Freitag, 15. Juli 2022

Imperium - Klassik

„Diese Anleitung enthält alle Regeln für beide Editionen. Daher begegnen dir vielleicht Verweise auf Völker oder Stichwörter, die in deiner Edition nicht vorkommen.“
Schlechte Idee! Ich möchte beim Regellesen keinen Stichwörtern begegnen, die in meinem Spiel nicht vorkommen. Für die Redaktion mag das weniger Arbeit sein. Mein Anspruch als Spieler aber ist es, dass die Redaktion dafür arbeitet, dass ich weniger Arbeit habe.
„Werft vor eurer ersten Partie am besten einen Blick in das Verzeichnis, damit ihr die Stichwörter auch als solche erkennt! Im Gegensatz zu den Glossaren in vielen anderen Spielen enthält dieses Verzeichnis tatsächlich Regeln, die ihr kennen müsst.“
Dito. Ich möchte mir nicht Grundlagen des Spiels aus einem Glossar zusammensuchen müssen. Ein Glossar ist hilfreich, um Dinge nachzuschlagen oder Spezialfragen zu beantworten. Aber nicht, um die Regeln als solche zu erklären. Und ich möchte auch nicht recherchieren müssen, welche Begriffe die Schlüsselbegriffe sind. Das zu verdeutlichen, ist Aufgabe des Layouts.


Wie geht IMPERIUM? IMPERIUM vereint Zivilisationsspiel mit Deckbau. Jede:r spielt eine von acht möglichen Zivilisationen, beispielsweise Römer oder Wikinger. Eine Punkteaddition am Schluss entscheidet. Die Karten in meinem Deck zählen teilweise einen festen Wert, teilweise in Abhängigkeit von meinem Besitz, teilweise in Abhängigkeit davon, in welchem Spielbereich sich die Karte am Ende befindet. Hinzu kommen die Siegpunktmarker, die ich während der Partie erworben habe.
Pro Spielzug darf ich drei meiner fünf Handkarten ausspielen, um Aktionen auszulösen. Aktionen bewirken, dass ich Rohstoffe oder Bevölkerung erhalte (beides sind Zahlungsmittel für andere Aktionen), Karten dauerhaft in meine Auslage spiele (wo sie mir Vorteile bringen oder zumindest nicht mehr stören) oder Karten aus dem Markt erwerbe und meinem Deck hinzufüge.


Was passiert? Zusätzliche Karten machen mein Deck üblicherweise besser, andererseits auch langsamer. Bei jedem Nachmischen kommt eine weitere Karte meines „Volksstapels“ ins Deck. Zwar sind nicht alle diese Karten gut, im Allgemeinen bin ich dennoch an einem schnellen Durchlauf interessiert. Denn: Sobald ich den Volksstapel komplett aufgesogen habe, gewinnt meine Zivilisation einen neuen Status: Ich habe die Barbarei verlassen und bin nun ein zivilisiertes „Imperium“.
Das hat den Vorteil, dass ich endlich Karten spielen darf, die nur Imperien spielen dürfen. Und bei jedem Nachmischen kommt fortan eine Karte meines „Entwicklungsstapels“ ins Deck – und die sind alle gut. Allerdings darf ich nun keine Karten mehr spielen, die ausschließlich Barbar:innen vorbehalten sind, weshalb ich solche Karten jetzt natürlich nicht mehr kaufe und die vorhandenen aus meinem Kartenkreislauf zu entfernen versuche.
Immer wieder stellt mich IMPERIUM vor knifflige Entscheidungen: Um schneller zu werden, müsste ich restliche Karten am Ende meines Zuges auch einfach mal abwerfen – aber sie sind doch so gut und vielleicht ziehe ich danach viel schlechtere? Um besonders wertvolle Karten vom „Ruhmstapel“ erwerben zu dürfen, muss ich Gebietskarten, die ich in meine Auslage gespielt hatte, auf meinen Ablagestapel verfrachten. Und das ist gleich aus zwei Gründen schlecht: Ihre Rohstoffsymbole gehen verloren und sie verlangsamen wieder mein Deck. Doch: Karten vom Ruhmstapel sind wirklich gut, die will ich schon haben …

Was taugt es? Wenn man ein paar Runden gespielt hat, fällt auf, wie wenig kompliziert die Regeln von IMPERIUM eigentlich sind. Und man fragt sich erst recht, warum die Anleitung alles so verwirrend dargestellt hat. Ein paar kleinere Hakeligkeiten im Ablauf gibt es aber doch. Beispielsweise muss man bei jedem Zugende eine der Karten im Markt mit einem Siegpunktchip aufwerten. Und in meinen Partien hat das immer wieder irgendwer vergessen und wir mussten die mutmaßlich korrekte Spielsituation rekonstruieren.
Auch das alternative Spielende, wenn alle „Aufstand“-Karten (vergleichbar mit den Flüchen in DOMINION) aufgebraucht sind, wurde in meinen Partien eher als unpassend und unerwünscht empfunden – egal, wer dadurch gewonnen hatte.
Die Wertung am Ende ist recht kompliziert und erfordert ein sehr genaues Sortieren der Karten. Der Wert der Karten schwankt zwischen sehr vielen und sehr wenigen Punkten, so dass ich mich frage, ob es denn überhaupt nötig ist, so viele Karten mit Punktwerten zu versehen. Immer wieder haben auch Spieler:innen während der Partie aus dem Blick verloren, wofür sie alles Punkte bekommen würden. Es waren einfach zu viele Faktoren.
Wer sich in IMPERIUM gut einarbeitet, hat das natürlich eher im Griff, unterscheidet besser zwischen Karten mit wichtigen und zu vernachlässigenden Informationen und kennt vor allem die entscheidenden Karten der eigenen Zivilisation. Denn tatsächlich spielt sich jede Fraktion etwas anders.
Das spielerische Erfahren der Zivilisationen macht in IMPERIUM den Reiz aus. Man ist neugierig: Was können die? Was machen die? Vor welche Aufgabe bin ich hier gestellt? Thematisch bleibt IMPERIUM eher abstrakt, die Mechanik steht im Vordergrund.
Im Regelfall bietet ein Zug mehr als drei verlockende Aktionsmöglichkeiten. So gilt es immer wieder, sich zwischen mehreren guten Sachen zu entscheiden. Das Spielgefühl ist im Wesentlichen konstruktiv, es geht voran ohne drückenden Ressourcen-Mangel. Ich erlebe, wie sich mein Volk entwickelt.
Und wie ich es entwickle. Es gibt wohl ein gewisses Script, wie ich mit Rom oder Persien oder Karthago agieren sollte. Aber IMPERIUM ist eben auch ein Deckbauspiel, und ich habe eine zufällige Mischung von Karten auf der Hand und muss mit einem Markt umgehen, in dem ich jedes Mal andere Bedingungen vorfinde. Somit sind es am Ende immer meine Entscheidungen, kein vorgefertigtes Muster.
Sich in die acht Zivilisationen reinzuspielen, bietet sehr viel Spielstoff. IMPERIUM ist ein Spiel, in das man einiges an Zeit investieren muss. Ab drei Personen ist eine Partie abendfüllend. IMPERIUM braucht aber gar nicht viele Teilnehmer:innen. Zu zweit gefällt es mir am besten, weil ich lieber gegen einen Menschen als gegen einen von mir verwalteten Bot spiele.


***** reizvoll

IMPERIUM: KLASSIK von Nigel Buckle und Dávid Turczi für eine:n bis vier Spieler:innen, Osprey Games / Giant Roc.

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