Donnerstag, 21. November 2013
Russian Railroads
Laletik – Enkel – bajonettieren – Schleuderbrett – monochrom. Eine beliebte Kreativmethode besteht darin, fünf Mal mit dem Finger ins Wörterbuch zu tippen und aus den zufällig ermittelten Begriffen einen tollen Text zu zaubern. Meine Meinung: Es ist echt erbärmlich, wenn einem für Einleitungen nichts anderes mehr einfällt.
Noch erbärmlicher ist es übrigens nur, wenn einem nicht einmal mit den Begriffen etwas einfällt. Ähm... und nun zum Wetter.
Wie geht RUSSIAN RAILROADS? Eisenbahn abstrakt: Wir bauen an drei Strecken, jeder auf seinem eigenen Tableau. Zuerst mit schwarzen Gleisen, dann grau, dann braun, dann beige, dann weiß. Je höherwertiger die Farbe, desto mehr Punkte zählt die Route. Punkte gibt es allerdings nur auf jenen Streckenabschnitten, die innerhalb der Reichweite der eingesetzten Lok liegen.
Zusätzlich kann ein Marker auf einer Industrieskala vorangetrieben werden. Die ist an fünf Stellen unterbrochen, und dort müssen Fabriken gebaut werden, damit es weitergeht. Sobald der Industriemarker das Fabrikfeld betritt, schaltet er eine Belohnung frei. Und auch auf den Eisenbahnstrecken werden diverse Dinge freigeschaltet. Höherwertige Gleissorten, zusätzliche Arbeiterfiguren, Bonusplättchen und Extrapunkte gibt es immer dann, wenn Gleise plus eventuell auch Loks bestimmte Ziele erreichen.
Der Kernmechanismus ist Arbeitereinsatz. Zu viert startet jeder mit fünf Figuren, und es gibt schlappe 26 Möglichkeiten, sie zu platzieren. Stärkere Felder erfordern mehrere Arbeiter. Man setzt ein, um Loks und / oder Fabriken zu bauen, mit dem Industriemarker oder bestimmten Gleisfarben voranzuschreiten, die Spielerreihenfolge zu verändern, Leiharbeiter zu gewinnen, Verdoppler zu kaufen (sie machen die Strecke wertvoller) oder einen Ingenieur anzuheuern. Erworbene Ingenieure fungieren wie ein zusätzliches, privates Einsetzfeld. Außerdem gibt es bei Spielende für die Ingenieursmehrheit einen fetten Bonus.
Dass von 14 möglichen immer nur sieben Ingenieure ins Spiel kommen und dazu noch in unterschiedlicher Reihenfolge, ist in RUSSIAN RAILROADS die wesentliche Variation. Zudem spielen nur acht von zehn Siegpunktkarten mit; ansonsten ist die Ausgangslage immer gleich.
Was passiert? In der ersten Partie ist man von den Möglichkeiten noch erschlagen, und bei der Wertung am Rundenende überlässt man das Ausrechnen der Punktezahl („Äh, wie ging das noch?“) gerne einem Fachmann.
Trotzdem entwickelt jeder bald so etwas wie einen Plan. Ob dieser Plan bereits taugt, sei dahingestellt. Wichtig ist: Man geht mit Vorsätzen in die nächste Partie. Dass man dies bereits kann, liegt an der besonderen Klarheit von RUSSIAN RAILROADS. Das Spiel zeigt Möglichkeiten deutlich auf. Zum Beispiel: Die Strecke Moskau – Wladiwostok mit weißen Gleisen und Verdopplern veredeln. Oder: Zwei Industriemarker durch den Parcours schleusen. Oder: Alle vier Bonusplättchen aktivieren.
Während der Partie ergeben sich zudem zahlreiche taktische Optimierungsfragen: Nutze ich Bonusplättchen als Entwicklungsbeschleuniger oder als Punktebringer? Lohnt es sich noch, den letzten Arbeiter freizuschalten? Hole ich mir auf jeden Fall eine Lok oder sitze ich die Sache aus, bis das nächsthöhere Loklevel verfügbar ist?
Und schließlich fängt man an zu spielen: Hm, welche Strecken lassen sich denn sinnvoll kombinieren? Kriege ich es hin, die Industrie nicht nur irgendwie zu entwickeln, sondern unterwegs auch besonders lukrative Fabriken einzubauen? Geht es auch mal komplett ohne Ingenieure? Wie schnell könnte ich eigentlich sämtliche Arbeiter kriegen? Und so weiter.
