Hier stand mal eine Einleitung. Aber dann ist sie zugeschneit.
Wie geht WASSERKRAFT? WASSERKRAFT ist ein Spiel um Energiegewinnung. Der Spielplan zeigt mehrere Wasserläufe, die aus dem Gebirge ins Tal fließen. Um Energie zu erzeugen, benötigt man zunächst mal angestautes Wasser. Das kann sich hinter neutralen Staumauern befinden oder denen des eigenen Unternehmens. Man benötigt Rohrwerke am entsprechenden Staubecken; gegen Zuzahlung darf man auch gegnerische verwenden. Und man benötigt am Ende der Rohrleitung auf jeden Fall ein eigenes Turbinenwerk.
Wo genau die Rohre entlangführen, ist auf dem Spielplan vorgegeben. Mitnichten ist es so, dass es immer nur bergab ins nächste Staubecken geht. Teilweise wird das Wasser in einen anderen Fluss, teilweise sogar wieder bergauf gepumpt. Das Leitungsgeflecht ermöglicht manche Finesse. Beispielsweise kann ich dasselbe Turbinenwerk aus verschiedenen Quellen speisen. Oder ich positioniere meine Bauten so, dass das Wasser der ersten Stromerzeugung etwas tiefer im Tal in einem anderen meiner Staubecken landet und nochmals genutzt werden kann.
Die Grundmechanik des Ganzen ist Arbeitereinsatz. Wir setzen Figuren ein, um beispielsweise Bauten zu errichten, Strom zu erzeugen, Bauwerkzeuge zu kaufen oder außerplanmäßig Wasser ins Spiel zu geben. Am Ende eines Durchgangs gewinnt Punkte, wer die größte Energiemenge erzeugen konnte. Außerdem zählen in jedem Durchgang bestimmte Errungenschaften, beispielsweise könnte jedes Rohrwerk vier Punkte bringen – jedoch mit Abzügen, falls man zu wenig Energie erzeugt.
Daneben darf man mit jeder einzelnen Energieerzeugung einen Vertrag erfüllen („Erzeuge mindestens x Energie, erhalte dafür y.“) – und sollte es auch, denn diese Zwischendurch-Belohnungen bringen entscheidende Tempovorteile.
Was passiert? Die erste Partie WASSERKRAFT kann man getrost als Lernpartie verbuchen. Ab Partie zwei kann man sich dann über geschicktes Zusammenspiel der Verträge oder cleveres Ausnutzen der Rohrleitungen Gedanken machen. Trotzdem ist WASSERKRAFT kein kompliziertes Spiel. Hat man die Kernelemente Energieerzeugung und Wasserfluss verstanden, leitet sich alles stimmig und logisch davon ab.
Doch auch spätere Partien können noch zur Lektion werden. Denn WASSERKRAFT ist wenig fehlertolerant. Schlecht platzierte Bauten zu Beginn lassen sich kaum noch kompensieren. Und manchmal sind schlichtweg die Mitspieler*innen nicht nett. Ein Stausee oberhalb meines Stausees gebaut, der mir den Wassernachschub kappt, kann mich um viele Züge zurückwerfen. Warnung also: WASSERKRAFT ist ungewöhnlich konfrontativ. Nur im Spiel zu zweit kann man sich ganz gut ausweichen und ein bisschen nebeneinanderher spielen.
Timing, Ressourcenmanagement und Optimierung spielen in WASSERKRAFT eine große Rolle. Man kennt Vergleichbares aus anderen Spielen, deshalb nur kurz: Es sind Fragen wie: Welches Einsatzfeld könnte mir weggeschnappt werden? Wie kann ich trotz knapper Ressourcen bauen? Hat die Energiegewinnung Priorität oder sollte ich mir erst noch mal mehr Verträge sichern? Trotzdem gibt es auch hier etwas Neues: Ressourcen für Bauten gebe ich nicht ab. Sie sind lediglich für längere oder kürzere Zeit (worauf ich Einfluss habe) in Benutzung und ich erhalte sie zurück.
Zu diesen taktischen Komponenten kommen sehr entscheidend die strategische Positionierung auf dem Spielplan und das Ausnutzen der individuellen Ingenieurs- und Firmeneigenschaften. Mit Viktor Fiesler werde ich anders agieren als mit Jill McDowell.
Was taugt es? Mich fasziniert WASSERKRAFT enorm. Obwohl manches gar nicht so revolutionär ist. Arbeitereinsatz samt typischer Dilemmata ist bekannt, Management und Optimierung sind es ebenso. Neu aber ist das Umfeld, das System, in dem sich das alles abspielt.
WASSERKRAFT beruht auf einer thematischen Idee. Der Mechanismus steht im Dienst dieser Thematik. Und weil die Thematik bereits sehr viel Originalität ins Spiel bringt, stört es gar nicht, dass der Rest teilweise Bekanntes variiert. Im Gegenteil: Das erleichtert den Zugang und die Fokussierung auf den spielerischen Kern. Auch als erfahrener Spieler wünsche ich mir kein mit Innovationen vollgestopftes Spielmonstrum.
Entscheidend für den hohen Spielreiz ist das Gefühl, in WASSERKRAFT spielerische Überlegungen anstellen zu dürfen, die ich anderswo nicht auch schon angestellt habe. Wie ich Gewürze gegen Wolle tausche oder von Bagdad nach Belgien transportiere, habe ich schon auf viele verschiedene Weisen durchexerziert; wie ich Wasserströme für Energiegewinnung nutze und umleite noch nicht. Obendrein fühlt es sich weit weniger beliebig oder konstruiert an.
Man könnte sogar sagen: Das Thema generiert durch seine Rahmenbedingungen einen neuen, ganz eigenen Mechanismus: Es gibt Wasser. Das Wasser fließt. Man kann es stauen. Wir betreiben Wasser-Management. Bloß ist dieser Wasser-Mechanismus eben ungewöhnlich stark an das Thema gekoppelt. Er ist nicht austauschbar wie andere Mechanismen.
WASSERKRAFT ist für mein inneres Spielkind wie ein neues Spielzeug, bei dem ich erst mal alles ausprobieren möchte. Und da lockt so einiges: Die Ausgangslage jeder Partie ist ein bisschen anders, es gibt zwei Schwierigkeitsstufen, und ich kann vier verschiedene Unternehmen und sieben Chefingenieure wählen: Stoff für viele Experimente.
Nur zwei Dinge gefallen mir weniger: Bei den Baumaschinen lassen sich Einer, Dreier und Fünfer leicht verwechseln, außerdem gibt es zu wenige Einer. Und: WASSERKRAFT ist seinem Thema dann doch nicht ganz treu. Obwohl es ja eigentlich um Energie geht, macht man gegen Ende auch bemerkenswert viele Punkte nur damit, dass man ordentlich viel baut, ohne es je benutzen zu wollen. Ich sehe ein, dass das spielmechanisch nötig ist, weil sonst in den letzten zwei Durchgängen viele Aktionen keinen Sinn mehr hätten. (Und man kann es sich auch irgendwie erklären: Vielleicht repräsentieren die Bauten Projekte der Zukunft?) Schade finde ich es dennoch.
****** außerordentlich
WASSERKRAFT von Tommaso Battista und Simone Luciani für zwei bis vier Spieler*innen, Feuerland.
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