Freitag, 2. Oktober 2015
Winter der Toten
Lange her. Am 5. September legte ich ein Textdokument namens „Winter der Toten“ an, und ich gab dem geplanten Artikel auch gleich eine originelle Überschrift: „Winter der Toten“. Eine – wie ich fand – beachtliche erste Zwischenüberschrift hatte ich ebenfalls parat. „Wie geht WINTER DER TOTEN?“ sollte sie lauten ... Doch dann, nach diesem wirklich verheißungsvollen Auftakt, gab es leider eine Unterbrechung von fast einem Monat.
Tja, passiert ist passiert. Manchmal ist das eben so, insbesondere bei diesen windigen Kostenlos-Angeboten im Netz, deren Machern die Million Euro allzu offensichtlich mehr am Herzen liegt als die Million Leser.
Schwamm drüber. Für alle, die den schmierigen Charakter dieses Blogs noch nicht durchschaut haben oder nicht wahr haben wollen oder gar gut heißen, ist REZENSIONEN FÜR MILLIONEN jetzt wieder da! (Das Weihnachtsgeschäft lasse ich mir doch nicht entgehen, höhö.)
Wie geht WINTER DER TOTEN? WINTER DER TOTEN ist ein kooperatives Zombie-Spiel, und damit ist mehr oder weniger auch schon geklärt, wie es ungefähr abläuft: Wir durchsuchen Ort für Ort, finden Lebensmittel, Werkzeuge, Waffen. Wenn wir lange am selben Ort verweilen oder Lärm machen, lockt dies Zombies an, und im Kampf um Leben und Tod spielt auch Würfelglück eine wichtige Rolle.
Jeder von uns startet mit zwei Charakteren, es können mehr oder auch weniger werden. Jeder Charakter besitzt eine besondere Eigenschaft. Mehr Charaktere bedeuten für den Einzelnen mehr Aktionswürfel. Für die Gruppe bedeutet es höheren Nahrungsbedarf.
Alle Aktionswürfel werden zu Beginn eines Durchgangs geworfen. Für die Aktionen „Angreifen“ oder „Durchsuchen“ muss man – abhängig von den Charakterfähigkeiten – eine bestimmte Mindestaugenzahl erreichen, andere Aktionen kosten einen Würfel mit beliebiger Augenzahl, wieder andere Aktionen sind gratis.
Wir spielen eins von zehn Szenarien, die sich in Länge und Schwierigkeitsgrad voneinander unterscheiden. Die Ziele lauten, entweder einfach nur zu überleben oder bestimmte Dinge zu sammeln oder eine bestimmte Menge Zombies zu töten. Jeder Spieler verfolgt obendrein ein geheimes persönliches Ziel, und in der Hauptvariante kann einer der Verräter sein, der den Sieg der Gruppe verhindern will, aber (weil dies allein zu leicht wäre) ebenfalls noch ein persönliches Ziel erreichen muss.
Was passiert? Man würfelt und bangt, man zieht Karten und hofft, man kooperiert, tauscht Ausrüstung, berät sich und so weiter. Das für mich neueste und beste Element von WINTER DER TOTEN sind die 80 Schicksalskarten. Bin ich am Zug, zieht mein rechter Nachbar die oberste vom Stapel und prüft, ob die Bedingungen erfüllt sind, um die Karte wirksam werden zu lassen. Falls ja, liest er vor.
Die Kartentexte bringen sehr, sehr viel Story und Endzeit-Stimmung, überraschende Ereignisse, moralische Dilemmata und aufgrund des schwarzen Humors auch gute Unterhaltung. Allerdings dauert es nicht viele Partien, bis es sich wiederholt und die Luft zunehmend raus ist.
Und jetzt kommt die Stelle, an welcher der Mechanismus noch irgendeinen Kick parat haben sollte ... aber nicht hat. So sehr ich das schlanke Regelwerk schätze: Rein mechanisch ist WINTER DER TOTEN herkömmlich und Zombiespiel-typisch.
