Vor 20 Jahren machte ich eine wertvolle Erfahrung: Gruppen, die von außen elitär und geheimnisvoll wirken, können von innen betrachtet überraschend unspektakulär sein. Die Rede ist von der internen Spielerunde des hannoverschen Spieleladens Am Schwarzen Bär, in die ich trotz mehrmaligen Nachfragens nie hineinkam.
Kurz nach Schließung des Ladens (REZENSIONEN FÜR MILLIONEN berichtete) gründete ein ehemaliger Mitarbeiter – mit schmalerem Spielesortiment und in einem anderen Stadtteil, aber unter demselben Namen „Der Spieleladen“ – das Geschäft neu. Die interne Spielerunde zog mit um und der neue Inhaber war weit weniger streng, wer da mitmachen durfte. Ich durfte es sofort. Und so war ich nun dabei und stellte fest: Hm ...
Von wegen elitärer Club: Die Fluktuation war enorm. Von Woche zu Woche lernte ich immer andere Menschen kennen, die unangekündigt wieder in der Versenkung verschwinden konnten und erst nach vielen Wochen oder gar nicht mehr auftauchten. Und anscheinend durfte jeder spontan jeden mitbringen, der gerade zu Besuch war oder den man zufällig auf dem Hinweg getroffen hatte. Ich war verwirrt. Vor allem darüber, dass der neue Ladenbesitzer originellerweise gar nicht mitspielte.
Einer meiner neuen Mitspieler zog eines Abends FILTHY RICH aus dem Ladenregal und ich dachte: Oh, Mist! Englisch! Offenbar habe ich mich in meinem Leben zu einseitig auf die deutsche Sprache fokussiert. Sobald ich an fremdländische Mundarten gerate, verstehe ich nur noch die Hälfte und kann das Spielen nicht mehr so recht genießen.
Aber als Neuling muckt man ja erst mal nicht auf. Ich spielte klaglos mit. Und in diesem Fall wäre aufzumucken auch ein unverzeihlicher Fehler gewesen. Obwohl mein Einstieg in die Welt der Stinkreichen sicher sehr holprig war; im Laufe der Partien (wir spielten gleich vier am Stück) dürfte ich irgendwann verstanden haben, worum es geht: Kohle machen, Luxusgüter kaufen. Gar nicht so kompliziert.
FILTHY RICH – bei boardgamegeek krebst es etwa um Platz 3000 herum – ist eine vergessene Perle. Es gehört sicherlich zu den zehn Spielen, die ich in meinem Leben am häufigsten gespielt habe. Und ich spiele es heute noch. Ich verstehe auch kaum, warum es vergessen ist – immerhin stammt es vom MAGIC-Autor Richard Garfield.
Der hatte irgendwann in den 90ern wohl noch einen MAGIC-Sammelkarten-Ordner übrig und hat damit ein Spiel gemacht. In FILTHY RICH bildet ein Ordner mit vier Kartenfolien das Spielfeld. Karten, die in die Seiten hineingesteckt werden, sind Geschäfte. Ein Würfelwurf bestimmt, welche Geschäfte ihrem Besitzer Geld ausschütten.
Der erste Clou: Wird umgeblättert (was ebenfalls ein Würfel entscheidet), werden Geschäfte durch andere auf höheren Ebenen überdeckt und haben fortan keine Einnahmen mehr. Der zweite Clou: Einige Geschäfte und erst recht die Aktionskarten bringen lustige oder gemeine Wendungen ins Spiel. Und der dritte Clou: Die Würfel können besagen, dass die Spieler auf ihre Geschäfte Steuern zahlen müssen. Je nach Würfellaune durchläuft FILTHY RICH Phasen des kapitalistischen Glanzes und des Niedergangs.
Zweifellos ist FILTHY RICH ein totales Glücksspiel. Aber genau das ist vermutlich der vierte und entscheidende Clou. Weil man nie weiß, was passieren wird, verbraucht sich der Spielreiz nie.
- Vor 20 Jahren (64): Der Spieleladen
- Vor 20 Jahren (66): Wetten dass (1)
1 Kommentare:
Super Spiel. Habe ich auch im Regal und spiele es ab und zu mal. Echt ne Perle.
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