Was taugt es? RUSSIAN RAILROADS ist ein herausforderndes Experimentierfeld. Der eigene Highscore dient als Vergleich, ob der Versuch geglückt ist oder nicht. Obwohl jeder sein eigenes Tableau entwickelt, ist das Spiel nicht solitär. Wie bei anderen Arbeiter-Einsetz-Spielen auch gibt es viele attraktive Platzierungsfelder, und weil die Mitspieler dummerweise auch was vom Kuchen abhaben wollen, wägt man die Prioritäten ab und fiebert mit, dass bestimmte Aktionen noch bis zum nächsten Zug frei bleiben. Dieses Mitfiebern empfinde ich bei RUSSIAN RAILROADS als besonders ausgeprägt. Vermutlich liegt auch dies an der Klarheit des Spiels. Es ist kein wischiwaschi und mehr oder weniger egal, ob ich eine Aktion kriege oder nicht oder irgendwann später. Sondern: Ich habe einen Plan, und den verfolge ich.
Trotz ähnlicher Ausgangslage verlaufen die Partien unterschiedlich. Vieles hängt vom Verhalten der Mitspieler ab. Ob die hochwertigsten Loks und Fabriken überhaupt ins Spiel kommen, ist ungewiss. Und jede noch so tolle Strategie scheitert, wenn zu viele Spieler dasselbe versuchen und sich um die entsprechenden Einsetzfelder balgen.
Eins noch, und nicht das Unwichtigste: Weil immer mehr Spiele im Kenner- und Freakbereich erscheinen, muss ich tendenziell immer mehr komplexe Anleitungen lesen, und ziemlich oft ist das eine Quälerei – gerade in meinem Alter. Die Anleitung von RUSSIAN RAILROADS ist dagegen pures Gold. Alles verständlich, übersichtlich, sehr ausführlich und in der richtigen Reihenfolge. Auch die Grafik ist klar und durchdacht. Redaktionell wurde hier vorbildlich gearbeitet. So sollen Spiele sein.
RUSSIAN RAILROADS von Helmut Ohley und Leonhard Orgler für zwei bis vier Spieler, Hans im Glück.
Erweiterung: GERMAN RAILROADS
Noch erbärmlicher ist es übrigens nur, wenn einem nicht einmal mit den Begriffen etwas einfällt. Ähm... und nun zum Wetter.
Wie geht RUSSIAN RAILROADS? Eisenbahn abstrakt: Wir bauen an drei Strecken, jeder auf seinem eigenen Tableau. Zuerst mit schwarzen Gleisen, dann grau, dann braun, dann beige, dann weiß. Je höherwertiger die Farbe, desto mehr Punkte zählt die Route. Punkte gibt es allerdings nur auf jenen Streckenabschnitten, die innerhalb der Reichweite der eingesetzten Lok liegen.
Zusätzlich kann ein Marker auf einer Industrieskala vorangetrieben werden. Die ist an fünf Stellen unterbrochen, und dort müssen Fabriken gebaut werden, damit es weitergeht. Sobald der Industriemarker das Fabrikfeld betritt, schaltet er eine Belohnung frei. Und auch auf den Eisenbahnstrecken werden diverse Dinge freigeschaltet. Höherwertige Gleissorten, zusätzliche Arbeiterfiguren, Bonusplättchen und Extrapunkte gibt es immer dann, wenn Gleise plus eventuell auch Loks bestimmte Ziele erreichen.
Der Kernmechanismus ist Arbeitereinsatz. Zu viert startet jeder mit fünf Figuren, und es gibt schlappe 26 Möglichkeiten, sie zu platzieren. Stärkere Felder erfordern mehrere Arbeiter. Man setzt ein, um Loks und / oder Fabriken zu bauen, mit dem Industriemarker oder bestimmten Gleisfarben voranzuschreiten, die Spielerreihenfolge zu verändern, Leiharbeiter zu gewinnen, Verdoppler zu kaufen (sie machen die Strecke wertvoller) oder einen Ingenieur anzuheuern. Erworbene Ingenieure fungieren wie ein zusätzliches, privates Einsetzfeld. Außerdem gibt es bei Spielende für die Ingenieursmehrheit einen fetten Bonus.
Dass von 14 möglichen immer nur sieben Ingenieure ins Spiel kommen und dazu noch in unterschiedlicher Reihenfolge, ist in RUSSIAN RAILROADS die wesentliche Variation. Zudem spielen nur acht von zehn Siegpunktkarten mit; ansonsten ist die Ausgangslage immer gleich.
Was passiert? In der ersten Partie ist man von den Möglichkeiten noch erschlagen, und bei der Wertung am Rundenende überlässt man das Ausrechnen der Punktezahl („Äh, wie ging das noch?“) gerne einem Fachmann.
