Samstag, 19. Juli 2025

Nova Era

Nova Era: Cover

Beim 2025er Tag der Brettspielkritik von Spiel des Jahres wurde, wie ich hörte, gelehrt, es sei bloß Bequemlichkeit, Rezensionen immer identisch zu gliedern. Den Eindruck, bequem zu sein, möchte ich natürlich zerstreuen. Deshalb variiere ich meine Gliederung wie folgt: Die Einleitung entfällt.

Wie geht NOVA ERA? Wir führen Zivilisationen. Zivilisationen punkten. Die punktbeste Zivilisation gewinnt.
Meine Führungskraft beweise ich, indem ich Karten („Technologien“) kaufe, die „Segeln“, „Mathematik“ oder „Fruchtfolge“ heißen. Ich kaufe Karten von meiner Hand oder aus der offenen Auslage. Dafür benötige ich einen Würfel in der Farbe der Karte mit einer Augenzahl, die mindestens den Kosten der Karte entspricht. Mit einer gelben Vier kann ich locker eine gelbe Zweier-Karte kaufen. Eine gelbe Sechser-Karte auch – sofern ich zwei gelbe Ressourcen dazubezahle.

Nova Era: Würfel

Pro Runde besitze ich drei Würfel. Spieler:innenzahl-plus-eins-viele Kombinationen aus je drei Würfeln werden bei Rundenbeginn erstellt. Deren Farben und Zahlen sind zufällig, weil wir die Würfel aus einem Sack ziehen und dann würfeln. Jede:r wählt jetzt eine Kombination. Das übrig bleibende Würfeltrio bewegt Marker auf „Katastrophenleisten“. Bleiben zu oft dieselben Farben liegen, verursacht das Dinge wie „Finanzkrise“, „Invasion“ oder „Dunkles Zeitalter“, und Spieler:innen, die nicht gewappnet sind, müssen Karten deaktivieren oder verlieren gar einen ihrer Würfel.
Würfel mit hohen Augenzahlen ermöglichen stärkere Aktionen (eine Karte zu kaufen, ist übrigens nur eine von mehreren Aktionsmöglichkeiten). Trotzdem gibt es einen Grund, nicht immer das höchste Dreierpack zu wählen: Jeder Würfelpunkt über dem zehnten setzt meinen Unruhemarker vorwärts. Nimmt die Unruhe in meinem Staatswesen überhand, verlieren fortan alle meine Würfel einen Punkt. Weitet sich die Unruhe aus, können obendrein noch Karten deaktiviert werden.
Karten, sofern ich denn endlich mal welche besitze, bringen Sofort- oder Dauereffekte, produzieren Ressourcen, lassen mich meine Würfel manipulieren, schützen mich vor Katastrophen und so weiter. Und sie zählen alle drei Runden Punkte: einen für jede Kartenfarbe, die ich besitze, und einen für jede Farbmehrheit. Manche Karten bringen obendrein Punkte sofort beim Ausspielen oder in jeder Produktionsphase.

Was passiert? NOVA ERA ist ein gemeines Spiel mit Wechselbeziehungen, die man nicht sofort durchblickt. Etliche Karten beschaffen mir Handkarten. Spiele ich „Mathematik“, erhalte ich später „Physik“ (ich suche die Karte aus einem Vorratsstapel heraus). Spiele ich „Physik“, erhalte ich „Atombombe“.

