Freitag, 21. April 2023

Encyclopedia

Wutwochen auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN. Teil 3, grrr!

Wie geht ENCYCLOPEDIA? Wir sammeln Tierkarten, um die Arten zu erforschen und anschließend unsere Ergebnisse zu publizieren. Jedes Tier hat fünf Merkmale, beispielsweise ist es Pflanzen-, Fleisch- oder Allesfresser und lebt in heißem, gemäßigtem oder kaltem Klima. Das Spiel belohnt, möglichst häufig zu gleichen Merkmalen zu publizieren, weshalb es sich lohnt, möglichst häufig dieselben Merkmale zu erforschen und Tierkarten mit denselben Merkmalen zu sammeln.
Der Hauptmechanismus ist Würfeleinsatz. Alle würfeln zu Rundenbeginn ihre vier Würfel, die sie zuvor zufällig aus einem Beutel gezogen haben, wodurch auch die Würfelfarben zufällig sind. Alle diese Würfel bilden nun einen Pool, aus dem sich reihum jede:r bedient, um einen der Würfel einzusetzen. Allerdings: Wählt jemand anderes einen meiner Würfel, bekomme ich Geld oder Punkte oder Ansehen dafür. Jedem meiner Würfel habe ich zuvor eine der möglichen Belohnungen zugewiesen; dem vermeintlich stärksten Würfel die vermeintlich beste Belohnung.
Die Aktionen sind dazu da, um sich Geld oder Siegel oder Tierkarten zu nehmen, um zu forschen und zu publizieren oder um eine „Expertenkarte“ zu wählen, die (meist) einen dauerhaften Vorteil bringt. Hohe Augenzahlen sind dabei grundsätzlich besser als niedrige. Für einige Aktionen ist auch eine passende Würfelfarbe erforderlich. Mit Geld darf man Würfelaugen hinzukaufen, mit Siegeln die Farbe ändern.


Was passiert? Die Vorgaben in ENCYCLOPEDIA legen eine Spezialisierung auf gleiche Merkmale nahe, also wird man, wenn es irgend geht, Tierkarten mit gleichen Merkmalen wählen und erforschen. Und wenn man seine Forschungsrichtung erst mal festgelegt hat, wäre es unsinnig, davon wieder abzuweichen.
Auch die Aktionen sind klar. Ich brauche Tiere. Ich muss erforschen. Und weil beim Forschen hohe Kosten anfallen, muss ich auch Geld ranholen. Hin und wieder spare ich eine Aktion, weil ich durch Nebeneffekte Geldeinnahmen habe oder ein Tier geschenkt bekomme oder weil ich (sofern sie vom selben Kontinent stammen) mehrere Tiere gleichzeitig erforschen darf. Aber grundsätzlich wiederholen wir alle immer dieselben Schritte.
Das Erforschen ist obendrein mit viel Rechnerei verbunden. Um die Ernährungsweise eines Tieres zu erforschen, benötige ich vier Würfelaugen, für den Lebensraum sieben, für die Klimazone zehn. Will ich bei mehreren Tieren desselben Kontinents einmal die Ernährung, zweimal den Lebensraum, einmal das Klima erforschen, macht das 28. Fünf habe ich auf dem Würfel, einen kriege ich als Bonus meines Einsatzfeldes, zwei über eine Expertenkarte, vier über Siegel und die restlichen 16 zahle ich mit Münzen.

Und dafür kriege ich nun Siegpunkte, nämlich einen für die Ernährung, zweimal drei für Lebensraum und sechs für das Klima sowie weitere drei Punkte plus vier Geld über meine Expertenkarten. Und beim Veröffentlichen bekomme ich schon wieder Siegpunkte, allerdings nach einer anderen Tabelle. Und bei der Schlusswertung gilt eine noch andere Tabelle.
ENCYCLOPEDIA setzt seine Vorgänge mechanisch unnötig kompliziert und obendrein langweilig um. Vieles im Spiel fühlt sich nur nach Verwaltung und Abarbeiten und Zusammenrechnen an. Der Würfelmechanismus ist nach meinem Empfinden Blendwerk. Gewiss kann ich überlegen, ob ich für meine gelbe Fünf lieber drei Punkte, zwei Geld oder zwei Ansehen haben möchte. Weil aber am Ende sowieso alle Würfel genommen werden, bekomme ich am Ende auch alle drei Belohnungen, außer ich nehme Würfel bei mir selbst. Oft ist es nur ein Ringtausch.


Was taugt es? ENCYCLOPEDIA behauptet, dass es um Expeditionen zu anderen Kontinenten und das Erforschen der faszinierendsten Geschöpfe unserer Erde gehe. Aber gar nichts davon spürt man in den Mechanismen. Die tollen Illustrationen: verschenkt! Das spannende Thema: verschenkt!
Ich bin gewiss kein Fan der vielen seelenlosen Renaissance-, Bauwerk- oder Städtenamenspiele, die fast beliebig um ein Thema kreisen, um irgendwie den abstrakten Mechanismus zu ummänteln, weil man das ja nun mal so tut. Doch diesen ganzen Standardthemen möchte ich wenigstens zugutehalten, dass sie unter Eigeweihten eine Art Code sind, der andeutet, mit welcher Art Spiel man es vermutlich zu tun haben wird. Wesentlich ärgerlicher finde ich es, wenn Leben, Natur, Forschung versprochen werden – und sich dann trotzdem dieselbe Seelenlosigkeit offenbart.


** misslungen

ENCYCLOPEDIA von Éric Dubus und Olivier Melison für eine:n bis vier Spieler:innen, Holy Grail Games.

1 Kommentare:

Peer hat gesagt…

Deinem letzten Absatz kann ich nur zustimmen - nichts ist ärgerlicher, als wenn ein spannendes Thema versprochen wird, dass sich im Spiel in keinster Weise wiederfindet.

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