Dienstag, 28. April 2020

Little Town

Auch hier habe ich länger überlegt, ob ich „solide“ oder „reizvoll“ drunterschreiben soll. Dann kam die neue spielbox ins Haus und ich stellte fest, dass ich LITTLE TOWN darin 7 Punkte gegeben hatte. Manchmal ist das Leben einfacher, als man denkt.

Wie geht LITTLE TOWN? Personaleinsatz. Zum hundertsten Mal. Oder gar hundertundersten. Wer am Zug ist, platziert eine Figur auf einem freien Feld des Spielplans und kassiert von allen acht Feldern ringsum die Ressourcen. Seen, Berge und Wälder in Nachbarschaft bringen Fisch, Stein und Holz. Weitere Erträge liefern Gebäude, die allerdings erst im Laufe des Spiels entstehen.
Um ein fremdes Gebäude zu nutzen, zahle ich dem/r Besitzer*in eine Münze. Meine eigenen Gebäude nutze ich kostenlos. Gebäude bringen Getreide oder Geld oder Siegpunkte. Oder sie erlauben einen Tausch: Geld gegen Rohstoffe, Rohstoffe gegen Geld, Rohstoffe gegen Rohstoffe, Rohstoffe gegen Punkte und so weiter.
Ein Gebäude zu bauen, ist der Alternativzug zum Einsatz auf dem Spielplan. Ich zahle eine Kombination aus Holz und Stein, wähle ein noch verfügbares Gebäudeplättchen, lege es auf ein freies Feld und kassiere Punkte dafür.
Sind alle Figuren eingesetzt, müssen sie ernährt werden. Pro Figur ist ein Fisch oder ein Getreide fällig, sonst setzt es Minuspunkte. Diesen Ablauf spielen wir vier Runden lang. Im Viererspiel besitzen wir lediglich drei Figuren, sind also überhaupt nur zwölfmal am Zug.


Was passiert? Auf den ersten Blick gar nicht so viel Neues: Man checkt ab, wo es die besten Erträge gibt, und dort positioniert man seine Figur.
Die Einschätzung, was ein guter Ertrag ist, ändert sich allerdings im Laufe der Partie. Anfangs muss man noch größeren Aufwand für die Ernährung betreiben, später läuft das fast nebenbei und Baustoffe werden wichtiger; gegen Ende erscheint es schließlich oft am besten, die Materialien gar nicht mehr zu verbauen, sondern gegen Siegpunkte wegzutauschen. Trotz nur weniger Spielzüge durchläuft eine Partie LITTLE TOWN einen kompletten Spannungsbogen.
Zentrale Fragen sind: Welches Haus baue ich? Und wo? Und wann? Der variable Häuservorrat sollte analysiert werden. Gibt es nur wenige Häuser, die Geld generieren, wäre es sicherlich gut, eins davon zu besitzen.
Das Dilemma beim Hausbauen ist: Ich kann das Gebäude nicht sofort nutzen, erst mal sind meine Mitspieler*innen an der Reihe. Andererseits: Na, dann sollen sie doch! Jede Nutzung bringt Geld in die Kasse, und in der unattraktivsten Ecke zu bauen, nur damit niemand etwas davon hat, ist ein Schuss ins Knie, wenn man dann nicht einmal mehr selber hingehen mag.
Toll sind Gebäude, die einander zuarbeiten und obendrein so platziert sind, dass sich die Produktionskette mit nur einer Figur auslösen lässt. Toll sind auch Gebäude, die fremde Häuser sozusagen in den Schatten stellen, indem sie ihnen Figuren-Einsatzplätze rauben. Und umgekehrt können Figuren auch mal attraktive Bauplätze blockieren.
LITTLE TOWN hat Härten. Wer kein Geld mehr hat, muss eventuell lange warten, bis eigene Häuser wieder etwas einnehmen, und fremde Häuser können solange nicht genutzt werden. Die Spielzüge sind derweil also weniger ertragreich. Weil die Rohstoffwürfel begrenzt sind und wir ja mittlerweile wissen, wie sehr Menschen in Krisensituationen zum Horten neigen, kann es – vor allem im Spiel zu viert – geschehen, dass man irgendetwas nicht mehr bekommt. Umso ärgerlicher, wenn dies die Ernährung betrifft und mit Minuspunkten ins Kontor schlägt.


Was taugt es? LITTLE TOWN ist sicher nicht das ganz große Spiel, aber es heißt ja auch: LITTLE TOWN. Mir gefällt die Reduziertheit. Obwohl wir nichts Kompliziertes machen und auch nicht lange spielen, fühlt sich die Partie am Ende rund an.
Als stärkstes Element empfinde ich die Freiheit bei der Gestaltung des Spielplans. Jedes Mal wird er sich ein bisschen anders entwickeln. Im weitesten Sinne ist das wie in einem Legacy-Spiel, nur in einer einzigen Partie und deshalb ohne Aufkleber. Der gemeinschaftliche Spielplanbau initiiert ein interessantes Wechselspiel zwischen Kooperation und Eigennutz.
Ja, Ähnliches gab es auch schon in anderen Spielen (CAYLUS zum Beispiel), doch finde ich den Mechanismus in LITTLE TOWN besonders prägnant auf den Punkt gebracht.
Nicht alles ist dufte: Dass die Auftragskarten, die wir zu Beginn erhalten, LITTLE TOWN viel bringen, bezweifle ich. Sie zählen nur wenige Punkte, machen das Spiel aber regelintensiver und verleiten Anfänger*innen dazu, falsche Prioritäten zu setzen. Und wie schon bei TINY TOWNS und DRAFTOSAURUS muss ich auch hier vermelden, dass das Spielmaterial ungesund riecht.


***** reizvoll

LITTLE TOWN von Shun Taguchi und Aya Taguchi für 2 bis 4 Spieler*innen, iello.

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