Sonntag, 19. November 2023

Pyramido

Pyramiden, so alt sie sind, offenbaren bis in die Gegenwart noch Neues. Und was soll man sagen: Für Pyramiden als Spielthema, so abgehangen es ist, gilt das anscheinend ebenso.

Wie geht PYRAMIDO? Wir bauen mit Domino-Plättchen Pyramiden. Die unterste Lage besteht aus zehn Dominos, die zweite Lage aus sechs, die dritte aus drei, und die abschließende vierte Ebene enthält noch genau einen Domino-Stein.
Die meisten Dominos sind zweifarbig, manche einfarbig. Und jeder Domino zeigt zwei Wertungssymbole, entweder verteilt oder beide Symbole auf derselben Hälfte.

Ist eine Ebene fertig, wird geschaut, wie viele Wertungssymbole zu sehen sind. Bei der ersten Ebene werden das bei allen Spieler:innen logischerweise 20 sein – aber nicht alle Symbole werden auch gewertet. Pro Farbe werte ich nur eine Fläche. Und ich darf mir nicht mal aussuchen, welche. Sondern es wird die Fläche gewertet, auf der mein Marker liegt.
Marker wiederum kommen ins Spiel, wenn ich in einem Durchgang (der dem Legen einer Ebene entspricht) eine Farbe zum ersten Mal spiele. Diese Farbe muss ich markieren. Außer ich spiele gleich zwei Farben erstmalig. Dann markiere ich nur eine.
Pro Symbol der gewerteten Farbflächen bekomme ich einen Punkt. Meine schlechteste Farbfläche punktet doppelt. Deswegen kann es lukrativer sein, nicht alle Farben zu bauen. In oberen Ebenen wird dies zwangsläufig passieren.
Der entscheidende Kniff des Spiels ist, dass wir die Ebenen leicht versetzt bauen. Was in der ersten Ebene ganz außen liegt, bleibt auch nach dem Bau der zweiten Ebene sichtbar. Äußere Symbole können also erneut punkten, falls ich sie farblich passend anbinde.


Was passiert? Die Kombination versetztem Bauen und Wertungsmodalitäten ist originell. Trotz einfacher Regeln bietet PYRAMIDO im Genre der Domino-Legespiele tatsächlich noch etwas Neues. Wie clever das ausgedacht ist, merkt man erst beim Spielen.
Weil man Dominos angrenzend an bereits gelegte Dominos derselben Ebene legen muss, entstehen fiese Zwänge. Insbesondere ab der zweiten Ebene, wo ich bereits recht klare Wunschvorstellungen habe, welche Farbkombination mein Plättchen liefern soll. Immer wieder muss ich improvisieren und auch Abstriche machen.
Ein bisschen kann ich vorausplanen. Stets drei Bauteile liegen zur Auswahl. Und auch das jeweils oberste Teil der vier Nachziehstapel ist offen. Ich sehe also, was kommen könnte. Jedoch: Wenn ich etwas sehr, sehr gut gebrauchen kann, wird es vermutlich nicht kommen. Denn wer ein Teil baut, bestimmt, von welchem Stapel der Markt wieder aufgefüllt wird. Dass Mitspieler:innen mein Lieblingsteil hinlegen, ist unwahrscheinlich. Lege ich es selbst in den Markt, kann es jede:r wegschnappen, bevor ich wieder an die Reihe komme.

Dieser konfrontative Mechanismus macht das Spiel leider zäh. In meinen Partien war es oft so, dass Spieler:innen lange überlegt haben, wie sie anderen möglichst keine Vorlage geben. Jedes Plättchen im Markt ist mit exakt zwei Nachziehstapeln verknüpft. Beim Bauen des Teils darf ich nur von diesen Stapeln nachlegen. Deshalb kann sich das Vermeiden-Wollen einer Vorlage sogar darauf auswirken, welchen Domino ich bei mir anlege, was die Überlegungen mitunter noch mehr in die Länge zieht … und bei allem Grübeln, wie ich der Person nach mir schade, übersehe ich am Ende vielleicht, dass ich der Dritten oder dem Vierten am Tisch ein Spitzenteil serviere.
Zu zweit empfinde ich diesen Mechanismus als angemessen und gut funktionierend. Ich frage mich aber, ob in Spielen zu dritt und zu viert verdeckte Nachziehstapel, von denen man zufällig nachlegt, nicht die bessere Option gewesen wären. Dem Spielfluss täte es auf jeden Fall gut.

Was taugt es? Dass PYRAMIDO trotz seiner stringenten und reizvollen Bau- und Wertungsmechanik nicht über „solide“ hinauskommt, liegt noch an einer zweiten Sache, die mir nicht gefällt: der letzte Durchgang. Hier lege ich nur ein Teil und bin stark determiniert, was ich brauchen kann und was nicht. Meist macht es einen riesigen Punkteunterschied, ob ich ein optimales oder ein mittelmäßiges Teil erhalte.
Dreimal im Spiel darf ich mit einem Abdecker aus Papier eine Dominoseite umfärben. Und: Beim Umfärben darf ich auf beide Hälften des Plättchens einen Marker legen. Also werde ich bis zum Schluss die Papiere übrigbehalten, deren Farben mir in der vierten Ebene die meisten Punkte bringen. Doch pro Domino darf ich nur eine Hälfte umfärben. Mindestens eine Hälfte des abschließenden Teils muss eine meiner beiden Wunschfarben zeigen.
Mit Pech klappt aber nicht mal das. Obendrein hängt es von der Zugreihenfolge ab. In jedem Durchgang startet die Person, die im vorigen Durchgang die wenigsten Punkte gewonnen hat. Gespielt wird dann im Uhrzeigersinn. So kann jemand mehr oder weniger willkürlich in die letzte Position geraten und muss eventuell mit ansehen, wie Zug für Zug immer schlechtere Plättchen in den Markt gelegt werden. Bis wirklich gar nichts mehr passt.


**** solide

PYRAMIDO von Ikhwan Kwon für zwei bis vier Spieler:innen, Synapses Games.

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