Einen besonderen Dreh sollen sicherlich die persönlichen Ziele und die Verräter-Komponente bringen. Beide Elemente sehe ich aber eher skeptisch. WINTER DER TOTEN tendiert dazu, gegen Ende immer langatmiger zu werden. Im Regelfall haben die Spieler mehr Ausrüstungsgegenstände, mehr Charaktere und mehr Aktionen als zu Beginn. Von Zug zu Zug ist mehr zu erledigen. Und um zu den Gewinnern zu gehören, fängt in dieser Situation auch noch jeder an, sein persönliches Ziel zu forcieren und das Gruppenziel zu vernachlässigen. Das Spiel verliert weiter Tempo.
Wenn jemand zu dem Schluss kommt, dass er sein persönliches Ziel nicht mehr erreichen kann, und nun beginnt, das Gruppenziel zu torpedieren, damit wenigstens alle verlieren, wird es für mich vollends unbefriedigend. Und genauso habe ich auch den Verräter erlebt: Die Gruppe im entscheidenden Moment so richtig reinzureißen, ist oft nicht schwer, und das kann man dann einfach mal machen, auch wenn das persönliche Ziel gar nicht in Reichweite ist. Hauptsache die anderen gewinnen nicht.
Was taugt es? WINTER DER TOTEN hat seine Stärken im Erzählerischen und Atmosphärischen. Eine Partie kann ein tolles Spielerlebnis sein – aber nur wenn alle Teilnehmer WINTER DER TOTEN als eine Art Rollenspiel begreifen und rein thematisch agieren. Eine kühl mathematische Spielweise entlarvt die mechanischen Schwächen.
WINTER DER TOTEN von Isaac Vega und Jon Gilmour für zwei bis fünf Spieler, Plaid Hat Games / Heidelberger Spieleverlag.
Tja, passiert ist passiert. Manchmal ist das eben so, insbesondere bei diesen windigen Kostenlos-Angeboten im Netz, deren Machern die Million Euro allzu offensichtlich mehr am Herzen liegt als die Million Leser.
Schwamm drüber. Für alle, die den schmierigen Charakter dieses Blogs noch nicht durchschaut haben oder nicht wahr haben wollen oder gar gut heißen, ist REZENSIONEN FÜR MILLIONEN jetzt wieder da! (Das Weihnachtsgeschäft lasse ich mir doch nicht entgehen, höhö.)
Wie geht WINTER DER TOTEN? WINTER DER TOTEN ist ein kooperatives Zombie-Spiel, und damit ist mehr oder weniger auch schon geklärt, wie es ungefähr abläuft: Wir durchsuchen Ort für Ort, finden Lebensmittel, Werkzeuge, Waffen. Wenn wir lange am selben Ort verweilen oder Lärm machen, lockt dies Zombies an, und im Kampf um Leben und Tod spielt auch Würfelglück eine wichtige Rolle.
Jeder von uns startet mit zwei Charakteren, es können mehr oder auch weniger werden. Jeder Charakter besitzt eine besondere Eigenschaft. Mehr Charaktere bedeuten für den Einzelnen mehr Aktionswürfel. Für die Gruppe bedeutet es höheren Nahrungsbedarf.
Alle Aktionswürfel werden zu Beginn eines Durchgangs geworfen. Für die Aktionen „Angreifen“ oder „Durchsuchen“ muss man – abhängig von den Charakterfähigkeiten – eine bestimmte Mindestaugenzahl erreichen, andere Aktionen kosten einen Würfel mit beliebiger Augenzahl, wieder andere Aktionen sind gratis.
Wir spielen eins von zehn Szenarien, die sich in Länge und Schwierigkeitsgrad voneinander unterscheiden. Die Ziele lauten, entweder einfach nur zu überleben oder bestimmte Dinge zu sammeln oder eine bestimmte Menge Zombies zu töten. Jeder Spieler verfolgt obendrein ein geheimes persönliches Ziel, und in der Hauptvariante kann einer der Verräter sein, der den Sieg der Gruppe verhindern will, aber (weil dies allein zu leicht wäre) ebenfalls noch ein persönliches Ziel erreichen muss.
