und Schritt für Schritt vollzieht er nach, wie aus ersten Ideen, Skizzen und Mechanismen schließlich CATAN heranreifte.
Dass Teuber nach Feierabend als eine Art Flucht zum Spieleentwickeln kam, um sich von den Sorgen um sein Dentallabor abzulenken, ist aus Interviews bereits bekannt. Die ausführlicheren Schilderungen in MEIN WEG NACH CATAN führen diesen Lebensabschnitt aber noch einmal deutlicher vor Augen.
Solche Einblicke in die emotionale Situation finde ich sogar interessanter als die genaue Ideen-Abfolge, die schlussendlich zu CATAN führte. Hinter der oft gestellten Frage, wie ein Werk entstanden sei, steckt, so vermute ich, die Hoffnung auf eine greifbare Erfolgsformel, die sich irgendwie nachahmen ließe. Doch Patentrezepte gibt es eben nicht. Ideen hat man oder hat sie nicht. Und so kommt auch Teuber allen nachträglichen Erklärungen zum Trotz zu dem Schluss, dass sich die überaus reizvolle Mixtur von CATAN „während der Entwicklung ganz natürlich ergab“.
Was Klaus Teuber außerdem beschreibt und wie ich es auch schon von anderen erfolgreichen Autor*innen erfahren habe: Sie sind in der Lage, Spiele bis zu einem sehr weiten Grad allein zu durchdenken, kritisch zu hinterfragen und ständig zu verbessern. Testpersonen werden nicht mit unausgegorenen Geistesblitzen behelligt.
Dazu gehört vermutlich ein gesunder Abstand zum eigenen Werk, Perfektionsdrang und nicht zuletzt Empathie, um zu erspüren, welchen Reiz ein Spiel in einer Gruppe ausüben könnte, bevor man es tatsächlich probiert. – Tja, und jener Verleger, der Teuber vorschlug, DIE SIEDLER VON CATAN als Dinosaurier-Spiel umzustricken, hatte diese Empathie wohl nicht.
MEIN WEG NACH CATAN von Klaus Teuber für eine*n oder mehr Leser*innen, Langenmüller und Kosmos.
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