Nach Meinung der Fairplay-Scouts war das heißeste Spiel der Essener Messe im Jahr 2002 FISCHE FLUPPEN FRIKADELLEN von Friedemann Friese. Es war eines von fünf Spielen, das von mehr als 100 Personen benotet worden war. Obendrein räumte es mit einer Durchschnittsnote von 1,67 fast die beste Bewertung ab. (Noch besser war HIVE mit 1,60, bei aber gerade mal zehn Noten.)
FISCHE FLUPPEN FRIKADELLEN überraschte in mehrerlei Hinsicht: Es war das erste große 2F-Spiel mit professionellem Produktionsstandard, also einwandfreiem Material, festem Spielplan, stabiler Schachtel und obendrein erfrischender Maura-Grafik. Und es wagte etwas völlig Neues: Man konnte mit bis zu 15 Personen spielen … wenn man – Kleinigkeit am Rande – drei Exemplare des Spiels kaufte. Und zwar drei verschiedene (Version A, B und C), damit man 15 verschiedene Pöppel hatte und nicht dreimal denselben Satz. Tatsächlich habe ich Leute mit allen drei Spielen unterm Arm vom 2F-Stand weggehen sehen.
Zu diesem Erfolg hätte ich eine Theorie, die vermutlich niemand wissen will, aber dies ist mein Blog, deshalb darf ich es trotzdem schreiben. Und möglicherweise ist die Theorie auch falsch, aber dies ist das Internet, deshalb tun Fakten nichts zur Sache. Und eigentlich ist es auch gar keine Theorie, sondern eher eine allgemeine Beobachtung, aber jetzt ist es zu spät …
Also: Beobachtet habe ich das Phänomen vor allem in der Populärmusik. Immer mal wieder geraten zuvor kaum bekannte Bands schlagartig in den Fokus der Öffentlichkeit, weil sie ein von allen Seiten hochgelobtes Album veröffentlichen; oft ist es ihr Erstling. Aber: Ein riesen Verkaufserfolg wird erst das Album danach. Warum auch immer: Weil das erste Album nur einen Independent-Vertrieb hatte. Weil die gestiegene Aufmerksamkeit jetzt besonders viele Leute neugierig macht. Weil das Nachfolge-Album schon etwas kommerzieller ist. Weil nun mehr Medien berichten ...
Ich glaube, Friedemann Friese ist etwas Ähnliches passiert. Das eigentlich viel bessere Spiel war FUNKENSCHLAG. Aber es war in kleiner Auflage erschienen. Viele hatten davon gehört, es aber gar nicht selbst gespielt. FUNKENSCHLAGS Früchte erntete ein Jahr später FISCHE FLUPPEN FRIKADELLEN. (Erst als FUNKENSCHLAG in zweiter Auflage und professionell produziert herauskam, erntete endlich auch FUNKENSCHLAG die Früchte.)
FISCHE FLUPPEN FRIKADELLEN ist ein wuseliges Pick-up-and-Deliver-Spiel. Wir rennen von Verkaufsstand zu Verkaufsstand, um Fische, Fluppen, Frikadellen, Fusel und Fenchel zu erwerben und schließlich gegen Fetische einzutauschen. Jeder Handel hat Folgewirkungen: Andere Stände produzieren Ware, Preise verändern sich, Stände tauschen ihr Angebot aus oder verlegen ihren Standort. Mir erschien das damals zu aufgemotzt, redundant und langatmig. Jedenfalls an nur einem Tisch.
Die seltenen Partien an mehreren Tischen dagegen waren erinnerungswürdig. Man konnte während seines Zuges den Tisch wechseln; man musste es irgendwann sogar, denn jeder der drei für den Sieg erforderlichen Fetische war nur auf einem anderen Spielbrett zu bekommen. Was einen dort aber genau erwartete, sah man erst, wenn man vor Ort war: Vielleicht reiste man mit Fenchel an, am alten Tisch noch ein Vermögen wert, doch die Fenchel-Preise am neuen Tisch waren im Keller. Oder es lief genau umgekehrt. Man kam mit ollen Frikadellen und wurde im neuen Umfeld schlagartig reich damit.
Die tüftelige Mechanik war immer noch dieselbe. Aber das Spiel gewann nun Event-Charakter und wurde sehr unterhaltsam, weil man wiederholt an andere Spielpartner:innen geriet und das natürlich nicht unkommentiert ließ. Man bewegte sich auch physisch. Und konnte nebenbei blöden Grübler:innen ausweichen. Ein Tisch, an dem zu lange nachgedacht wurde, war nachteilig für alle. Man schaffte weniger Züge als die anderen Tische und erwirtschaftete weniger Gewinn. Also bloß weg von dort! Ich erinnere mich, dass einer mal ganz allein an einem Tisch saß, nebenan drängelten sich gleich sechs oder sieben. Er hätte ziehen, ziehen, ziehen können und einen riesigen Vorteil gehabt. Aber er kam nicht dazu. Aufgrund der absurden Situation, in der er sich befand, kriegte er sich vor Lachen nicht mehr ein.
- Vor 20 Jahren (117): Dr. Jekyll & Mr. Hyde
- Vor 20 Jahren (119): Meine Schafe, deine Schafe
3 Kommentare:
Ja gerade der "Tisch wechseln um Leuten auszuweichen" war ein genialer Effekt, den ich nie wieder erlebt habe.
Aber deswegen 3 Spiele kaufen? Das habe ich dann doch nicht gemacht zumal ich selten in der Situation bin, Mit 15 Leuten zu spielen....
Ein schöner Text. Das Spiel habe ich nicht gespielt. Damals waren die Jahre, wo meine jugendliche Begeisterung für die Messe Essen abgekühlt war und ich als Studi lieber andere Teile der Welt bereist habe.
Ich komme wegen der Beschreibung nicht umhin an das diesjährige Challengers zu denken. Auch wenn noch keiner von Lachanfällen dabei berichtet hat und ich es eher unbeindruckend fand.
Funktionierte auch, wenn man andere Spieler kannte, die das Spiel ebenfalls kauften. Gemäss Aussage am Stand damals kauften die meisten ein A-Spiel - was das für Trieb-Ursachen hatte, kann sicher nur ein Spielpsychologe erklären. Daher wurde dazu geraten, ein B oder C zu nehmen. So konnte man immerhin mit zwei Exemplaren zu zehnt spielen.
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