Sonntag, 23. Oktober 2022

Get on Board

Bitte einsteigen! (Also, wenn diese Einleitung nicht a) unwiderstehlich zum Lesen verführt und b) grandios thematisch ist, dann weiß ich’s auch nicht ...)

Wie geht GET ON BOARD? GET ON BOARD fühlt sich an wie ein Flip-and-Write-Spiel, allerdings ist es keins. Denn unsere Buslinie kritzeln wir nicht auf Papier, sondern konstruieren sie mit Hölzchen auf einem Spielbrett. Dabei können wir uns gegenseitig in die Quere kommen. Zwar kann mich niemand blockieren, weil ich parallel zu anderen Spieler:innen bauen darf. Allerdings handle ich mir damit Minuspunkte ein.
Weitere Minuspunkte zählt es, wenn ich mich nicht exakt an die Vorgaben der aktuellen Baukarte halte, die besagt, ob ich eins, zwei oder drei Strecken legen und wie oft ich dabei abbiegen muss. Biege ich seltener oder häufiger ab als gefordert, setzt das Strafe.

Meine Strecke will ich so legen, dass viele Personen zusteigen, was sie immer tun, wenn sie an einem von mir erreichten Kreuzungspunkt abgebildet sind. Es gibt unterschiedliche Typen, die unterschiedlich punkten: Die Zahl der Studierenden in meinem Bus multipliziere ich am Schluss mit der Zahl der von mir erreichten Universitäten. Touris und Geschäftsleute steigen unterwegs wieder aus, sobald ich an einer Sehenswürdigkeit bzw. einem Büro vorbeifahre. Je mehr auf einmal aussteigen, desto besser für mich. Also will ich erst ein paar von ihnen einsammeln und nicht zu früh an ihren Zielen ankommen.
Zusätzlich verfolge ich noch einen Geheimauftrag und will in der Stadt drei vorgegebene Punkte anfahren. Und wir konkurrieren um die schnelle Erfüllung zweier öffentlicher Aufträge, die verlangen, fünf bestimmte Personen zu transportieren oder drei Gebäude eines bestimmten Typs zu erreichen.

Was passiert? Nachdem eine Baukarte aufgedeckt wurde, legen wir reihum unsere Verbindungen. Weil die Karte für jede:n etwas anderes bedeutet, sind wir nicht im selben Rhythmus.
Früher oder später wird sich herausstellen, dass es nicht so läuft wie erhofft, und ich stehe vor der Frage, wie viele Minuspunkte ich akzeptabel finde und wie viele Kompromisse ich bei der Route eingehe.
Dass wir ein gemeinsames Brett bebauen, schafft bald zusätzliche Konflikte: Ich hoffe, dass mir niemand in die Quere kommt, und versuchte anderen auszuweichen oder ihnen zuvorzukommen. Dennoch spielen wir nicht direkt miteinander. Die Aktionen der anderen sind eher wie Störungen in meinem Betriebsablauf; hauptsächlich bin ich mit den vertrackten Wertungsanforderungen beschäftigt.


Was taugt es? GET ON BOARD hat auch viel mit Glück zu tun. Weil man eine Gratis-Strecke bekommt, wenn der eigene Zug auf einem Ampel-Symbol endet, erlebte ich in einer Partie, dass die Reihenfolge der letzten beiden (von insgesamt zwölf) gezogenen Baukarten über 30 Prozent meiner Gesamtpunktzahl entschied. (Ich brauchte unbedingt den Ampelschritt … und bekam ihn.)
Dass es nur zwölf Züge sind, bedeutet andererseits: GET ON BOARD ist nicht abendfüllend. Es darf also Glück enthalten. Und in dieser krassen Überdosis habe ich das auch nur einmal erlebt. Allerdings steht die Spieldauer in einem gewissen Widerspruch zu Erklärdauer, Regelmenge und Fehleranfälligkeit. Einige Spieler:innen brauchten hier mehr Hilfe, als es die Anmutung des Spiels erwarten lassen würde. Das engt die Zielgruppe für GET ON BOARD ein: Man muss eine ganze Menge Regeln verdauen können und zugleich zufallstolerant sein.
Ich spiele GET ON BOARD trotzdem gern. Es hat Charme, wahrscheinlich auch wegen seiner bunten Retro-Grafik, das Thema passt, und sofern man das Spiel nicht erklären muss, weil es alle schon kennen, passt auch die Spieldauer zur Spieltiefe.
Die Unwägbarkeit, welche Baukarte als nächstes gezogen wird, und die zahlreichen miteinander verwobenen Möglichkeiten, Punkte zu gewinnen, machen die Entscheidungen knifflig. GET ON BOARD ist herausfordernd und trotzdem weit davon entfernt, grübelig zu werden, weil man vieles sowieso nicht planen kann.


**** solide

GET ON BOARD von Saashi für zwei bis fünf Spieler:innen, iello.

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