Donnerstag, 8. Juli 2021

Vor 20 Jahren (103): Die Händler von Genua

Als ich vor etlichen Jahren tiefer ins Spielgeschehen eintauchte, war ich bereits etliche Jahre zu spät dran und hatte sie alle verpasst: die 3M-Serie, die Casino-Serie, die E-Reihe und so weiter. Man las so viel darüber, wie viele und welche dieser Schätze andere Spieler:innen in ihren Regalen verwahrten – und das Versäumnis, sie nicht ebenfalls zu verwahren, schien ganz erheblich zu sein.

Einige der ach so legendären Spiele lernte ich später doch noch kennen und kam wiederholt zu dem Ergebnis, dass man, um ihren Wert im erforderlichen Maße würdigen zu können, vor all den Jahren wohl hätte dabeigewesen sein müssen.

Eines Tages war ich dann aber selbst im besten Spielealter, als eine legendäre Reihe aufgebaut wurde. Die Rede ist von alea: schöne, oft anspruchsvolle Spiele in einem buchartigen Hochkant-Schachtelformat, durchnummeriert von 1 bis …

6. Das jedenfalls war der Stand von vor 20 Jahren. Der damals aktuelle Titel stammte von Rüdiger Dorn und war sein Durchbruch als Autor auch komplexerer Spiele. Genau genommen war DIE HÄNDLER VON GENUA Dorns erste komplexere Veröffentlichung überhaupt. In den Folgejahren erschienen GOA, JAMBO und LOUIS XIV und festigten Dorns exzellenten Ruf als Autor in diesem Segment.

DIE HÄNDLER VON GENUA ist ein Verhandlungsspiel. Wir feilschen um den genauen Weg, den eine Händlerfigur (ein Turm aus fünf Scheiben) über den Spielplan nehmen soll. Um Aufträge zu erfüllen, habe ich das Interesse, dass der Turm in bestimmte Richtungen zieht und unterwegs bestimmte Gebäude betritt. Wer am Zug ist, legt die Laufrichtung fest und lässt sich dafür von den anderen bezahlen. Mir hat das immer dann die größte, geradezu diebische Freude bereitet, wenn es mir gelang, Mitspielenden viel Geld aus der Nase zu ziehen für einen Weg, den ich sowieso zu gehen beabsichtigte.


Die Händlerfigur hinterlässt auf jedem Feld, das sie betritt, eine ihrer fünf Scheiben. Sind alle aufgebraucht, endet die Bewegung. Wenn man so will (und offensichtlich will ich so), ist DIE HÄNDLER VON GENUA Teil eins von Rüdiger Dorns Fünf-Scheiben-Trilogie. Denn in GOA und ISTANBUL definieren und beschränken ebenfalls fünf Scheiben eine Route. (Nebenbei: Auch LOUIS XIV sehe ich als verwandt an, weil wir uns auch dort von einem Startpunkt ausgehend mehrschrittig ausbreiten.)

Wie ein Autor ein gefundenes Konzept mehrfach neu interpretiert, ohne sich selbst zu kopieren, finde ich bemerkenswert. Die Spiele sind sehr unterschiedlich. Niemand käme auf die Idee, sie als Spielfamilie oder Reihe zu empfinden.

Ach ja, zurück zu den Reihen: Noch heute besitze ich sehr viele alea-Spiele. Warum, ist ja ganz klar. Denn im Gegensatz zu dem anfangs erwähnten Altvorderen-Kram war diese Reihe tatsächlich legendär. Es kann gar nicht anders sein. Schließlich war ich damals mit dabei.


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