Kreative Einleitungen, dritter Aufguss: Also, auch bei diesem Spiel konnte ich mich ganz schlecht zwischen „solide“ und „reizvoll“ entscheiden. Aber dann …
Cliffhanger …
Cliffhanger …
Cliffhanger …
habe ich mich doch entschieden.
Wie geht MARACAIBO? MARACAIBO ist eine Pfister-Spielesammlung – in nur einem Spiel. Ohne sie alle aufzählen zu wollen, begegnet man zahlreichen Elementen, denen man in anderen Pfister-Spielen auch schon begegnete.
Viermal durchlaufen wir einen Parcours, indem wir mit unserem Schiff pro Zug ein bis sieben Felder weitersegeln. Am Zielort dürfen wir Aktionen ausführen: teilweise alle Spieler dieselben, teilweise individuelle, weil am entsprechenden Feld ein Gehilfe der eigenen Farbe wartet.
Dort steht er, weil ich ihn in einer vorherigen Aktion mittels Projektkarte platziert habe. Projektkarten ins Spiel zu bringen, kostet Geld. Sie bringen nicht nur Gehilfen, sondern auch Punkte. Oder die permanente Verbesserung von Aktionen. Oder eine Erhöhung des Einkommens. Oder Synergien, beispielsweise in Form des Symbolplättchens „Medaille“, das für sich genommen erst einmal gar nichts besagt. Doch auf anderen Karten könnte stehen: Wenn ich die Medaille besitze, bekomme ich xy.
Gleichzeitig zeigen die Karten Quest-Symbole. An manchen Orten kann ich Quests erfüllen (und Belohnungen kassieren), wenn ich geforderte Quest-Symbole ausspiele. Und die Karten zeigen auch Waren-Symbole. An einigen Orten darf ich zusätzlich zur Aktion eine geforderte Ware abwerfen und schalte damit Fortschritte auf meinem Tableau frei.
Ich könnte noch sehr viele Regeln aufzählen, will es aber bei zwei Hauptelementen belassen: Häufiger kann ich die Aktion „Entdecken“ auslösen, die meine Figur auf einem Dschungelpfad voranbringt. Hier liefern sich die Spieler*innen ein Wettrennen zu lukrativen Feldern. Und ebenfalls häufiger findet die Aktion „Kämpfen“ statt. Hierbei erhöht man die militärische Präsenz von entweder England, Frankreich oder Spanien auf dem Brett und gewinnt dabei Einfluss auf die entsprechende Nation. Eine Multiplikation aus Nationen-Präsenz und eigenem Einfluss zählt Punkte für meine Schlusswertung.
Was passiert? Am Anfang sind wir ziemlich erschlagen, weil MARACAIBO viel Material und viele Regeln enthält. Für den Aufbau muss schon einiges sortiert und anderes aussortiert werden. Obendrein haben die Karten Mehrfachfunktionen, das Tableau ist mit Informationen vollgestopft, und etwas grün Hinterlegtes bedeutet etwas anderes als bei Rot oder Beige oder Blau.
Welche Felder man mit seinem Schiff ansteuern möchte, kriegt man recht bald heraus. Wichtiger erscheint die Frage, wie viel Tempo man macht. Hat die Konkurrenz mehr Gehilfen platziert als ich oder bekomme ich am Ende einer Runde mehr Geld- und Punkte-Einkommen als die anderen, wären dies Gründe, um auf die Tube zu drücken.
Am meisten ist man mit seinen Karten beschäftigt: Welche erscheinen so stark, dass sie ausgespielt werden sollten? Welche ergänzen einander? Welche unterstützen die eingeschlagene Strategie? Welche sind wegen ihrer Quest- oder Waren-Symbole wichtig?
Hier zu tüfteln, abzuwägen, das nötige Geld fürs Ausspielen zusammenzukratzen, macht Spaß, zumal immer nur ein Teilbestand aller Karten im Spiel ist und sich einige Wechselwirkungen noch in späteren Partien entdecken lassen. Manche Karten kommen sogar erst im Kampagnen-Modus zum Einsatz, der (wie auch in AUFBRUCH NACH NEWDALE) weniger Wert auf eine raffinierte Geschichte legt, sondern die Ausgangslage von Partie zu Partie leicht variiert.
Was taugt es? Ich spiele MARACAIBO gern und bin auch weiterhin neugierig auf Folgepartien. Insbesondere wegen des Karten-Managements. Es macht Spaß, verschiedene Vorgehensweisen auszuprobieren und zu erfahren, was sich aus den Blättern und beim Freischalten des Tableaus herausholen lässt.
Auch die Handlungen auf dem Spielplan machen Spaß. Man reagiert auf die Mitspieler*innen, will ihnen Quests wegschnappen oder sich bei einer Nation einklinken, die zuvor von einem/r anderen groß gemacht wurde. Mit mehr Mitspieler*innen steigt allerdings auch die Spieldauer. Die angegebenen 30 Minuten pro Person haben sich in meinen Runden als unrealistisch erwiesen. Man sollte 45 und im Erstkontakt oder in Grübelrunden sogar 60 einkalkulieren.
Obwohl mich MARACAIBO auf gute Weise fordert und unterhält, hat das Spiel Nachteile, die mich auf Dauer andere Pfister-Spiele bevorzugen lassen. Erstens finde ich die Grafik misslungen. Manches ist undeutlich, manches widersprüchlich, manches nicht sehr praktikabel. Der Weg durch den Dschungel beispielsweise ist verborgen und verworren, aber wichtiger als Dschungelflair wäre mir an dieser Stelle der Spielkomfort.
Zweitens finde ich MARACAIBO teilweise überladen und dadurch unelegant. Insbesondere bin ich mir nicht sicher, ob das Spiel die drei Nationen braucht. Nur für die Aktion „Kämpfen“ kommt ein weiterer Stapel Plättchen ins Spiel und damit noch mehr zu erlernende Symbolsprache gepaart mit umständlichen Rechenoperationen. Ins Spiel eingebunden sind die Nationen kaum. Als Folge der Kämpfe liegen Nationenmarker ohne weitere Funktion unübersichtlich auf dem Spielbrett herum.
Auch wenn die Regeln durchaus intuitiv sind und man sie nach einer Partie drauf hat: MARACAIBO ist voll von Kleinigkeiten. Sie alle erhöhen den Aufwand, aber nicht unbedingt den Reiz. Am Ende bleibt das Gefühl, die Substanz des Ganzen deutlicher herauszuschälen, hätte MARACAIBO noch reifen lassen können.
***** reizvoll
MARACAIBO von Alexander Pfister für 1 bis 4 Spieler*innen, Game’s Up / dlp games.
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