Trotzdem entwickelt jeder bald so etwas wie einen Plan. Ob dieser Plan bereits taugt, sei dahingestellt. Wichtig ist: Man geht mit Vorsätzen in die nächste Partie. Dass man dies bereits kann, liegt an der besonderen Klarheit von RUSSIAN RAILROADS. Das Spiel zeigt Möglichkeiten deutlich auf. Zum Beispiel: Die Strecke Moskau – Wladiwostok mit weißen Gleisen und Verdopplern veredeln. Oder: Zwei Industriemarker durch den Parcours schleusen. Oder: Alle vier Bonusplättchen aktivieren.
Während der Partie ergeben sich zudem zahlreiche taktische Optimierungsfragen: Nutze ich Bonusplättchen als Entwicklungsbeschleuniger oder als Punktebringer? Lohnt es sich noch, den letzten Arbeiter freizuschalten? Hole ich mir auf jeden Fall eine Lok oder sitze ich die Sache aus, bis das nächsthöhere Loklevel verfügbar ist?
Und schließlich fängt man an zu spielen: Hm, welche Strecken lassen sich denn sinnvoll kombinieren? Kriege ich es hin, die Industrie nicht nur irgendwie zu entwickeln, sondern unterwegs auch besonders lukrative Fabriken einzubauen? Geht es auch mal komplett ohne Ingenieure? Wie schnell könnte ich eigentlich sämtliche Arbeiter kriegen? Und so weiter.
Was taugt es? RUSSIAN RAILROADS ist ein herausforderndes Experimentierfeld. Der eigene Highscore dient als Vergleich, ob der Versuch geglückt ist oder nicht. Obwohl jeder sein eigenes Tableau entwickelt, ist das Spiel nicht solitär. Wie bei anderen Arbeiter-Einsetz-Spielen auch gibt es viele attraktive Platzierungsfelder, und weil die Mitspieler dummerweise auch was vom Kuchen abhaben wollen, wägt man die Prioritäten ab und fiebert mit, dass bestimmte Aktionen noch bis zum nächsten Zug frei bleiben. Dieses Mitfiebern empfinde ich bei RUSSIAN RAILROADS als besonders ausgeprägt. Vermutlich liegt auch dies an der Klarheit des Spiels. Es ist kein wischiwaschi und mehr oder weniger egal, ob ich eine Aktion kriege oder nicht oder irgendwann später. Sondern: Ich habe einen Plan, und den verfolge ich.
Trotz ähnlicher Ausgangslage verlaufen die Partien unterschiedlich. Vieles hängt vom Verhalten der Mitspieler ab. Ob die hochwertigsten Loks und Fabriken überhaupt ins Spiel kommen, ist ungewiss. Und jede noch so tolle Strategie scheitert, wenn zu viele Spieler dasselbe versuchen und sich um die entsprechenden Einsetzfelder balgen.
Eins noch, und nicht das Unwichtigste: Weil immer mehr Spiele im Kenner- und Freakbereich erscheinen, muss ich tendenziell immer mehr komplexe Anleitungen lesen, und ziemlich oft ist das eine Quälerei – gerade in meinem Alter. Die Anleitung von RUSSIAN RAILROADS ist dagegen pures Gold. Alles verständlich, übersichtlich, sehr ausführlich und in der richtigen Reihenfolge. Auch die Grafik ist klar und durchdacht. Redaktionell wurde hier vorbildlich gearbeitet. So sollen Spiele sein.
RUSSIAN RAILROADS von Helmut Ohley und Leonhard Orgler für zwei bis vier Spieler, Hans im Glück.
Erweiterung: GERMAN RAILROADS
Label:
****** außerordentlich
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6 Kommentare:
Für die nächste Einleitung (oder die nächsten fünf) möchte ich Dir folgende spontan gezogenen Plättchen aus ESELSBRÜCKE an Herz legen: Belegtes Brot - Sieben - Klecks - Naschkatze - Wirbelwind. Ich les doch so gerne Einleitungen!
Mit Bahnhöfen meinst du die Verdoppler?
Tournesol
Ja, so nennen wir diese Chips in meinen Runden, aber ich stelle gerade fest, dass der offizielle Begriff "Verdoppler" lautet. Habe es nun im Text geändert.
Was höre ich denn da aus deinem letzten Absatz heraus: Eine gewisse Altersmilde?
Ich arbeite an meinem neuen Image als Schmusekritiker.
Udo, du kritisierst also jetzt auch Schmusen UND Spiele? Ich biete mich zum Kuscheln an! :-)
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