Dienstag, 25. April 2023

kosmopoli:t

Weiter Wutwochen auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN. Stein des Anstoßes sind jetzt aber nicht mehr die Spiele, sondern die fehlenden Einleitungen. Grrr!

Wie geht KOSMOPOLI:T? Wir betreiben kooperativ ein Restaurant. Und wir machen es uns nicht leicht. Denn offenbar gibt es bei uns keine Speisekarte. Die sehr internationalen Gäste bestellen, was immer sie wollen, einfach in ihrer Landessprache oder in ihrem Dialekt.
Die „Kellnerin“ nimmt alle Bestellungen entgegen. Dazu benötigt sie Smartphone, Kopfhörer und die zugehörige App. Sie klickt auf ein Gast-Icon und hört nun in Originalsprache, wie jemand etwas sagt, das beispielsweise klingt wie „Sölat Dörsle“. Die Kellnerin spricht das dem „Oberkellner“ vor, eventuell auch mehrfach, der notiert es auf seinem Block.

Im Bestfall haben die „Köche“ auch zugehört. Falls nein oder um später auf eine Bestellung zurückkommen zu können, dient die Mitschrift des Oberkellners. Er kann den Köchen alles beliebig oft wiederholen und vorsprechen, führt Buch über Fehlendes und Erledigtes und koordiniert die Gruppe, während die Kellnerin schon wieder neue Bestellungen aufnimmt oder fertige Gerichte der Köche serviert und in der App überprüft, ob das Richtige auf dem Teller ist.
Damit ein Gericht serviert werden kann, durchsuchen die Köche schnellstmöglich ihre je sechs Karten, auf denen in „Laien-Transkription“ jeweils sechs Gerichte stehen. Wer meint, das Gesuchte gefunden zu haben (in diesem Fall wäre es „ßüella tudoßö), benötigt noch die abgebildete Zutat (hier eine Chili), die sich im Stapel der Gemüsekarten findet, allerdings hat vielleicht ein anderer Koch diese Kartensorte, und leicht entsteht Chaos und Geschrei. In sechs Minuten müssen wir mit allem fertig sein.


Was passiert? Vor allem eine große Runde wird bei KOSMOPOLI:T schnell laut – obwohl sie sich damit ja selber schadet! Schließlich kommt es in diesem Hektikspiel auf genaues Hören an. Und auf das gedankliche Übertragen von Sprachlauten in eine mögliche Lautschrift. Je weiter das Gehörte und Geschriebene auseinanderklaffen, desto größer hinterher die Verwunderung.
Natürlich gibt es Gruppen, die strukturierter arbeiten, und solche, in denen die Küche ins Chaos abgleitet. Und es gibt Spieler:innen, die für ihre Posten im Spiel eher geeignet oder eher ungeeignet sind. Trotz unterschiedlicher Voraussetzungen ist KOSMOPOLI:T dennoch in so ziemlich jeder Gruppe eine sichere Bank, um Spielspaß, Gemeinschaftsgefühl und Erfolgserlebnisse zu erzeugen. Nur zu klein sollte die Gruppe nicht sein. Je weniger Köche parallel arbeiten, desto einfacher ist es.
Bald wird die Gruppe weiteres Material freischalten. Jetzt kommen noch mehr Karten ins Spiel; noch mehr Tische sind gleichzeitig zu bedienen. Am Grundmuster ändert sich allerdings nichts. Im Grunde zeigt KOSMOPOLI:T schon in der ersten Partie, was es spielerisch kann. Und wesentlich mehr kann es dann auch später nicht. Zumal wir hier keine Rollen ausüben, in denen wir etwas gestalten, sondern lediglich Rollen, in denen wir auf die Impulse der App reagieren. So bewegt sich das, was wir hier tun, bei aller Spaßigkeit in einem immer wieder engen und ähnlichen Rahmen.


Was taugt es? KOSMOPOLI:T ist ein ungewöhnliches und sehr sympathisches Spiel, das Neulingen fast immer Spaß macht. Allerdings habe ich auch beobachtet, dass es den Teilnehmer:innen nach zwei oder drei Partien genug war und dass wenig Neugierde da war, das Spiel ein anderes Mal wieder auszupacken. Das liegt auch am technischen Aufwand, der vorab betrieben werden muss. KOSMOPOLI:T ist nicht so schnell losgespielt.
Als spielerisches Projekt finde ich KOSMOPOLI:T toll. Ich kann nur grob erahnen, wie viel Recherche, wie viel wissenschaftliche Unterstützung und wie viel Arbeit in dieses ungewöhnliche Sprachspiel geflossen sein müssen. Die Bestellungen in 60 verschiedenen Sprachen wurden (nach Verlagsangaben) fast ausschließlich von Muttersprachler:innen eingesprochen, nur selten handelte es sich um die Zweitsprache. Ein 32-seitiges Begleitheft informiert über Sprachen der Welt. Das Gesamtpaket ist mehr als nur ein Spiel.


**** solide

KOSMOPOLI:T von Florent Toscano und Julien Prothière für vier bis acht Spieler:innen, Huch / Jeux Opla.

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