Ist eine wundervolle Welt ohne Einleitung überhaupt möglich?
Wie geht EINE WUNDERVOLLE WELT? Wie AUGUSTUS mit Draften statt Zufallselement. Wir spielen Karten aus, die „U-Boot“, „Magnetschwebebahn“ oder „Bermudadreieck“ heißen und noch mit Rohstoffen gebaut werden müssen. Das „U-Boot“ benötigt zum Beispiel zwei graue und drei schwarze Rohstoffe, das „Bermudadreieck“ vier blaue.
Nach Fertigstellung zählen die Bauten Punkte und / oder produzieren regelmäßig Rohstoffe. „Regelmäßig“ bedeutet: In der Produktionsphase werden die Farben der Reihe nach abgehandelt: Erst produzieren wir – soweit möglich – Grau, dann Schwarz, Grün, Gelb, Blau. Das U-Boot, das zwei blaue Steine produziert, tut dies, nachdem es in der grauen oder schwarzen Phase fertig geworden ist, noch in derselben Runde. Karten, die ganz am Ende des Produktionszyklus fertig werden, haben ihren Einsatz verpasst und produzieren erst eine Runde später.
Nun das Draften: Zu Beginn jeder Runde bekommen wir sieben Karten, behalten eine, geben den Rest weiter, bekommen sechs, behalten wieder eine … und so weiter bis am Ende jede:r sieben Karten behalten hat. Für jede davon gibt es nun zwei Möglichkeiten: a) zum Bauen auslegen, b) abschmeißen, um den darauf abgebildeten Bonusrohstoff zu erhalten.
Was passiert? Es ist illusorisch, alle sieben Karten bauen zu wollen, denn EINE WUNDERVOLLE WELT dauert nur vier Runden. Die Maschine muss also schnell in Gang kommen. Ich wähle vielleicht drei oder vier Karten zum Bauen aus, den Rest werfe ich für Rohstoffe ab.
Was anfangs wie eine Notlösung erscheint, wird mit zunehmender Spielerfahrung ein ganz entscheidender Kniff. Durch das Abwerfen erhalte ich Rohstoffe schon vor dem Produzieren. Eventuell werden Bauten so etwas früher fertig und nehmen noch an der Produktionsphase teil. Wird mit den dadurch gewonnen Rohstoffen noch ein anderer Bau beendet, ist die Kettenreaktion perfekt.
Das Optimieren beginnt also schon während der Draftphase. Und weil man die Karten zunächst nur sammelt und erst später nutzt, indem man sie abwirft oder auslegt, muss man bereits an dieser Stelle viel durchkalkulieren und die gesamte Produktionsphase rohstoffgenau vorausberechnen. Vor allem gegen Ende des Spiels, wenn ein einziger Ressourcenwürfel darüber entscheiden kann, ob ein Bau noch beendet wird oder nicht, wird das Draften zum … mmh, ich nenne es mal: Drübeln.
Was taugt es? EINE WUNDERVOLLE WELT ist durch seine nur vier Runden schön kompakt, die Regeln sind elegant und logisch. Man spielt nicht immer denselben Stiefel, denn man kann auf schnellen Aufbau mit Massengütern oder auf Qualität setzen. Man wird auch nur selten in allen fünf Farben stark sein. So ergeben sich immer wieder andere Synergien.
Kleine interaktive Elemente gibt es auch. Wenn ich beispielsweise die Wahl zwischen mehreren ähnlich attraktiven Karten habe, überlege ich durchaus, welche davon ich im Stapel lasse, weil sie vermutlich die bessere Chance hat, wieder bei mir anzukommen. Trotzdem spielen wir mehr parallel als miteinander, weshalb ich die Nähe zu AUGUSTUS größer finde als die zu 7 WONDERS.
EINE WUNDERVOLLE WELT spielt sich rein mechanisch. Wir rechnen, wir stimmen Karten aufeinander ab, wir optimieren unsere Maschinerien. So atmosphärisch die Karten auch gestaltet sind: Wie sie heißen und welche Bilder sie tragen, spielt keine Rolle. Das Spiel lässt uns keine Geschichte erleben. Wenn man nicht gerade durch Mathematik an sich emotionalisiert wird, findet man hier wenig, das kribbelt.
Es gibt solche Momente: etwa wenn ich noch zwingend auf einen grünen Stein angewiesen bin und bibbern muss, dass in den letzten, immer kleiner werdenden Kartenpaketen genau die erhoffte Karte auftaucht. Dennoch bleibt EINE WUNDERVOLLE WELT für mein Empfinden etwas kühl und auch gesichtslos. Weil das Spiel gut komponiert ist und meistens nicht lange dauert, wäre ich bei einer Runde zweifellos mit dabei. Doch das trifft auf recht viele Spiele zu. Für Dauerbrennerqualitäten fehlt mir hier jenseits der puren Mechanik ein Charakter.
**** solide
EINE WUNDERVOLLE WELT von Frédéric Guérard für eine:n bis fünf Spieler:innen, La Boite de Jeu / OriGames / Kobold Spieleverlag.
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