Als ich noch Mitspieler*innen hatte, also damals vor der Ausgangssperre, beschwerten sie sich wiederholt, ich würde immer nur die Mechanismen erklären und die Spielgeschichte unterschlagen. Das traf wohl zu. Aber wir hatten ja keine Zeit!
Jetzt endlich haben wir die Zeit. Sehr viel Zeit. Unendlich viel Zeit. Drum bitte sehr:
„Man erzählt sich, dass vor langer, langer Zeit fünf Waldtiere zu den Sternen aufstiegen und in der Gestalt allwissender Geistwesen zurückkamen. Doch wer die Geheimnisse der Sterne kennenlernen möchte, muss zuerst wertvolle Edelsteine sammeln, die im Laufe der vielen Jahre auf der Erde abgeschliffen und geglättet worden sind. Dann werden die Tiere den Schenker großzügig belohnen.“
Wie geht SPIRITS OF THE WILD? Wir sammeln Steinkombinationen, um damit „Sternbilder“ auf unserem Tableau zu vervollständigen. Das Sternbild „Biber“ verlangt einen Farbendrilling und einen Zwilling. Habe ich nur eins von beiden, bringt das auch schon Punkte, aber weniger. Ähnliches gilt für die anderen vier Sternbilder.
Steine erhalten wir aus einer Schale, die dann und wann aus dem Sack nachgefüllt wird, meistens aber recht leer ist. Bin ich am Zug, nutze ich eine meiner sechs Aktionskarten, wodurch sie verbraucht ist und verdeckt wird. Beispielsweise darf ich zwei Steine aus dem Sack ziehen und in die Schale legen und anschließend einen der Steine aus der Schale nehmen und auf meinem Tableau einem Sternbild zuordnen. Oder ich darf zwei Steine nehmen ohne nachzulegen. Oder nur einen. Und so weiter.
Die durchsichtigen Steine sind besonders. Mit ihnen baue ich keine Sternbilder, sondern verdoppele deren Wertung. Allerdings schließen die durchsichtigen Steine Sternbilder sofort ab. Habe ich beim Biber also erst einen Zwilling, könnten dessen Punkte mit Transparentstein doppelt zählen – jedoch wäre inklusive Drilling noch viel mehr drin.
SPIRITS OF THE WILD endet, wenn fünf durchsichtige Steine im Spiel sind. Mein Extremfall war eine Partie mit insgesamt nur 17 Steinen. Es können aber auch über 30 oder gar 40 Steine zusammenkommen.
Was passiert? In SPIRITS OF THE WILD geht es nicht nur darum, welche Steine ich nehme und was ich damit anfange. Meine Züge haben auch Einfluss auf die Möglichkeiten meines Gegenübers. Aktionen, bei denen ich die Schale auffülle, sind dummerweise so konzipiert, dass ich mehr Steine hinterlasse, als ich dort vorgefunden habe – was ein starkes Argument ist, um eben nicht nachzufüllen. Man versucht, so zu spielen, dass das Gegenüber nachfüllen muss, oder man selbst es wenigstens in einer eher ungefährlichen Situation tut.
Neben diesen taktischen Elementen ist auch ordentlich Zufall im Spiel. Manche Sternbilder verlangen, dass ich viele gleichfarbige Steine bekomme, und wenn der Sack (gemeint ist der Stoffsack) solche partout nicht rausrückt, wird meine Wertung wohl nicht so hoch ausfallen.
Auch die Spieldauer ist stets eine Überraschung. Ob sich der Aufbau langfristiger Sammlungen lohnt oder schnelle Punkte die bessere Option sind, weiß man erst hinterher.
Und wenn die durchsichtigen Steine dann auftauchen, wenn mein*e Gegner*in gerade ein Sternbild zum Verdoppeln fertig hat, ich aber nicht, habe ich nur die Wahl zwischen schlecht und schlecht. Den Stein herzugeben, wäre schlecht. Ihn zu nehmen, obwohl er stört, wäre ebenfalls schlecht.
Was taugt es? Durch die Unwägbarkeiten spielt sich SPIRITS OF THE WILD spannend. Andererseits auch etwas beliebig. Nach meinem Gefühl enden zu viele Partien zu früh; ein echtes Endspiel ergibt sich gar nicht mehr.
Auch beim Karteneinsatz hätte ich noch mehr Potenzial gesehen. Frühestens nach drei genutzten Aktionskarten darf man wieder alle Karten auf die aktive Seite drehen und gleichzeitig eine Sonderaktion ausführen. Die möglichen Sonderaktionen sind so stark, dass es meistens besser ist, seine Karten früh statt spät zu reaktivieren. Reizvoller an dieser Stelle aber wäre mehr Zwiespalt: ein Mechanismus, der es belohnt oder gelegentlich dazu zwingt, auch die schwächeren Aktionskarten zu nutzen.
So bleibt SPIRITS OF THE WILD überwiegend oberflächlich. Es ist nett und stimmig, bietet Entscheidungsmöglichkeiten und sieht hübsch aus. Aber der Wunsch, es nach ein paar Partien immer wieder zu spielen, stellt sich nicht ein, weil nichts den Eindruck von mehr Tiefe erweckt, die man noch ausloten könnte.
**** solide
SPIRITS OF THE WILD von Nick Hayes für zwei Spieler*innen, Mattel Games.
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