Dienstag, 5. Dezember 2023

Vor 20 Jahren (132): Attika

Nach ELEMENTS, VERRÄTER, MEUTERER, LIFT OFF, ATTRIBUT und BAKERSTREET – allesamt Kartenspiele – war ATTIKA das erste große Brettspiel von Marcel-André Casasola Merkle. Und wäre ich er, wäre ich erstens sehr stolz auf dieses Werk und hätte mir zweitens einiges davon erhofft.

Eine Nominierung für die Wahl zum Spiel des Jahres vielleicht. Aber es wurde nur die Empfehlungsliste. Nominiert wurden im Jahr 2004 ZUG UM ZUG, EINFACH GENIAL, SANKT PETERSBURG, RAJA und DICKE LUFT IN DER GRUFT.

Na gut, aber dann vielleicht eine Top-3-Platzierung beim Deutschen Spielepreis? Nein, wieder knapp verfehlt. Es wurde Platz vier hinter SANKT PETERSBURG, SAN JUAN und GOA. Und wenn ich mir diese ganzen Spieletitel so vergegenwärtige (und obwohl ich zwei Spiele auf der Nominierungsliste nicht nominiert hätte), muss ich feststellen: Puh! Der 2003/04er-Jahrgang war legendär stark!

Vielleicht lag’s an diesem starken Jahrgang, dass ATTIKA – zumindest nach meinem Empfinden – ein bisschen in Vergessenheit geraten ist. Aber offenbar waren schon damals einige gar nicht so hingerissen wie ich. In der spielbox vergaben die Rezensent:innen überwiegend acht Punkte, allerdings auch einmal nur fünf und einmal nur sechs. In der Fairplay gab es Zweien, aber nicht nur glatte, und Dreien gab es auch, und eine davon war sogar eine Drei minus. – Was soll ich dazu sagen? Pfft!

ATTIKA ist ein Aufbauspiel. Aber es ist auch ein Positionierungsspiel. Verglichen mit heutigen Aufbauspielen ist es sehr interaktiv und zugleich erstaunlich elegant. Ganze vier Seiten Anleitung genügen.


Jede:r besitzt dieselben 30 Plättchen, die überwiegend Gebäude zeigen. Zunächst liegen sie verdeckt. Ich gewinne, wenn ich entweder alle meine Plättchen baue oder wenn ich so baue, dass ich zwei Heiligtümer auf dem während der Partie wachsenden Spielplan verbinde. Die Gebäudeplättchen baue ich mit Rohstoff-Kombinationen. Die Rohstoffe bezahle ich teilweise in Form von Handkarten, teilweise nutze ich Rabatte, die mir der Spielplan gibt. Baue ich beispielsweise auf oder neben Wald und Hügel, spare ich dabei ich ein Holz und ein Lehm. Wer früh baut, baut billiger. Denn überbaute und unsichtbare Symbole geben keinen Rabatt mehr.

Das ist nicht nur absolut logisch. Es ist auch ein Beispiel dafür, wie gut die Abläufe in ATTIKA grafisch unterstützt sind. Das gilt auch für eine weitere Bauregel: Ich darf Plättchen kostenlos legen, wenn sie an ein bestimmtes anderes Plättchen angrenzen, beispielsweise der Turm an die Festung.

Welche Plättchen zusammengehören, ist nicht nur thematisch erklärbar, es zeigt sich auch auf meinem Tableau, auf dem ich Plättchen zwischenlagere, nachdem ich sie aufgedeckt, aber noch nicht gleich gebaut habe. Was ich dürfte. Aber manchmal kann man eben nicht. Und manchmal will man nicht. Habe ich etwa einen Turm gezogen, wäre es eine Überlegung, erst noch die Festung abzuwarten, um für den Turm keine Rohstoffe zahlen zu müssen.

Nicht zu bauen, kostet allerdings Präsenz auf dem Spielplan. Die anderen besetzen währenddessen die rohstoffreichsten Ecken. Und die Gefahr, dass irgendwer zwei Heiligtümer verbindet, ist in einer eher leeren Landschaft natürlich auch viel größer. Und das ist übrigens das Einzige, was ich an ATTIKA manchmal nicht so gemocht habe. Oder vielleicht habe ich es auch an meiner Spielerunde nicht gemocht: In letzter Not einen Verbindungssieg zu verhindern, kann eine sehr teure Angelegenheit sein. Und in meiner damaligen Runde überließ einer das gerne dem Nächsten. Bis es dann derjenige machen musste, der als Letzter vor dem potenziellen Gewinner an die Reihe kam. Andere standen vielleicht besser da und profitierten deshalb mehr davon, andere hätten’s auch mit weniger Aufwand hingekriegt, aber die Drecksarbeit blieb trotzdem an mir hängen … ähm, ich meine, an dem armen Unbekannten, der da gerade eine unglückliche Position in der Sitzreihenfolge hatte.

Aber das ist längst Schnee von gestern. Ich habe es vollständig abgehakt und bin da emotional kein bisschen mehr involviert. Überhaupt nicht. Und je häufiger wir ATTIKA spielten, desto seltener gelang ohnehin ein Verbindungssieg.

In Rezensionen schreibt man oft im letzten Absatz (also diesem): „Kommt immer wieder auf den Tisch.“ Und vielleicht glaubt man das in dem Moment auch, aber es scheitert an der Realität. ATTIKA ist eines der wenigen Spiele, das in den vergangenen 20 Jahren tatsächlich immer mal wieder von uns gespielt wurde. Und es fühlt sich nicht alt an, sondern wie vor 20 Jahren schon. Sehr elegant. Sehr spannend. Und leider unterbewertet.


4 Kommentare:

Klaus Ottmaier hat gesagt…

Ohne Wenn und Aber: Volle Zustimmung!

Anonym hat gesagt…

Tatsächlich immer noch ein all-time favorite, super Spiel!

Anonym hat gesagt…

Ich liebe dieses Spiel noch immer. Weiterhin eins der besten 2-Spieler-Spiele aus meiner Sicht!

Kai Frederic hat gesagt…

Ich hab es gerade erst letztens wieder gespielt und ein paar weitere Spieler damit angefixt. 2003/04 war für mich der beste Spielejahrgang, den ich miterlebt habe.

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