Was passiert? Man würfelt und bangt, man zieht Karten und hofft, man kooperiert, tauscht Ausrüstung, berät sich und so weiter. Das für mich neueste und beste Element von WINTER DER TOTEN sind die 80 Schicksalskarten. Bin ich am Zug, zieht mein rechter Nachbar die oberste vom Stapel und prüft, ob die Bedingungen erfüllt sind, um die Karte wirksam werden zu lassen. Falls ja, liest er vor.
Die Kartentexte bringen sehr, sehr viel Story und Endzeit-Stimmung, überraschende Ereignisse, moralische Dilemmata und aufgrund des schwarzen Humors auch gute Unterhaltung. Allerdings dauert es nicht viele Partien, bis es sich wiederholt und die Luft zunehmend raus ist.
Und jetzt kommt die Stelle, an welcher der Mechanismus noch irgendeinen Kick parat haben sollte ... aber nicht hat. So sehr ich das schlanke Regelwerk schätze: Rein mechanisch ist WINTER DER TOTEN herkömmlich und Zombiespiel-typisch.
Einen besonderen Dreh sollen sicherlich die persönlichen Ziele und die Verräter-Komponente bringen. Beide Elemente sehe ich aber eher skeptisch. WINTER DER TOTEN tendiert dazu, gegen Ende immer langatmiger zu werden. Im Regelfall haben die Spieler mehr Ausrüstungsgegenstände, mehr Charaktere und mehr Aktionen als zu Beginn. Von Zug zu Zug ist mehr zu erledigen. Und um zu den Gewinnern zu gehören, fängt in dieser Situation auch noch jeder an, sein persönliches Ziel zu forcieren und das Gruppenziel zu vernachlässigen. Das Spiel verliert weiter Tempo.
Wenn jemand zu dem Schluss kommt, dass er sein persönliches Ziel nicht mehr erreichen kann, und nun beginnt, das Gruppenziel zu torpedieren, damit wenigstens alle verlieren, wird es für mich vollends unbefriedigend. Und genauso habe ich auch den Verräter erlebt: Die Gruppe im entscheidenden Moment so richtig reinzureißen, ist oft nicht schwer, und das kann man dann einfach mal machen, auch wenn das persönliche Ziel gar nicht in Reichweite ist. Hauptsache die anderen gewinnen nicht.
Was taugt es? WINTER DER TOTEN hat seine Stärken im Erzählerischen und Atmosphärischen. Eine Partie kann ein tolles Spielerlebnis sein – aber nur wenn alle Teilnehmer WINTER DER TOTEN als eine Art Rollenspiel begreifen und rein thematisch agieren. Eine kühl mathematische Spielweise entlarvt die mechanischen Schwächen.
WINTER DER TOTEN von Isaac Vega und Jon Gilmour für zwei bis fünf Spieler, Plaid Hat Games / Heidelberger Spieleverlag.
Label:
**** solide
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1 Kommentare:
Ich bin begeistert: Der Kollege Bartsch beschreitet völlig neue Wege und schreibt über WdT, ohne TWD auch nur ansatzweise, abgekürzt oder in einem klitzekleinen, superkurzen Nebensatz zu erwähnen.
Hätte nicht gegaubt, dass einer das hinkriegt! Ich bin an der Aufgabe jedenfalls gescheitert.
Und zur Spiellänge: Wir spielen auch nur kurze und manchmal mittellange Szenarien, das reicht, macht aber großen Spaß. WdT ist bei uns eines der wenigen Spiele, das den Jahrgang vermutlich überlebt.
Doch Helen Lovejoy dazu: "Kann denn nicht ein einziges Mal jemand an die Wenigspieler denken?" Die verstehen doch mla wieder gar nichts;-)
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