Mittwoch, 24. August 2022

Stroganov

Im Russland des 16. Jahrhunderts gab es sicherlich noch gar keine Einleitungen. Sonst würde hier ja eine stehen.

Wie geht STROGANOV? In Sibirien machen wir ungefähr das, was die historische Familie Stroganov auch gemacht hat: Wir erbeuten Felle, errichten Außenposten, kolonisieren Landstriche und erzählen abends am Lagerfeuer von unseren Großtaten. All das zählt Punkte.
Felle sind neben Geld und Pferden eine der Währungen. Wir erhalten sie durch eine der möglichen Spielaktionen: die Jagd. Glück wird nicht benötigt. Im Gegenteil zeigt schon die Auslage bei Spielbeginn, welche Felle in welchen Territorien zu holen sind. Was aber nicht heißt, dass es einfach wäre …
Felle gibt es in sieben Sorten. Weil genau definiert ist, welche Kombination gleicher Felle ich für einen bestimmten Zweck benötige, muss ich planvoll sammeln. An die wertvollen Felle heranzukommen, ist generell schwieriger, weil man überall zuerst die weniger wertvollen erjagen oder Zusatzkosten bezahlen muss. Und vor allem wachsen Felle nicht nach. Die Gebiete werden immer leerer, die erforderlichen Reisewege immer länger.
Bin ich am Zug, reise ich zunächst weiter Richtung Osten und führe dann zwei oder drei Aktionen aus, entweder an meinem Aufenthaltsort oder überall dort, wo ich bereits einen Außenposten errichten konnte. Für die optionale dritte Aktion muss ich allerdings ein Fell bezahlen, oft ein ganz bestimmtes. Und so ärgerlich es wäre, die Aktion verfallen zu lassen: Nicht immer hat man das Fell.


Was passiert? Dass man ständig Felle ausgeben muss, obwohl man sie eigentlich sammeln will, ist ein reizvoller Grundwiderspruch des Spiels. Felle sammeln will ich beispielsweise für Aufträge des Zaren, die mir starke dauerhafte Fähigkeiten verleihen. Dazu muss ich beispielsweise fünf Fuchsfelle vorweisen und eines davon abgeben. Bis das geschafft ist, sollte ich mir also alle Aktionen verkneifen, die Fuchsfell kosten. Und nachdem es geschafft ist, bleiben vier Fuchsfelle übrig, für die ich im Bestfall schon einen Plan habe. Vielleicht habe ich mir einen weiteren Auftrag geangelt, der ebenfalls Fuchsfelle erfordert.
In STROGANOV komme ich zwölfmal an die Reihe, um meine zwei oder drei Aktionen auszuführen. Vorausplanen kann ich nur begrenzt; ich muss erst abwarten, was ich bei Zugbeginn auf dem Spielplan vorfinde. Aktionen können nun weitere Aktionen ergeben, bisweilen entstehen Kettenzüge. Und zwangsläufig längere Denkpausen. Zumal die Züge auch komplex sind. Die sieben Fellsorten verhalten sich beinahe wie sieben verschiedene Währungen. Mitbedenken muss ich außerdem diverse Hilfsaktionen, die ich zusätzlich in meinen Zug einflechten könnte. Der Spielrhythmus in STROGANOV ist langsam.


Was taugt es? Einerseits: STROGANOV verzichtet darauf, bekannte Mechanismen ein weiteres Mal aufzukochen. Es fühlt sich anders und origineller an, die Spielhandlungen passen gut zum Thema. STROGANOV beinhaltet interessante Dynamiken. Werden Territorien annektiert und vom Spielplan genommen, rutschen am Ende der Runde neue Landschaften und damit auch neue Felle ins Spiel. Geschieht dies nicht, sind wir alle ganz schön aufgeschmissen und müssen für ein olles Fell unfassbar weit reiten.
Im Spiel entwickeln sich spannende Wettläufe: um die besten Plätze für die Außenposten; um die Boni von Jurten, die wir uns gegenseitig wegschnappen; um Schritte auf der Geschichten-Skala. Manchmal schadet Langsamkeit trotzdem nicht. Sind die schlechteren Felle schon abgesammelt, komme ich als Nachzügler leichter an die besseren Felle heran. Sind Ländereien schon komplett leergejagt, ist immerhin ihre Annexion billiger.
Andererseits: Seine Vorzüge erkauft sich das Spiel mit viel Grübel- und Rechenbedarf. Damit alles passt, muss ich genau optimieren. Lediglich aus dem Bauch spielend, lasse ich hier jede Menge Punkte liegen. Für mein Empfinden sind einige Komplikationen zu viel im Spiel; etwas Schliff und stärkere Konzentration auf die Kernelemente hätten STROGANOV sicher nicht verwässert.
Vor allem empfinde ich es als unstimmig, dass STROGANOV Fellkombinationen zu sammeln verlangt, die im Rahmen der Hauptaktionen aber nur schwer oder sehr langwierig zu ergattern sind. Um diesen Mangel zu reparieren, gibt es wiederum die Möglichkeit, Joker zu kreieren, es gibt einen Markt, auf dem ich nach speziellen Regeln tauschen kann, es gibt verschiedene Varianten, um Pferde gegen Felle abzugeben. All das führt zu noch mehr Regeln und Seitenpfaden, die ich bedenken muss – und es schwächt die eigentliche thematische Hauptidee, dass die Jagd auf dem Spielplan, also in den Weiten Sibiriens, stattfindet.


**** solide

STROGANOV von Andreas Steding für eine:n bis vier Spieler:innen, Game Brewer.

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