Die Zirkadianer haben fremde Lebensformen entdeckt, eine Einleitung fanden sie nicht.
Wie geht ZIRKADIANER – ERSTES LICHT? Es ist ein Würfeleinsatzspiel. Wir besitzen zunächst drei, später unterschiedlich viele Würfel, würfeln sie geheim hinter dem Sichtschirm und entscheiden für jeden, ob er für die Ernte oder für eine Aktion eingesetzt werden soll. Im Falle des Aktionseinsatzes müssen wir auch noch die Reihenfolge der Würfel vorab bestimmen.
Nach dem Aufdecken setzen wir reihum unsere Aktionswürfel auf Tableaus ein: um Rohstoffe zu tauschen, weitere Würfel zu erwerben, auf verschiedene Weise das Heimattableau auszubauen und damit aufwerten, Fähigkeitskarten zu spielen, Siegpunkte zu gewinnen. Teilweise sind die Aktionen an bestimmte Augenzahlen gebunden, fast immer kosten sie eine vorgegebene Rohstoffkombination. Die Einsatzfelder sind sehr begrenzt. Es kommt nicht selten vor, dass sich ursprüngliche Pläne zerschlagen und man notgedrungen etwas Neues aus dem Hut zaubern muss.
Anschließend folgt die Erntephase. Die Position unserer „Erntemaschine“ (eine Figur, die aktionsgetrieben auf dem Spielplan herumfährt) bestimmt über das Grundeinkommen, weitere Einkünfte kommen durch Tableau-Ausbau oder Würfeleinsatz hinzu.
Diesen Ablauf spielen wir achtmal, und hinterher gibt es in verschiedenen Kategorien Punkte. Und thematisch ist das natürlich überhaupt nicht, weil reale Zirkadianer nämlich vollkommen anders sind. Aber diese Kritik ließe sich bei den allermeisten Spielen anbringen.
Was passiert? Die guten Nachrichten zuerst: ZIRKADIANER – ERSTES LICHT ist schön verwoben. Alles hängt mit allem zusammen, erschließt sich logisch und bildet ein harmonisches System. Wie so oft ist es gut, erst einmal viel Kram anzuhäufen. Glücklicherweise setzt das Spiel aber auch Anreize, um recht früh schon Siegpunkte zu erwerben. So gibt es nicht die eine Strategie, die alles dominiert.
Viele Grundelemente kennt man aus anderen Spielen und sie hinterlassen bei mir das Gefühl von Erfinder-Standardbaukasten. Aber auch diesen Eindruck muss ich einschränken: Im Detail enthält ZIRKADIANER – ERSTES LICHT interessante Abwandlungen, beispielsweise indem man Würfel schon in die kommende Runde vorausschicken kann. Oder auch in Form der Erntemaschine, die dazu befähigt, das Einkommen in gewissem Rahmen selbst zu bestimmen, jedoch bloß zwei Ressourcen in großen Mengen auswirft, also zugleich einen Mangel generiert, mit dem man irgendwie umgehen muss.
Am meisten Spaß macht es, die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Jede*r Spieler*in beginnt bereits mit einer Charaktereigenschaft, die eine gewisse Richtung vorgibt. Durch Tableau-Ausbau und Fähigkeitskarten erweitern sich im Laufe der Partie Einkünfte und Möglichkeiten; für bestimmte Orten schaltet man sich Rabatte oder Boni frei und versucht natürlich, diese Vorteile noch möglichst häufig auszunutzen. Auch das gab es zwar schon anderswo, doch hier ist es eben gut verdichtet und schafft somit den Anreiz, um in späteren Partien noch besser zu optimieren und noch mehr herausholen zu wollen.
Nun aber zur schlechten Nachricht: Der Würfelmechanismus provoziert unnötige Fehler und – um sie zu vermeiden – unnötige Grübeleien. Das System zwingt dazu, viele Züge im Voraus zu planen, ohne mal einen Zug zu machen. Damit verbunden ist die Notwendigkeit, auch den Ressourceneinsatz (und es gibt vier Währungen) weit im Voraus zu planen. Und ist dann das angepeilte Einsatzfeld besetzt, muss man sich alles neu überlegen und darf nichts dabei übersehen.
Immer wieder kommt es vor, dass jemand feststellt, bei Notnagel-Aktion Nummer eins dummerweise jene zwei Energie ausgegeben zu haben, die in Aktion vier zur Bezahlung nötig gewesen wären, wodurch nun leider Aktion vier komplett im Eimer ist. Oder man hat doch nicht wie geplant den Bonus freischalten können, der im folgenden Zug die Voraussetzung für eine Aktion war, die wiederum die Voraussetzung der nächsten Aktion hätte sein sollen.
Unbestritten erzeugt es auch eine gewisse Spannung, wenn ich beim Würfeleinsatz derart reinfallen kann. Doch gleicht das die Negativeffekte nicht aus. Es gibt nun mal Gründe, warum andere Spiele es anders handhaben und die Spieler*innen ihren Würfel- bzw. Figureneinsatz nicht erst in der Theorie und anschließend unter geänderten Vorzeichen in der Praxis vollziehen lassen: Denn das dauert viel länger, ist umständlich und unbefriedigend. Und die an dieser Stelle erforderliche Planungstiefe passt auch nicht zur Gesamttiefe von ZIRKADIANER – ERSTES LICHT, das außer dem Würfeln und dem Kartenziehen noch ein weiteres erhebliches Glückselement beinhaltet: In jeder der acht Runden gilt ein anderes Ereignis. 16 verschieden gäbe es, man kann sich also nicht auf irgendwas einstellen. Die Vor- oder Nachteile, die einzelne Spieler*innen aus den zufälligen Ereignissen ziehen können, sind markant.
Was taugt es? ZIRKADIANER – ERSTES LICHT ist ein interessantes und rundes, aber auch vollkommen themenloses Optimierspiel, als dessen großen Nachteil ich die Vorausplan-Phase ansehe. Der Autor hat es offensichtlich anders empfunden, ansonsten wäre es ja sehr leicht gewesen, den Würfeleinsatz so vorzunehmen wie in anderen Spielen auch.
Die Anleitung ist gut, die Symbolik weniger. Für zwei Bereiche wurden fast identische Zeichen und Farben gewählt, die Symbole für Farmen und Aufwertungen befinden sich unsinnigerweise nur auf der Rückseite der entsprechenden Plättchen. Die Spielpläne sind etwas klein geraten, das Material verdeckt Informationen. Auch die Ressourcenmarker sind klein und fummelig und es gibt nur Einer, obwohl Aktionen oft zehn der winzigen Wassersteine kosten, die dann einzeln abgezählt werden müssen.
**** solide
ZIRKADIANER – ERSTES LICHT von S. J. Macdonald für einen bis vier Spieler*innen, Schwerkraft.
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