Nova Era: Tableau

Und etliche Karten schrotten andere Karten. Spielt irgendwer „Schmiedekunst“, müssen „Hüttenwesen“ und „Waffen“ abgeworfen werden. Wer auch immer diese besitzt. Diese Technologien sind nun veraltet.
Solche Zusammenhänge sind thematisch durchaus schlüssig. Allerdings fehlen im Spiel jegliche Übersichten, welche Technologien wie zusammenhängen. Auf der Karte „Waffen“ ist nicht ersichtlich, dass eine andere Karte kommen könnte, die „Waffen“ obsolet macht. Ebenso ist man, ohne es einmal erlebt zu haben, nicht darauf vorbereitet, dass „Mathematik“ langfristig in „Atombombe“ mündet und „Atombombe“ allen anderen Spieler:innen nahezu alle roten Karten wegbretzelt.
NOVA ERA ist also ein Spiel mit Überraschungen und (gewollten?) Härten. Unruhe wird man schwer wieder los. Zwar gibt es bestimmte Karten, die das bewirken; allerdings ist nicht gesagt, dass ich sie nehmen kann oder dass sie überhaupt ins Spiel kommen. Mehrfach habe ich erlebt, wie Zivilisationen in eine Abwärtsspirale rutschten: Unruhe wertet die Würfel ab, abgewertete Würfel schränken die Möglichkeiten ein, Unruhe weitete sich aus. Das Gegenteil habe ich allerdings auch erlebt. Manchmal bieten erhältliche Karten dann doch einen Ausweg. Einplanen kann man das nicht, aber es kann sich ergeben.
Schon die Würfelwahl-Phase kann hart sein. Vor allem für diejenige Person, die zuletzt wählt. Es kommt immer wieder vor, dass nur noch übler Mist daliegt: also entweder drei Würfel, die mich wegen ihrer sehr kleinen Augenzahlen kaum weiterbringen oder drei Würfel, die mich sofort in den Unruhebereich schießen. Und schon gar nicht Würfel in den dringend benötigten Farben.

Was taugt es? NOVA ERA illustriert, dass beim Aufbau einer Zivilisation immer wieder auch mit Rückschlägen zu rechnen ist. Es ist weniger glattgeschliffen als typische Eurogames. Es ist interaktiv und enthält auch negative Interaktion, indem ich Karten anderer Spieler:innen zerstören kann und dafür auch noch mit Punkten belohnt werde.
Interaktiv ist NOVA ERA auch deshalb, weil ich deutlich besser fahre, wenn ich schon bei der Wahl meiner Würfel (und damit dem Liegenlassen anderer Würfel) anhand der angebotenen Karten meine Möglichkeiten und die der Konkurrenz durchkalkuliere.
Noch direkter belauern wir uns in der Aktionsphase. Aus dem Markt darf jeweils nur die unterste Karte einer Spalte des Kartenrasters erworben werden. Indem ich eine Karte nehme, schalte ich eine andere frei. Vielleicht wartet jemand genau darauf.

Nova Era: Karten

Ich will nicht verhehlen, dass mehreren Mitspieler:innen die eigentümliche Mischung aus Planung und Optimierung und gleichzeitig fiesen Zufällen sehr gefallen hat. Und wenn ich in einer Runde bin, sie sichtlich Spielspaß empfindet, gefällt mir ein Spiel automatisch auch gleich besser. Jedenfalls in dieser Situation. Aber in den meisten Runden gefiel mir NOVA ERA dann doch nicht.
Den Schicksalsanteil finde ich verglichen mit der langen Denkzeit als unangemessen hoch. Es treten Situationen auf, bei denen man sich fragt, ob das wirklich so gewollt ist. Vor einzelnen Spieler:innen können sich Berge von Ressourcen auftürmen, mit denen sich nichts anfangen lässt. Karten wirken unausgewogen. „Sitting Bull“ und „Mahatma Gandhi“ sind in derselben Ära zu denselben Kosten erhältlich. „Sitting Bull“ zählt abhängig von meiner Auslage einen oder zwei Punkte, „Mahatma Gandhi“ drei oder sechs.
NOVA ERA wirkt nicht komplett ausgegoren. Als besonders störend empfinde ich die geringe Funktionalität der Grafik. Es geht um Farbmehrheiten. Aber dass manche Karten als zwei oder drei ihrer Farbe gelten, was für die Konkurrenz sicher wissenswert wäre, geht nicht etwa aus großen Symbolen hervor, sondern steht klein im Kartentext. Manche Karteneigenschaften beziehen sich auf andere Spieler:innen. Aber auch sie sind nicht etwa hervorgehoben, sondern so, als sollten die betroffenen Spieler:innen tunlichst nichts davon erfahren.


*** mäßig

NOVA ERA von Andrea Chiarvesio für zwei bis vier Spieler:innen, CMON.

1 Kommentare:

Der Siedler hat gesagt…

Ich finde eine gleichbleibende Form bei Rezensionen sehr hilfreich, um sich schnell zurechtzufinden. Mangelnde Abwechslung stört mich viel eher in puncto Inhalt.

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