Die Schachtel von CANVAS hat in der Rückseite ein Loch. Wie ein Gemälde kann man CANVAS an die Wand hängen. Ich begrüße diesen Service sehr und wünschte mir für andere, ebenfalls nicht ganz so tolle Spiele vergleichbare Anregungen.
Wie geht CANVAS? Wir sind Küüünstler:innen. Genauer: Punktekünstler:innen. Mit meinen drei Gemälden sammle ich Abzeichen. Die Abzeichen wiederum zählen Punkte. Je mehr einer Sorte ich besitze, desto besser.
Wofür ich Abzeichen bekomme, ist in jeder Partie anders. Beispielsweise bringen zwei Dreieck-Symbole auf meinen Gemälden ein grünes Abzeichen, die Kombination aus vier verschiedenen Symbolen ein rotes.
Der Material-Clou von CANVAS besteht darin, wie ich meine Gemälde herstelle: Ich besitze drei Hüllen, in die ich je drei transparente Karten schiebe. Das Gesamtgebilde ist dann mein Gemälde. Sofern sie sich an derselben Stelle befinden, überdecken Symbole auf oberen Karten Symbole auf unteren Karten. Ich kann meine drei Karten niemals so einschieben, dass sich gar nichts überdeckt. Es so hinzukriegen, dass erwünschte Symbole zu sehen sind und unerwünschte nicht, ist also eine gewisse Puzzelei.
Und ich brauche die richtigen Karten mit den richtigen Symbolen. Darüber entscheidet ein simpler Nehm-Mechanismus. Eine Kartenreihe ist der Markt. Will ich die dritte Karte, muss ich auf die ersten beiden einen meiner „Inspirationsmarker“ legen, also Geld. Vermeintlich doofe Karten werden wertvoller, indem sich Marker darauf sammeln, die natürlich bekommt, wer die Karte nimmt.
Spätestens wenn ich fünf Folienkarten besitze, muss ich das nächste Gemälde herstellen. Und immer so weiter, bis alle ihre drei Gemälde fertig haben und wir unsere gesammelten Abzeichen in Punkte umrechnen.
Was passiert? CANVAS ist eine Knobelei. Mit jedem meiner Gemälde will ich möglichst viele Abzeichen gewinnen. Und so plane ich schon beim Nehmen der Karten, welche ich möglicherweise mit welchen anderen wie übereinander stapeln könnte, dass sich ein gutes Ergebnis ergibt. Und nachdem ich die Karten gekauft habe, tüftele ich weiter, lege die Karten zur Probe übereinander und teste verschiedene Varianten durch.
Immerhin können wir das parallel tun. Die Wartezeiten in CANVAS habe ich nie als zu lang empfunden. Was die anderen treiben, kriege ich allerdings kaum mit, weil ich nur mit mir und meinen eigenen Gemälden beschäftigt bin.
Neben der Knobelei geht es auch um Finanzmanagement. Bin ich blank, habe ich keine Auswahl mehr, und muss aus dem Markt die eine Karte nehmen, die es kostenlos gibt. Deswegen halte ich nicht immer nur nach den optimalen Symbolen Ausschau. Sondern suche eher die Karte mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis.
Was taugt es? Spielerisch bewegt sich CANVAS in wohlbekannten Sphären. Planen und knobeln, im Geiste vorauspuzzeln, unter mehrere Karten die beste auswählen und hoffen, dass überhaupt etwas Brauchbares in den bezahlbaren Bereich rutscht. CANVAS ist Nehmen, Kombinieren, Werten, Nehmen, Kombinieren, Werten. Einen besonderen mechanischen Kniff gibt es hier nicht. Und meist gehen meine drei Gemälde in eine ähnliche Richtung, denn die Wertung belohnt, wenn ich immer wieder dieselben Abzeichen einsammle.
Die Aufmachung allerdings ist überragend. Durch die transparenten Folien erklärt sich das, was das Spiel will, ganz von selbst. Das ungewöhnliche und sehr attraktive Material ist schon die halbe Anleitung.
Das Thema Kunst passt auch gut. Trotzdem sollte man nicht erwarten, dass CANVAS eine Geschichte erzählt. Die Mechanik, wie wir hier „künstlerisch“ tätig sind, also das Montieren von drei austauschbaren Versatzstücken zu einem Gemälde namens „Das Wachstum des Augenblicks“ oder „Das Zerbrechliche des Irrtums“, wäre in einem satirisch gemeinten Kunstspiel noch viel passender.
Das Material sorgt für viel Ah! und Oh! Das Spiel selbst kann da emotional nicht mithalten. Es ist ruhig und tüftelig, streng mathematisch und mechanisch, also ganz anders als das, was die kreative Aufmachung anzukünden scheint. Ohne die geniale Ausstattung würde man dieses Spiel kaum beachten, angesichts der genialen Ausstattung ist es schade, dass nicht noch mehr Pfiff drinsteckt.
*** mäßig
CANVAS von Jeffrey Chin und Andrew Nerger für eine:n bis fünf Spieler:innen, Road To Infamy Games.
1 Kommentare:
Danke Ihnen für die Bewertung. Gerade die Trennung bei Ihrer Einschätzung von Mechanik und Aufmachung hat mir geholfen.
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