Freitag, 6. Oktober 2023

Mosaic

Kommt MOSAIC von „mosern“? Na, dann moser ick.

Wie geht MOSAIC? Wir sind antike Staaten, die sich in der Mittelmeerregion ausbreiten. Wir gründen Städte und Dörfer, errichten Weltwunder, entwickeln Technologien und so weiter.
Viele Aktionen führen dazu, dass wir Karten ausspielen, was etwa mit TERRAFORMING MARS vergleichbar ist. Manche Karten erfordern das Vorhandensein bestimmter Symbole. Karten wiederum bringen auch Symbole. Symbole will ich sammeln. Denn es gibt Karten wie die Projektkarte „Stadtmauern“, die für jedes Symbol „Militär“ einen Punkt zählt, oder die Technologiekarte „Zement“, die für jede Projektkarte zwei Punkte zählt. Wer außerdem zuerst sechs Symbole einer der neun Sorten besitzt, gewinnt eine Urkunde namens „Goldenes Zeitalter“. Die bringt einen Sofort-Bonus und zählt Punkte in der Schlusswertung.
Ein Wettrennen entsteht auch um „Zivilisations-Errungenschaften“. Hier geht es beispielsweise darum, zuerst 60 Geld oder zwölf Bevölkerung zu haben. Neun (von 15 möglichen) dieser Urkunden liegen für jede Partie aus.

Dörfer und Städte und Weltwunder punkten bei Spielende und zahlen sich auch schon während der Partie aus. Bei drei Zwischenwertungen gibt es Punkte für Einflussmehrheiten in den Regionen, und den gewünschten Einfluss bringen eben Dörfer, Städte und Weltwunder (sowie Militäreinheiten).
Die Aktionen selbst sind in MOSAIC einfach gehalten. Wer am Zug ist, führt genau eine Aktion aus, entwickelt beispielsweise eine Technologie, was „Idee“-Ressourcen kostet. Oder erhöht die Bevölkerung, was „Nahrung“ kostet. Weil alle Spieler:innen dieselbe Anzahl Aktionen haben, hat MOSAIC über die vielen kleinen Wettläufe innerhalb des Spiels hinaus auch insgesamt einen Wettlaufcharakter. Man will möglichst mit jedem Zug Punkte machen. Allerdings muss man ab und zu auch Ressourcen produzieren und verliert dadurch Tempo.


Was passiert? In der Theorie ist recht klar, worauf man generell hinauswill: schnell Symbole sammeln, sich ausbreiten, Mehrheiten bilden, eine gute Produktion aufbauen. Im Detail kommt es dann auch noch darauf an, welche Weltwunder man wo baut oder welche Regierungsform man erwirbt, weil jedes dieser Plättchen auf andere Weise punktet. MOSAIC hat taktische und interaktive Elemente, beispielsweise indem ich bestimmte Karten anderen Spieler:innen wegschnappe, oder indem ich abschätze, welcher der vielen Wettläufe für mich aussichtsreich wäre.
Die Praxis allerdings ist viel holpriger als die Theorie, weil MOSAIC krasse Fehler hat, die ich in dieser Häufung schon lange nicht mehr erlebt habe. Es beginnt mit Schreibfehlern, „Bevöalkerung“ steht auf manchen Tableaus. Auch die Anleitung enthält Fehler, sie wurde unvollständig und teilweise schlicht falsch übersetzt. Im Anhang (ebenfalls fehlerhaft), wo ich detailliertere Erläuterungen zu einzelnen Karten erwarten würde, steht größtenteils noch einmal genau dasselbe wie schon auf den Karten. Begriffe gehen durcheinander. Kartenanweisungen lauten „erhalte eine Stadt“, „nehme eine Stadt“ oder „platziere eine Stadt“, und man fragt sich: Ist das jeweils dasselbe oder gibt es Unterschiede?
MOSAIC ist schrecklich unübersichtlich. Um Funktionalität und Spielkomfort hat sich offenbar niemand geschert. Während bei den Stein-Plättchen ein Einer logischerweise einen Stein zeigt und der Fünfer logischerweise fünf Steine, zeigt bei den Nahrungs-Plättchen der Einer Getreide, der Fünfer aber einen Fisch. Warum? „Imperienkarten“, die ich vor jeder Partie aus vielen anderen Karten heraussuchen und dann auf bestimmte Weise in die verschiedenen Stapel einmischen muss, sehen den Karten, aus denen ich sie heraussuchen soll, unsinnigerweise sehr ähnlich.
Und dann das Gesuche auf dem Spielplan! Immer wieder geht es um Mehrheiten in Regionen. Aber bei einzelnen Feldern lässt sich schlecht erkennen, zu welcher Region sie gehören. Bei den Weltwundern wiederum lässt sich schlecht erkennen, welchem Staat sie gehören, und bei Dörfern und Städten lässt sich ein Unterschied schlecht erkennen, sie sehen nahezu identisch aus. Das macht das Auszählen der Mehrheiten ziemlich nervtötend. Und leider geschieht es mehrmals pro Spiel.
Vor allen Spieler:innen entsteht eine große Kartenauslage, für die es nicht so recht ein durchdachtes Ordnungssystem gibt. Effekte werden vergessen, und wofür man am Ende Punkte erhält, gerät aus dem Blick. Für die Übersicht fehlen in MOSAIC auch eine Siegpunktskala oder ein Aufschreibblock.
Selbst Kleinigkeiten sind noch extradumm geregelt: Das erste Weltwunder kostet 20 Steine und fünf Getreide, jedes weitere fünf Steine und fünf Getreide mehr. Warum gibt es dafür keine Kostentabelle auf dem Spielplan? Jedes Mal muss man neu losrechnen. Das vierte Weltwunder … äh, Moment, 20 Steine plus fünf plus fünf plus fünf. Sowie fünf Getreide plus fünf plus fünf plus fünf.


Was taugt es? Das Ausmaß, in dem die redaktionelle Aufarbeitung des Spiels misslungen ist, wäre allein schon ein Grund, MOSAIC in den Boden zu stampfen. Negativ hinzu kommt, dass zu Beginn einer Partie sehr, sehr viel angeordnet, ausgelegt und vorsortiert werden muss. Der Aufbau dauert ungewöhnlich lange. Und nicht einmal spielerisch ist alles rund. Fühlt sich die erste Hälfte einer Partie noch spannend an, weil man sein Reich heranwachsen lässt, eine bestimmte Richtung einschlägt und hier und da anderen zuvorkommen möchte, mündet es in der zweiten Hälfte in ein zähes Abarbeiten und Warten auf das Auslösen der Endbedingung.
MOSAIC ist eine Ansammlung von Negativbeispielen, was man bei einem Spiel alles schlecht machen kann. Fast wäre es ein Kandidat für die Kategorie „schlimm“. Allerdings: Beim Spielen schimmern auch Qualitäten durch, die ahnen lassen, dass MOSAIC ein interessantes Spiel sein könnte. Es hat einen guten Rhythmus, es ist überwiegend konstruktiv, lässt viele Freiheiten und ist angesichts der großen Vielfalt nicht überkompliziert. Es fehlt nur sehr viel Feinschliff.


** misslungen

MOSAIC von Glenn Drover für zwei bis sechs Spieler:innen, Sylex / Forbidden Games.

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