Dienstag, 7. Januar 2020

Sherlock

SHERLOCK war im vergangenen Jahrgang eines der beliebtesten Spiele meiner Mitspieler*innen. Bei der Veröffentlichung der Favoritenliste am 13. September 2019 schrieb ich dazu: „Werde ich bei Gelegenheit vielleicht mal rezensieren.“ Und … na bitte: Hier ist die Gelegenheit auch schon.

Wie geht SHERLOCK? Es ist ein kooperatives Detektivspiel. Auf nur 32 Karten, von denen sich einige sogar als Nieten herausstellen, wird ein Kriminalfall erzählt oder sagen wir: umrissen. Jede*r besitzt drei dieser Karten. Wer am Zug ist, spielt eine aus oder schmeißt eine ab (aber sollte sich die Informationen darauf merken) und zieht nach. Sobald sämtliche Karten gespielt oder abgeworfen wurden, muss die Gruppe Fragen zum Fall beantworten.
Apropos Fragen: Was ist der Sinn des Abwerfens? Für die Punktwertung macht es sich gut, irrelevante Karten nicht gespielt zu haben. Obendrein verlangt die Spielregel, bis zum Ende mindestens sechs Karten zu eliminieren.


Was passiert? Die Beantwortung der Fragen ist selten ein Selbstläufer. Auch wenn sich die Gruppe eigentlich sicher wähnt, gelingt es den Autoren, immer wieder Zweifel zu säen. Die Antwortenphase ist der stärkste Teil des Spiels, weil hier rege diskutiert und Wissen vereint wird, um Theorien und Gegentheorien aufzustellen.
In der Spielphase davor ist die Diskussion eingeschränkt. Man darf nur auf den Karten Hervorgehobenes verraten, was meist so nichtssagend ist, dass zu diesem Zeitpunkt kaum sinnvolle Gruppenentscheidungen getroffen werden können. Über ausliegende Karten darf geredet werden, über alle anderen bis zur Antwortenphase nicht, was in meinen Spielerunden zunehmend dazu führte, die Gespräche kurz zu halten und bis zum Finale aufzuschieben, wann es endlich erlaubt ist.
So ist letztendlich jede*r selber verantwortlich für das, was er oder sie spielt oder abschmeißt. Was den Vorteil hat, dass jede*r eigene Entscheidungen treffen muss. Und den Nachteil, dass diese Entscheidungen sehr falsch sein können und eventuell harte Konsequenzen haben. Weil niemand die Punktwertung durch das Ausspielen irrelevanter Karten ruinieren möchte, wird auch immer mal Wichtiges abgeworfen mit der optimistischen Behauptung, man habe den Inhalt der Karte komplett erfasst. Und hinterher stellt sich heraus: Tja, da wäre noch so ein Detail gewesen …

Was taugt es? Obwohl ich die Kartenphase nicht völlig gelungen finde, erlebe ich es aber doch als spannend, wie sich hier nach und nach ein Fall geradezu entblättert, indem später hinzukommende Karten weitere Informationen ins Spiel bringen oder die Sache in einem neuen Licht erscheinen lassen.
Überwiegend – aber nicht immer – empfinde ich auch die Auflösungen als befriedigend. Zum Glück sind die Fälle nie so simpel konstruiert, dass irgendwer irgendwen ermordet hat, nur weil es mal eine Meinungsverschiedenheit gab oder weil er in Wirklichkeit der geheime Vetter dritten Grades mit dunklem Geheimnis ist.
Trotzdem war ich nicht mit allen Schlussfolgerungen einverstanden. Die Auflösung gibt stets an, aus welchen Karten sich welche Antwort hätte ergeben sollen und hin und wieder fand ich das nicht so eindeutig, wie es mir das Spiel Glauben machen wollte.
SHERLOCK ist kein präzises Rätselspiel wie EXIT. Die Lösung der Fälle erfordert oft auch kreatives Denken und geht teilweise in die Richtung der BLACK STORIES. Mit wachsender Erfahrung komme ich damit – wie ich bei den drei neuen Fällen feststellen durfte – immer besser zurecht.
Allerdings befinde ich mich wie auch meine Spielrunden in einer Luxussituation: Wenn ein Fall nicht so gefällt, wenn man völlig neben der Spur ist oder falsch abgeworfen hat, ist das halb so wild, denn es liegt ja gleich der nächste Fall zum Ausprobieren da. Ich glaube, dass eine Einstiegsbox mit mehreren Fällen besser gewesen wäre, um Menschen an die Art des Spiels heranzuführen. Weil aus der Anleitung allein noch nicht zu entnehmen ist, was das Spiel eigentlich von einem will, muss man für diese Erkenntnis einen Fall komplett spielen – und dann ist er gespielt und hat sich als reine Lernpartie verbraucht.
Die drei neuen Fälle gefallen mir allesamt, wenn auch allesamt mit Abstrichen. DER PATE fiel meiner Gruppe eher zu leicht. Auch 13 GEISELN war für uns nicht so schwer, wie es dessen Einstufung in die höchste Kategorie hätte befürchten lassen; nur einen vermeintlichen Beweis fand ich nicht sonderlich schlüssig. DAS LABOR habe ich als am interessantesten erlebt, auch wenn mir die Geschichte ziemlich unrealistisch vorkam.
Vielleicht ist es am Ende Geschmackssache: Ein EXIT-Fall fühlt sich für mich üblicherweise runder und einleuchtender an als ein SHERLOCK-Fall. Deshalb und obwohl ich es sehr gelungen und erstaunlich finde, wie SHERLOCK aus wenig viel macht und mit so geringen Mitteln zum Denken und zu Diskussionen anregt, geht es für mich im Durchschnitt nicht über „solide“ hinaus.


**** solide

SHERLOCK von Josep Izquierdo und Marti Lucas (und bei DER PATE Jesus Otero) für eine*n bis acht Spieler*innen, Abacusspiele.

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