In Göttingen war ich Mitglied zweier regelmäßiger Spielerunden. Wobei die eine immer meine Lieblingsrunde war und die andere leider nicht. Mehrere Begleitumstände verhinderten, dass die Nicht-Lieblingsrunde meine Lieblingsrunde hätten werden können:
1. Sie fand nur alle 14 Tage statt. Den Nachteil dieser Regelung kann wohl jeder an zweieinhalb Händen abzählen. Den Fantasielosen erkläre ich es trotzdem gern: Wenn etwas nur alle 14 Tage stattfindet, bedeutet dies, dass es an den 13 Tagen dazwischen nicht (!!!) stattfindet.
2. Sie war dienstags. Nichts gegen Dienstage allgemein. Aber mein Referendariat war nun mal so organisiert, dass ich mittwochs zur ersten Stunde in der Schule sein musste. Und das bedeutete, um sechs Uhr morgens aufzustehen. Und das bedeutete, den Spieletreff um zehn oder spätestens halb elf verlassen zu müssen. Und das bedeutete, nur zwei oder zweieinhalb Stunden gespielt zu haben. Und das bedeutete, es lohnte sich kaum. Und dies sogar noch weniger, wenn man Punkt 3 einrechnet.
3. Der Gruppengeschmack war ein anderer als meiner. Und der Gruppengeschmack war ein anderer als der in meiner Lieblingsrunde. Zugegeben: Was auf den Tisch kommt, ist oft gar nicht das Ergebnis eines „Gruppengeschmacks“, den es vielleicht nicht mal gibt. Denn wer ein vorgeschlagenes Spiel überhaupt nicht kennt, kann schlecht darüber diskutieren, sondern allenfalls mehr oder weniger Bereitschaft signalisieren.
In der Spielerunde am Dienstag waren wir oft so wenige, dass es nur für einen Tisch reichte. Und wenn nun ein Veteran der Runde ein lange nicht gespieltes Objekt seiner Sammlung mitbrachte, dies gerne spielen wollte und dabei andere Veteranen sofort auf seiner Seite hatte, blieb mir als Neuling keine echte Wahl. Und so gab es Abende, an denen ich nach DALLAS, CIRCUS IMPERIUM oder DOOLITTLE & WAITE nach Hause radelte und mich fragte, warum ich überhaupt hingeradelt war.
Natürlich gab es – theoretisch – die Möglichkeit, die Abende mitzugestalten, indem man eigene Spiele mitbrachte. Ob sich das lohnte, war wenig vorhersehbar und hing davon ab, welche der Veteranen zugegen waren. Manche waren neugierig auf Neues, andere hielten ihre Spiele der 80er-Jahre für nahezu unübertrefflich.
Eine sehr schlechte und deshalb bleibende Erfahrung machte ich mit dem von mir mitgebrachten MARRA CASH. MARRA CASH ist ein taktisches Spiel mit fiesem Einschlag. Man ersteigert Läden und bewegt Kundengruppen gemischter Farben durch die Gassen. Jeder Kunde betritt den erstbesten Laden seiner Farbe und bringt dem Besitzer Geld. Die Kunst besteht also darin, die Kunden zu den eigenen Läden zu schleusen. Oder die Läden dort zu eröffnen, wo die Kunden langschlendern werden.
Weil jeder Zug auch eine Vorlage für den Mitspieler sein kann, ergeben sich zeitweilige Allianzen, die bisweilen rasch wieder enden, zumal es auch etliche Möglichkeiten gibt, den anderen heftig in die Suppe zu spucken: Man lenkt Kunden von ihren Läden weg oder eröffnet kurz vor dem roten Laden des Mitspielers einen eigenen roten Laden. Oder man bietet die Geschäftsfläche nur zur Versteigerung an und lässt den Besitzer des ersten roten Ladens auch den zweiten roten Laden kaufen, den er eigentlich gar nicht braucht.
In meiner Lieblingsrunde fanden wir MARRA CASH herrlich subtil und spielten es mit viel Freude und Schadenfreude. In der anderen Runde allerdings fiel MARRA CASH krachend durch. Man sei zu sehr von anderen abhängig, hieß es. Der Verlierer urteilte: „Das Spiel hat seine schlechten Kritiken zu Recht bekommen!“, und das war es dann. Und zwei Wochen später spielten wir FAMILY BUSINESS, ein Spiel, bei dem man von anderen kaum abhängiger sein könnte. Aber das war aus den 80ern und voll toll.
- Vor 20 Jahren (39): El Grande
- Vor 20 Jahren (41): Galopp Royal
1 Kommentare:
Marra Cash...DAS waren noch Zeiten...! Haben wir damals auch oft und gern gespielt - allerdings ebenfalls immer Dienstags. Mittlerweile besitze ich es nicht mehr - ob es wohl heute immer noch gut ankäme???
Micha A.
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