Schon die Klickzahlen der Folge 101 litten darunter, dass ich ihr den Titel „Mensch ärgere dich nicht“ gegeben hatte. Das war sicher nicht klug gewählt, zumal es gar nicht um das gleichnamige Spiel ging, sondern um Anekdoten aus meinem Journalistenleben. Aber viele Fehler der Weltgeschichte wiederholen sich, schon sehr häufig wurde nicht klug gewählt – warum sollte ich es also nicht noch einmal tun?
Mein Journalistenleben im Jahr 2002 entwickelte sich, glaube ich, ganz gut. Ich schrieb weiterhin für die Fairplay und für etliche Tageszeitungen. Vom Umfang her war es mehr als heute, und tendenziell wurde es immer noch mehr. Aber anscheinend langweilte es mich, nur eine Rezension nach der anderen zu verfassen, obwohl ich wenige Jahre zuvor total begeistert gewesen war, es überhaupt tun zu dürfen.
Eine andere Erklärung fällt mir aber nicht ein, warum mir 2002 in den Sinn kam, auch Autor:innenporträts zu schreiben. Den Anfang machten Günter Burkhardt und Günter Cornett, die ich beide 2002 zu diesem Zweck auf dem Spieleautor:innentreffen in Göttingen interviewte.
Ich hatte ziemlichen Respekt vor der Aufgabe, die ich mir da selbst gestellt hatte. Mein Porträt sollte mehr als eine Aneinanderreihung der bisherigen Spiele sein. Ich wollte schon auch versuchen, den Menschen hinter dem Spiel sichtbar zu machen. Aber wie gut kann das gelingen, wenn man als Basis nur ein Gespräch hat und allenfalls noch das, was man anderswo gelesen hat?
Und oft gab es anderswo gar nicht mal viel zu lesen. Klar, ein Klaus Teuber beispielsweise wurde schon zigfach interviewt und zigfach porträtiert; aber die meisten anderen – zumindest damals – noch nicht oder allenfalls von ihrer Lokalzeitung, wo es oft schon als Kuriosum galt, dass da überhaupt jemand Spiele entwickelte. Vor meinen Interviews versuchte ich, alles an Information aufzusaugen, was ich kriegen konnte. Franz-Benno Delonge beispielsweise hatte zwei Bücher über Phrasendrescherei in der Politik geschrieben. Eins davon besorgte ich mir und las es durch in der Hoffnung, dem Autor dadurch ein bisschen näherzukommen.
Ohnehin wählte ich meine Interviewpartner:innen danach aus, ob ich überhaupt irgendwas über sie wusste oder zumindest ein Gefühl dafür hatte, in welche Richtung sich mein Text entwickeln könnte; eine Fragestellung, der ich nachgehen wollte. Weil ich mir ausgemalt hatte, dass ich sicher auch mal an weniger mitteilsame Menschen geraten würde, setzte ich mir als Limit, dass das Porträt nicht länger als eine Heftseite sein dürfe. Manchmal – wenn ich eigentlich noch viel mehr hätte schreiben wollen – ärgerte ich mich im Nachhinein darüber. Zumindest einmal klopfte ich mir für meine Weitsicht auf die Schulter.
Ob man will oder nicht: Solche Porträts können auch die Beziehung des Interviewers zu den Interviewten verändern. Man kennt sich nun persönlich. Man hat länger zusammengesessen, teilweise auch bei den Autor:innen zu Hause, hat über Dinge geredet, die nicht nur mit Spielen zu tun haben. Die Gefahr, dass ich als Kritiker die nötige Distanz verlieren könnte, habe ich wahrgenommen. Ein damaliger Kollege stellte mal die These auf, am besten schreibe man anonym aus dem Kellerloch, kenne niemanden, habe zu niemandem Kontakt. Nur dann könne man wirklich neutral und unbeeinflusst über Spiele urteilen.
Das ist ein schön anschauliches Bild, übrigens auch von meiner Wohnsituation, und wenn man nur bei Kritiken bleiben will, kann man das so machen. Aber Journalismus ist aus meiner Sicht interessanter, wenn er sich auch um Menschen dreht. Um Menschen, die Spiele machen. Um Menschen, die Spiele spielen. Nur leider bestätigen Leser:innenbefragungen und sonstiges Feedback meine Meinung da nicht so ganz. Dass diese Seite „Rezensionen für Millionen“ heißt und nicht etwa „Emotionen für Millionen“ ist deshalb ausschließlich den Millionen geschuldet, die den Journalismus natürlich auch interessanter machen.
- Vor 20 Jahren (114): Trans America
- Vor 20 Jahren (116): Blokus
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