2002 war das vierte Jahr, in dem die Jury Spiel des Jahres drei Spiele für die Wahl zum Spiel des Jahres nominierte und damit aus den anderen empfohlenen Spielen heraushob. Nominiert waren VILLA PALETTI, TRANS AMERICA und PUERTO RICO, und mein Favorit in diesem Trio war eindeutig. Ich ahnte allerdings: Es war der Außenseiter.
Heute würde ich lachen, falls mir jemand erzählte, ein Spiel wie PUERTO RICO dränge sich als Spiel des Jahres geradezu auf. Seinerzeit dürfte das ziemlich genau meine Meinung gewesen sein. Okay, mir war durchaus bewusst, dass einige Menschen Schwierigkeiten haben würden, PUERTO RICO zu erlernen. Aber so viel Spielerfahrung in der Breite hatte ich doch noch nicht, um zu ermessen, wie realitätsfern meine Vorstellung war, die überragende Qualität von PUERTO RICO werde das schon ausgleichen, indem das Spiel neben einigen Gescheiterten auch ganz, ganz viele Begeisterte hinterlasse.
Gewonnen hat bekanntlich VILLA PALETTI, das mir immer ein bisschen überregelt vorkam, was man vom mitnominierten TRANS AMERICA nun wirklich kaum behaupten kann. Noch weniger Regeln gingen ja kaum.
TRANS AMERICA (von Franz-Benno Delonge) ist ein Eisenbahnspiel, bei dem es darum geht, fünf geheim gezogene Städte aus fünf Regionen der USA miteinander zu verbinden. Bin ich am Zug, vergrößere ich mein Netz entweder um zwei Gleisabschnitte in der Ebene oder um nur ein Gleis über Berg oder Fluss. Hat jemand alles verbunden, erhalten alle anderen Minuspunkte für die Abschnitte, die ihnen noch fehlen. Und es beginnt von vorn.
Natürlich kann man Glück haben, dass die Ideallinie zwischen den fünf gezogenen Städten etwas kürzer ist als bei der Konkurrenz. Aber nicht das allein entscheidet. Der Clou ist vielmehr: Es gibt keine eigenen Gleisfarben. Alles gehört allen. Ich muss die Verbindungen zwischen meinen Städten nicht selbst bauen. Idealerweise tragen meine Mitspieler:innen wesentlich dazu bei. Unfreiwillig.
Denn letztlich wollen wir ja schon alle in ähnliche Richtungen. Mehr oder weniger in den Süden, mehr oder weniger in den Osten und so weiter. Und so entwickelt sich trotz Einfachheit einiges an Spielreiz und Tiefe: Wie baue ich, dass die anderen möglichst wenig davon profitieren? Wie verschleiere ich meine Ziele? Wann ist der Zeitpunkt, um mit meinem Netz an ein anderes anzudocken? Oder kann ich das auszusitzen, bis wer anderes seinen Zug für die Verbindung hergibt?
TRANS AMERICA verschwand trotz seiner Qualitäten gemeinsam mit dem Verlag Winning Moves von der Bildfläche, kam 2018 (zusammen mit TRANS EUROPA) bei Ravensburger zurück – und verschwand wieder. Auch VILLA PALETTI hat, außer es wäre mir entgangen, nicht den ganz großen Siegeszug angetreten. Zwar ist es ununterbrochen bis heute bei Zoch bzw. Simba Toys im Programm; im Einsatz auf Tischen habe ich es aber lange nicht gesehen. PUERTO RICO dagegen ist noch immer da und wird voraussichtlich noch eine ganze Weile bleiben. Das spricht sehr für dieses Spiel, aber - so paradox das klingen mag - meiner heutigen Meinung nach trotzdem nicht für seine Wahl zum Spiel des Jahres.
- Vor 20 Jahren (113): Der Herr der Ringe – Die Entscheidung
- Vor 20 Jahren (115): Wer bin ich?
1 Kommentare:
Ich finde ja, das Jahr wäre das perfekte Jahr gewesen das "Kennerspiel des Jahres" (ein Jahr nach dem Kinderspiel) einzuführen. Da wäre "Puerto Rico" der perfekte Preisträger gewesen. Vielleicht wäre dann auch Trans America Spiel des Jahres geworden.
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